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Sunday Listen: We Set Sail – „Feel Nothing“


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Es gibt da diese berüchtigte „Monday Tape„-Szene in „High Fidelity“, der Verfilmung von Nick Hornbys gleichnamigem exzellentem Roman, in der Barry – ein nach außen widerwärtiger, elitärer Plattenladenangestellter, perfekt in Szene gesetzt von Jack Black – versucht, seinen Chef und Kumpel Rob – einen melancholischen und von weinerlichem Sarkasmus geprägten Plattenladenbesitzer, gespielt von John Cusack – nach (s)einer besonders schlimmen Trennung aufzuheitern. Barry tut dies, indem er Katrina and the Waves‘ „Walking On Sunshine“ in Robs Laden in geradezu ohrenbetäubender Lautstäralterke spielt. Nachdem Rob das Mixtape – sehr zu Barrys Verärgerung – abrupt anhält, meint Barry zu Rob, er solle ruhig weitermachen und seine „traurige Bastardmusik“ spielen, worauf Rob – einmal mehr nicht eben ironiefrei –  erklärt: „Ich will keine alte, traurige Bastardmusik hören, Barry. Ich will nur etwas, das ich ignorieren kann.“

a1378662891_16In „Reminders Written On Maps„, einem der zweifellos besten Songs auf We Set Sails 2016 veröffentlichtem Album „Feel Nothing„, gibt es eine Stelle, an dem obiges Film-Sample auf dem Höhepunkt eines riesigen Crescendos gekonnt eingespielt wird, kurz bevor das Stück in einen Furor von Akkord um Akkord wirbelnden Gitarren, doppeltem Gesang und hämmerndem Schlagzeug übergeht. Schnell wird beim Hören klar: Die fünfköpfige Band aus dem australischen Brisbane verwendet auf ihrem zweiten Longplayer geschickt das ein ums andere – und mal mehr, mal weniger bekannte – Filmsample, um den Texten mehr Nachdruck zu verleihen, ohne jedoch den Hörer von den kraftvollen Instrumentals abzulenken. Ein paar Anhaltspunkte und Tipps gefällig? Während der knappen Albumdreiviertelstunde tönen Szenen aus Filmen wie der Komödie „Forgetting Sarah Marshall“, dem Sam-Mendes-Drama „Zeiten es Aufruhrs“ oder dem durch und durch fatalistischen Coen-Brüder-Epos „No Country For Old Men“. Schon bemerkenswert, was We Set Sail mit dieser durchaus einfallsreichen Art des medialen Nebeneinanders gelingt: eine nahezu nahtlose Verbindung von Stimmung, Bedeutung und Musik.

Obwohl die „laziest band in Brisbane“ (so die augenzwinkernde Selbstbeschreibung des Quintetts) musikalische Trademarks wie ebenjenen Hang zum Einsatz von Filmsamples, dichte, hallgetränkte Gitarrenschichten oder dynamische Vocal-Shouts beibehält, haben Paul Voge, James Jackson, Andrew Martin, Hayden Robins und Benjamin Britenstein – gerade im Vergleich zum 2013 veröffentlichten Albumdebüt „Rivals“ – Ausflüge in postrockige Gefilde, in denen siebenminütige Tracklängen bekanntlich mehr Regel denn Ausnahme sind, merklich zurückgefahren, und im Gros durch direktere, fokussiertere Songstrukturen ersetzt, was wiederum dazu führt, dass „Feel Nothing“ einige der bisher stärksten Hooklines der Band enthält.

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Schon der Opener „Animal, Mineral, Vegetable“ (hier kommt ebenfalls ein bekannter Auszug aus „High Fidelity“ zum Einsatz) macht mit seinen lautstark triumphierenden, druckvollen Rhythmen, weitläufigen Riffs und eingängigen Refrainzeilen wie „You’re like a wave / Wash over me“ mächtig Eindruck. Mit „Snails“ löst die Band eines ihrer Versprechen ein: eine vollmundige Up-Beat-Hymne mit gleitenden Melodien und dem über allem zu schweben scheinenden Gesang von Sänger und Gitarrist Paul Voge, dem nun – der musikalischen Neujustierung geschuldet fast zwangsläufig – eine zentralere (Gesangs)Rolle zuteil wird. Wenn sich We Set Sail auf „Feel Nothing“ heavieren Momenten hingeben (wie etwa beim sich episch-grungy aufbäumenden „This Machine Destroys Everything!“ oder beim emotionalen Outro des brillanten „Pet Cemetery„), tragen die Gitarristen Andrew Martin und James Jackson geschickt ihren Teil zum „Wall of Sound“-Ansatz bei, indem sie gemeinsam einen Kontrast zu den oftmals dichten Texturen und düster-lyrischen Ansatzpunkten bilden. Bassist Hayden Robins setzt mit seinem Tieftöner ein paar feine Fußnoten unter das wehmütige „Space Jam„, während Schlagzeuger Benjamin Britenstein „How Did It Go Last Night?“ oder das langsam verglühende „Understanding This Is Not A Car Crash“ mit dem ein oder anderen perkussiven Ausbruch veredelt (wer übrigens bei Letzterem eine unverhohlen offenkundige Thursday-Referenz vermutet, liegt nicht eben falsch). Und selbst an den obligatorischen Akustikgitarren-Rausschmeißer haben We Set Sail mit „P̶o̶l̶l̶y̶ Molly“ gedacht.

In der Roman-Version von „High Fidelity“ reflektiert Nick Hornbys Protagonist darüber, dass Musik durchaus eine Form widersprüchlicher Zeitreise sein kann: „Sentimentale Musik schafft es, dich gleichzeitig an einen Ort zurückzubringen und dich voranzubringen, sodass du dich zugleich nostalgisch und hoffnungsvoll fühlst.“ In vielerlei Hinsicht beschreibt dies perfekt ebenjene fürs Kopefhörervergnügen geeichte Mischung aus Sehnsucht und Optimismus, die We Set Sail in ihren Klangteppich einzubinden vermögen. Umso verwunderlicher erscheint es da, dass „Feel Nothing“, diese tolle Indierock-meets-Post-Rock-Melange aus ehrfürchtigen Knicksen vor Midwest-Emo-Größen wie Sunny Day Real Estate, Texas Is The Reason, Jawbreaker, Braid oder Taking Back Sunday und stolzen Fingerzeigen zu anderen ähnlich modernen, jedoch weitaus einflussreicheren Bands wie Brand New oder Balance & Composure, vor nunmehr drei Jahren keine größere Hörerschaft gefunden hat. Ja, „traurige Bastardmusik“ mag all das schon sein, aber ignorieren sollte man diese Songs keineswegs…

 

 

Hier gibt’s die Musikvideos zum Album-Opener „Animal, Mineral, Vegetable“…

 

…“Reminders Written On Maps“…

 

…und „Snails“:

 

Rock and Roll.

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Keine neue Musik, bitte – Ich bin Ü30!


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Eine aktuelle Umfrage im Auftrag eines Streaming-Dienstes bestätigt ein altes Klischee: Demnach hören Menschen statistisch um ihr 30. Lebensjahr herum langsam auf, neue Musik zu entdecken und sich dafür zu begeistern. Die Gründe für diese „musikalische Erstarrung“ sind vielfältig.

Die These ist keineswegs neu: Mit fortschreitendem Alter begeistern sich Menschen immer weniger für neue, aktuelle Musik und hören stattdessen mehr und mehr nur noch ihre „alten“ Lieblingskünstler, die sie seit Jahren begleiten – schon der Erfolg der jüngsten Touren von grau melierten Altherren-Bands wie AC/DC, Guns N‘ Roses oder den Rolling Stones könnte ein weiterer Indizienbaustein dafür sein, dass an diesem Klischee etwas dran ist.

Eine Umfrage im Auftrag des Streaming-Anbieters Deezer kam nun zu dem gleichen Ergebnis. Demnach tritt statistisch im Alter von 30 Jahren und sechs Monaten bei Musikfans eine „musikalische Erstarrung“ ein, sie entdecken also keine neue Musik mehr.

Als Gründe nannten die Befragten unter anderem zu wenig Zeit oder Lust wegen ihres Jobs oder ihrer Kinder, eine Überforderung durch die Masse an neuer Musik oder durch die Masse an Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen.

Stolze 60 Prozent der Befragten gaben an, sie würden sich in einem „musikalischen Trott“ gefangen fühlen, der sie immer wieder die gleichen Künstler hören ließe. Gleichzeitig sagten 47 Prozent der Befragten, sie würden gern mehr Zeit haben, um sich mit neuer Musik zu beschäftigen. Nur 25 Prozent äußerten „gar kein Interesse“, noch neue Musik zu finden.

Die meiste neue Musik wird laut der Studie im Alter von circa 24 Jahren entdeckt. In diesem Alter hätten 75 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben zehn oder mehr neue Songs pro Woche gehört, 64 Prozent entdeckten in diesem Alter fünf oder mehr neue Künstler im Monat.

Die Aussagekraft der Studie ist dabei schwer einschätzbar. Wichtige Daten wie die Zahl der Befragten, die Art der Fragestellung oder die Auswahl der befragten Personen wurden nämlich nicht veröffentlicht.

Die Studie deckt sich allerdings mit dem Ergebnis früherer Befragungen: 2015 kam eine – nicht wissenschaftliche – Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis, die anhand von Nutzerdaten von Spotify und anderen Plattformen das Hörverhalten untersuchte. Dort hieß es, mit rund 33 Jahren würden viele Menschen aufhören, neue Musik zu entdecken und stattdessen verstärkt zu Musik ihrer Jugend zurückkehren.

All das lässt „High Fidelity“ gleich in einem noch nerdigeren Licht dastehen…

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Rock and Roll.

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Zitat des Tages


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…und wenn es einer wissen muss, dann Nicholas Peter John „Nick“ Hornby, dieser lebenslange Nostalgiker (insbesondere, was Fussball und Musik betrifft) und Autor von „High Fidelity„. Krass übrigens, dass der olle Hornby im kommenden April auch schon die sechs Lebensdekaden voll machen wird.

Deshalb sollte sich jeder von euch einmal folgende Frage stellen: Wann wart ihr denn zuletzt in einem Plattenladen? Also: so richtig und physisch und zwischen all den mit verheißungsvoller Musik gefüllten Regalen? Die jüngeren Semester dürfen sich auch gern die Fragestellung gefallen lassen, ob sie überhaupt schon jemals in einer dieser ominösen Ladengeschäften waren, in denen man vor Spotify, iTunes und Co. sich Musik noch selbst – und meist nicht häppchenweise im Direkt-Stream, sondern in Albenform – besorgen musste…

 
Rock and Roll.

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Moment! Aufnahme.


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(gefunden auf Facebook)

 

Als „High Fidelity“ noch möglich war… – Mit einem Gruß an alle Zuspätgeborenen. Der Herr auf dem Bild hockt wohl mittlerweile verbittert unterm Ladentresen (oder eben mit seiner Klingeldose davor), während der Rest der technikaffinen Hipsterjugend fleißig Spotify-Playlisten hin und her whatsappt (oder so). Wer weiß das schon… Der Latte-Macchiatto-Laden ums Eck wurde ja schon vor der Trendwende als „nun aber sowas von glasklar unhip“ tituliert, vom verödeten Bubble-Tea-Store mal ganz zu schweigen. Seitdem wurde die bleiche Bagage in Röhrenjeans nicht mehr gesehen…

(Sie lesen sicher aus den Zeilen heraus: Selbst ich, der ich wohl definitiv jünger als diese Zeitungsannonce bin, fühle mich ob der durchs satte Schwarz-weiß ausgestrahlten Patina dieses Inserats ein klein wenig alt und nostalgisch. Ein klein wenig? Ja, irgendwie…)

 

Rock and Roll.

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Ordnen nach Farben – Predominantly sortiert die Plattensammlung nach „High Fidelity“-Manier


Szene aus "High Fidelity"

Szene aus „High Fidelity“

Dick: It guess it looks as if you’re reorganizing your records. What is this though? Chronological?
Rob: No…
Dick: Not alphabetical…
Rob: Nope.
Dick: What?
Rob: Autobiographical.
Dick: No fuckin‘ way!

Jedem selbstberufenen Musiknerd dürfte die Szene aus „High Fidelity„, der Filmkomödie nach dem gleichnamigen, 1995 erschienenen Roman von Nick Hornby, in welcher der frisch verlassene Plattenladenbesitzer Rob (gespielt von John Cusack) freilich nichts besseres zu tun hat, als seine LP-Sammlung einer Neuordnung zu unterziehen, ein Begriff sein, und in nicht wenigen musikverliebten „Fachzirkeln“ dürfte es wohl bereits die ein oder andere hitzige Debatte gegeben haben, was denn nun bitteschön die ultimative Art und Weise sei, die eigene Musiksammlung passabel für die Nachwelt zu sortieren. Alphabetisch? So halt ich’s zumindest, trotz aller Nerd-Verwerflichkeit, man(n) findet ja sonst kaum was wieder. Obwohl jene „autobiografische“ Sortierweise durchaus interessant wäre…

Die Website Predominantly bietet jetzt eine ganz und gar andere – und doch irgendwie umso logischere – Sortierweise an: die nach der Farbe des Albumcovers. Besser noch: die Seite hält bereits eine ordentlich große, genreübergreifende Datenbank bereit. Je nachdem, welchen Farbton man auswählt, liefert Predominantly Ergebnisse von Schwarz bis Weiß (und allem auf der Farbskala dazwischen). Und nun versucht doch bitte einmal, etwa den richtigen Farbton für das „Green Album“ von Weezer zu treffen… gar nicht so einfach. Fröhliches Farbenschießen und Entdecken, alle zusammen!

 

Rock and Roll.

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Der Musiknerd, vom Aussterben bedroht? – „35 Music Experiences You’ll Never Have Again“


High Fidelity

Kids these days…

Mal ehrlich: Wer von euch Anfangszwanzigern hat je ein Mixtape – also auf eine Musikkassette, diesem eigenartigen Ding mit Magnetbändern und den zwei Löchern drin – aufgenommen und kennt die Schwierigkeit, die Zeit bis zum endgültigen Klicken einer Seite genau abzupassen? Das Gefühl, dem Empfänger mithilfe von Musik etwas sagen zu wollen und im Vorfeld endlose Stunden über der nahezu perfekten Songauswahl und -reihenfolge zu grübeln? Darüber wurden noch vor ein paar Jahren Bücher, Referate und Aufsätze verfasst…

Kennt ihr noch das Erlebnis, einen Plattenladen zu betreten und ein Album, auf welches man sich Monate lang gefreut hat, am Veröffentlichungstag in den Händen zu halten? Folie entfernen, Album in den Player, die ersten Töne, dazu im Booklet stöbern… – Das alles werden wohl Generationen über Generationen kaum noch kennen lernen, in einer Zeit, in der alles digital und komplett und überall und sofort verfügbar ist. Die iTunes Playlist hat längst die Ordnung der eigenen Musiksammlung übernommen, die Frage nach alphabetischer oder biografischer Ordnung stellt sich da gar nicht mehr. The times they are a-changin’…

Für alle Traditionalisten, alten Säcke, Musiknerds und Nostalgiker hat Buzzfeed.com nun eine Liste von „35 Music Experiences You’ll Never Have Again“ zusammengestellt – immer mit einem kleinen Augenzwinkern, immer mit ein wenig Charme á la „High Fidelity“ und einer kleinen Puristenträne im Knopfloch. Rob, Dick und Barry wären begeistert…

 

Und all jenen, den diese Namen gerade gar nichts sagen, sei wärmstens empfohlen, sich diesen herzzerreißend nostalgischen Musiknerd-Film, nebst der Romanvorlage von Nick Hornby, zu Gemüte zu führen…

 

Warum? Eben wegen Szenen wie dieser:

 

Rock and Roll.

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