
There’s no business like show business… Nun also auch Whitney Houston. 48 Jahre ist für jede(n) „Normalsterbliche(n)“ kein biblisches Alter – für eine Frau, die, ausgestattet mit prominenter Verwandtschaft (Dionne Warwick war ihre Cousine, Aretha Franklin die Patentante), den Großteil ihres Lebens mehr oder minder im Flutlicht des Showbusiness verbracht hat, mögen sich diese 48 Jahre gut und gern wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Jedem Erfolg – und davon hatte Whitney Elizabeth Houston in den Achtzigern und frühen Neunzigern so einige vorzuweisen, man erinnere sich nur an „I Will Always Love You“ oder „I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)“ – musste ein noch größerer folgen. Jeder Hit musste mit einer noch mitreißenderen Melodie überboten werden. Das Radio ist eine gefräßige Bestie, das Publikum giert immerzu nach mehr, mehr, mehr. Folgt man diesen Regeln nicht, so zeigt einem die Zielgruppe Rücken und kalte Schulter, dreht den Daumen nach unten und wendet sich der nächsten „armen Hit-Sau“ zu. Dass Whitney Houston diesem Druck nicht durchgängig stand hielt und auch einige mehr als unglückliche Lebensentscheidungen traf (man erinnere sich nur an ihre On/Off-Ehe mit dem Taugenichts-Schläger Bobby Brown), ist Pop-Geschichte. Doch wer könnte ihr die Flucht vor dem Paparazzi-Blitzlichtgewitter und in kurze Rauschzustände, ob nun durch Alkohol, Kokain oder Crack, verdenken? Befindet sie sich doch damit in der namenhaften Gesellschaft solcher Größen wie Michael Jackson, Kurt Cobain, Amy Winehouse, Jim Morrison…
Und mag Houston zeitlebens eine – zumindest phasenweise – einzigartige Künstlerin gewesen sein, so ist die nun stattfindende Prozedur doch vor allem eins: immer wieder die gleiche. Kaum ist die Meldung über den Tod einer prominenten Persönlichkeit durchgesickert, werden die Samthandschuhe aus der medialen Schublade geholt und die letzte „Greatest Hits“-Compilation bei iTunes geladen (dort befindet sich „The Ultimate Collection“ zu diesem Zeitpunkt auf Platz 1) oder bei Amazon
bestellt (Platz 6 momentan, Tendenz steigend). Der Leichnam ist zwar kaum erkaltetet und noch längst nicht ins Leichenschauhaus gebracht, aber man will ja der Dame auch selbst anständig Tribut zollen oder am Montag im Kollegenkreis nicht außen vor sein… Die Medien, welche sich bisher vor allem auf Houstons peinliche letzte Auftritte (siehe auch: Amy Winehouse) oder ihre hilflosen Bemühungen, wieder an längst vergangene Glanzzeiten anzuknüpfen (siehe auch: Michael Jackson), konzentriert hatten, würdigen nun die kürzlich arg Geschundene als „eine der größten Sängerinnen und Divas aller Zeiten“, zeigen Erfolge in Endlosschleife und sich selbst schockiert und mit seltsam versteinerter Miene. Der Marktwert des/der Musikers/in ist im Tod ungleich größer als im Leben. Das ist ein nicht wegzudiskutierender Fakt, ebenso wie die Tatsache, dass die mediale Berichterstattung dem Massendiktat unterliegt. Wo der Respekt vor der künstlerischen Leistung aufhört und die Pietätlosigkeit anfängt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ein Lied kann durch das jeweilige Hintergrundwissen um das tragische Leben(sende) des Künstlers zwar bewegender werden, aber nie besser. Jetzt plötzlich den Soundtrack
oder die DVD
zu „Bodyguard“ wieder hervorzukramen finde ich vor allem eins: affig und aufgesetzt. Ehre, wem Ehre gebührt, ob nun tot oder lebendig. Und nicht, weil’s „alle tun“.
Heute werden im Staples Center in Los Angeles die Grammy Awards verliehen, von denen Whitney Houston seit 1986 sechs Stück entgegennehmen konnte. Man weiß bereits im Voraus, dass der Abend unter einem seltsam traurigen Stern stehen und mit einhelligen Lobeshymnen enden wird. Die Musikindustrie wird wieder einmal den Nachlass eines ehemals großen Stallpferdes gewinnbringend zu verklären wissen. Ein Leben zwischen Blüte, reifer Frucht, Fallobst und Zitrone. The show must go on.
Rock and Roll.
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