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Song des Tages: Jenobi – „Hundred Times“


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Die Songs der aus Göteborg stammenden Songwriterin Jenny Apelmo Mattsson mögen mitunter Düsternis und Wut ausstrahlen, und doch ist ihr Indie-Folkrock an den richtigen Stellen eingängig und scheut auch nicht vor kleinen Pop-Momenten zurück. Mitte September erscheint das Debütalbum „Patterns“ über das ohnehin über jeden geschmacklichen Zweifel erhabene Grand Hotel Van Cleef, anhand der ersten Single „Hundred Times“ darf man sich bereits jetzt einen ersten Eindruck machen.

art-13116_jenobi-patternsApelmo, die vor zehn Jahren – im zarten Alter von 19 Lenzen – mit dem Nachtzug von Göteborg nach Berlin kam, um sich dort auf ihre Musikkarriere zu konzentrieren, als Bassistin der Hamburger Indiefolkrockkombo Torpus & The Art Directors schon auf etliche Band-Alben und Liveshows zurückblicken kann und 2016 unter dem Namen Felicia Försvann die EP „Pretty confused, walking home with no shoes“ veröffentlichte, entdeckte über die Jahre immer mehr, dass es die weiblichen Songwriter waren, die den von ihr favorisierten Genres die wirklich interessanten Nuancen hinzufügten. Inspiriert von Künstlerinnen wie Lykke Li, Anna Calvi oder Feist griff sie immer häufiger zur E-Gitarre als zur Akustischen, fand immer mehr den Mut, Songs zu formulieren, die tief aus ihrer Wut über das Unverstandene sprechen. So entstand „Patterns“, das Debüt ihres aktuellen Projekts Jenobi.

Dennoch ist Jenobi kein reines Soloprojekt: Gitarristin Dorothee Möller (u.a. The Girl & The Ghost), Keyboarderin Lorena Clasen sowie Drummer Felix Roll komplettieren die Band und fügen dem Sound von „Patterns“ lebendige Nuancen zu. Und auch letzterer ist kein gänzlich unbeschriebenes Blatt, denn mit Felix Roll spielte die schwedische Wahl-Berlinerin viele Jahre bei der Hamburger Folkpop-Institution Torpus & The Art Directors (um die es in den letzten Jahren leider recht still wurde).

Freunde von Lykke Li, Feist oder The xx sollten Jenobi definitiv auf dem Zettel haben…

 

 

Rock and Roll.

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Moment! Aufnahme.


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(gefunden bei Facebook)

 

Auf einem Plakat im schwedischen Göteborg helfen John, Paul, George und Ringo – etwas weiter entfernt von der bekannten „Abbey Road“ – beim Verkehrsunterricht: „Alle müssen der Straßenbahn ausweichen, auch auf dem Fußgängerüberweg.“

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: José González – „Smalltown Boy“


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Foto: Promo / Malin Johansson

Wenn man so will, ist José González der potentiell argentinischste Schwede kreuz und quer im Drei-Kronen-Staat. Zumindest, was die reine Optik betrifft. Denn musikalisch bedient der Sohn argentinischer Einwanderer, Baujahr 1978 und aufgewachsen in Göteborg, zwar teilweise fulminant und wie genetisch selbstverständlich die Akustikgitarre, doch von rassigem, vor Temperament nur so strotzendem „Vamos!“-Flamenco und Co. könnten die Folk-Songs des 40-jährigen Musikers kaum weiter entfernt sein. Vielmehr hat sich massig skandinavische Melancholie ins südländische Blut gemischt. Und gerade das macht González‘ Stücke, die seit 2003 auf drei Solo-Alben (zuletzt 2015 „Vestiges & Claws“ sowie im Februar via PledgeMusic das feine Live-Album „Live in Europe“ mit The String Theory) und zwei Werken mit seiner Band Junip gebündelt wurden, so besonders. Eine heiße Seele, kühle Gedanken – tolles Gitarrenspiel, grandiose, unverkennbare Stimmfarbe. Ist seit dem ersten Mini-Hit „Crosses“ bewährt großartig, wird es auch bleiben.

61IuRB4JsBL._SS500_Was José González noch ein stückweit einzigartiger macht, ist sein Gespür, Kompositionen fremder Künstler zu seinen eigenen zu machen. Man höre nur seine Interpretationen von Massive Attacks gefühligem Ewigkeits-TripHop-Gassenhauer „Teardrop„, The Knifes „Heartbeats„, Joy Divisions überlebensgroß-abgründige Abschwur an die Liebe „Love Will Tear Us Apart“ – oder „Smalltown Boy“, im Original 1984 von Bronski Beat in die Plattenläden gestellt und – gerade zu dieser Zeit – eine durchaus mutige Homosexualitätsoffenbarungshymne, verpackt in discolastigen Synthie-Pop (da hatte Jimmy Somerville anderen heutigen Schwulen-Ikonen wie Freddie Mercury, George Michael oder Boy George einiges voraus). Nach González‘ Neofolk-Vereinnahmung (erschienen 2007 als B-Seite der Single „Down The Line„) wird daraus das Abschiedsstück eines jungen Suchenden, der zwar (noch) keine Heimat hat, jedoch – nebst Wehmut und Schmerz – auch massig Hoffnung im Herzen trägt… *hach*

 

 

„You leave in the morning
With everything you own
In a little black case
Alone on a platform
The wind and the rain
On a sad and lonely face

Mother will never understand
Why you had to leave
But the answers you seek
Will never be found at home
The love that you need
Will never be found at home

Run away, turn away, run away, turn away, run away
Run away, turn away, run away, turn away, run away

Pushed around and kicked around
Always a lonely boy
You were the one
That theyd talk about around town
As they put you down

And as hard as they would try
Theyd hurt to make you cry
But you never cried to them
Just to your soul
No you never cried to them
Just to your soul

Run away, turn away, run away, turn away, run away
Run away, turn away, run away, turn away, run away

Cry, boy, cry…

You leave in the morning
With everything you own
In a little black case
Alone on a platform
The wind and the rain
On a sad and lonely face

Run away, turn away, run away, turn away, run away
Run away, turn away, run away, turn away, run away“

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Pale Honey – „Youth“


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„Jungs hätten das garantiert anders gemacht und – das sollte man ergänzen – nicht unbedingt besser.“ (MPMBL.)

Überhaupt – dieses Denken in Geschlechterrollen: Jungs müssen möglichst tough sein und dumb-derb rocken á la Strokes und Metallica, Mädels sinnfrei-aufreizend die Hüften schwingen und die Möpse spazieren tragen wie Katy Perry oder Ariana Grande (danke übrigens an Facebook, daher kenne auch ich solche Namen). Ist doch (h)ausgemachter Bockmist, oder? Dass das weibliche, gar nicht mal immer so zarte Geschlecht die Saiten durchaus ebenso ungestüm zu malträtieren weiß, wissen wir nicht erst seit Polly Jean Harvey und Konsorten. Und wer mal eben bewiesen haben möchte, dass Slash auch einen ebenbürtigen femininen Widerpart besitzt, der sollte sich mal die ehemalige Prince-Protegistin Donna Grantis zu Gemüte führen… Kurzum: wer rocken will, soll einfach rocken. Ganz egal, ob nun mit den sprichwörtlichen „Balls“ oder ohne.

51ma-fmp0ql-_ss500Das dürften wohl auch Tuva Lodmark und Nelly Daltrey so sehen. Das junge Duo aus dem schwedischen Gøteborg, einer Stadt, welche mit Namen wie José Gonzáles, Jens Lekman, Ace Of Base, Little Dragon, The Knife oder The Soundtrack Of Our Lives seit den Neunzigern schon Vielfältiges ins Musikgeschäft gespült hat, hat sich als Pale Honey dem versierten Spiel mit Gesang-Schlagzeug-Gitarre und der Dynamik aus Leise und Laut verschrieben und beschreibt sich via Facebook mal eben so: „We can headbang at 2040 bpm (bangs per minute) but you will never see it.“ Take that, guys! Dass es den beiden Damen nicht durchgängig gelingt, auf allen der zehn Stücke des bereits 2015 erschienenen, selbstbetitelten Debüts den Spannungsbogen zu halten – geschenkt. Dass ein Großteil der Songs dem Dreampop (zwar zerschossen, aber noch immer verträumt) dabei näher steht als dem Punkrock (und das Album gar mit der psychedelischen Synthie-Ballade „Sleep“ beendet) – ist okay. Solange dabei so großartige Stücke wie „Youth“ rausspringen, welches sich allen Ernstes anhört wie die weibliche Variante eines recht frühen Nine-Inch-Nails-Songs (zu Zeiten von „Pretty Hate Machine“, „The Downward Spiral“ oder „The Fragile“). The girls are alright.

 
 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Junip – Junip (2013)

Junip - Junip (Cover)-erschienen bei City Slang/Universal-

Was war das für eine wohlige Überraschung, als im Jahr 2003 ein damals 25-jähriger junger Mann mit einer dermaßen tief in sich ruhenden, lediglich auf einer einsamen Akustikgitarre und eben dieser Stimme gebauten Adaption von The Knifes Tanzflächenfüller „Heartbeats“ auf sich aufmerksam machte! Hörte man dann noch seinen Namen, so schien – ja: scheinbar! – bereits alles klar: José González – klar, der Typ ist Spanier und offenkundig Besitzer einer Tapas-Bar mit angrenzender Flamenco-Schule, oder? Weit gefehlt: González ist Schwede! Seine Eltern – beides Akademiker – flohen 1976 (und damit zwei Jahre vor der Geburt des jüngsten Sprösslings) vor der in ihrer argentinischen Heimat herrschenden Militärjunta, emigrierten nach Schweden und ließen sich in in einem Vorort der regnerischen Küstenstadt Göteborg nieder. Dort wuchs González schließlich auf, und hätte es – vor allem aus musikalischer Sicht – auch kaum besser treffen können: von seiner Familie bekam er so ziemlich alle Spielarten temperamentvoller Musik – von Latino Folk und Popmusik bis hin zu Bob Marley & The Wailers oder Michael Jackson – mit in die Wiege gelegt, während er in Jugendtagen in die nicht eben schlechte Hardcore- und Punkszene Schwedens eintauchte (er spielte gar in einigen Bands dieser Genres) und sein Ohr Bands wie Black Flag, The Misfits oder den Dead Kennedys lieh.

José González

Und wie er der Zufall wollte, wurde Joakim Gävert, selbst ein aufstrebender Labelgründer, im Juni 2003 durch José González‘ erste dokumentierte Solo-Gehversuche (in Form der „Crosses“ Vinyl Single) auf den Musiker aufmerksam – während sich dieser an der Universität von Göteborg mitten im Biochemie-Studium befand. Mag es sich im ersten Moment auch eigenartig lesen, so geriet der weitere Weg von González‘ (bisheriger) Karriere darauf zum Selbstläufer: im Oktober 2003 erschien das von Presse wie Hörern so staunend wie wohlwollend aufgenommene Debütalbum „Veneer„, welches, mag man es kurz zusammenfassen, einfach noch mehr dieser besonderen Momente bot: dieses Gitarrenspiel, diese Stimme, diese Stimmung – man mochte die Augen schließen, stundenlang zuhören, wie sich hier stimm- und stimmungsgewaltig kleine Folk-Klangkathedralen aufbauten, diese betreten, und am besten nie, nie wieder verlassen! Ebenfalls erstaunlich schien auch, dass González glückte, wovon geschätzte 80 Prozent seiner Berufskollegen in Ehrfurcht die Finger ließen: er coverte Klassiker wie Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“, Massive Attacks „Teardrop“, Bronski Beats „Smalltown Boy“ oder das eingangs erwähnte The Knife-Stück „Heartbeats“ – und vereinnahmte diese innerhalb von Sekunden dermaßen, dass man nicht selten glauben mochte, dass nur er selbst sie geschrieben haben konnte. Natürlich blieb die Wirkung der Songs des Schweden auch den Machern von Reklamefilmchen (Sony benutzte „Heartbeats“ für einen Werbespot) oder US-Fernsehserien (Songs waren etwa bei „House“, „Scrubs“ oder „One Tree Hill“ zu hören) nicht verborgen, was González‘ Popularität nur einen weiteren Schub gab und ihn – vor allem im Zuge der Veröffentlichung des Zweitwerks „In Our Nature“ im Jahr 2007 – auf Touren kreuz und quer über den Globus spülte. Da jedoch selbst er auf Dauer kaum Abend für Abend allein mit seiner Akustikgitarre vor Publikum musizieren wollte (und der Rahmen der Variationsmöglichkeiten ist da ja auch denkbar überschaubar!), suchte sich der Schwede bereits 2005 zwei Landsmänner und gründete die Band Junip. Gemeinsam mit Elias Araya (Schlagzeug) und Tobias Winterkorn (Tasteninstrumente) veröffentlichte er noch im selben Jahr den Minialbumeinstand in Form der „Black Refuge EP“ (erneut machte er sich eine Fremdkomposition erfolgreich zu eigen: Bruce Springsteens Dunkelballade „The Ghost Of Tom Joad“), während sich das Trio fürs vollwertige Debüt um einiges mehr Zeit ließ, und das Album „Fields“ erst 2010 in die Plattenregale stellte. Und siehe da: auch in der Bandformation gelang es González, den Hörer mit dieser ganz eigenen Stimme und Stimmung für sich zu vereinnahmen – nur bauten Junip um die sanfte Stimme und den Akustikgitarrengrund noch einige perkussive Experimente, die auch gern mal in Bereiche wie Jazz, Blues, Prog oder Krautrock hineinreichen durften…

Junip #1

Und hört man nun Junips zweites, selbstbetiteltes Album, so könnte man denken, dass sich in den drei Jahren seit „Fields“ nicht all zu viel getan (respektive: verändert) haben mag beim schwedischen Trio, denn erneut sind es González‘ beruhigende Stimme und dessen klassisches Gitarrenspiel, die den Hörer für sich einnehmen und scheinbar über allem thronen – und doch ist da noch so viel mehr! Man nehme nur die zweite Vorab-Single „Your Life Your Call“, die mit unterschwelligem Discobeat und synthetischen Handclaps beinahe tanzbar gerät, das hippie’eske Mantra „Walking Lightly“, oder das von westafrikanischem Gitarrenspiel inspirierte „Suddenly“. Im lediglich zwei Minuten kurzen Fuzz-Blueser „Villain“ glaubt man kurz, dass die Black Keys um die Ecke lugen, „Baton“ versprüht eine Menge Free Jazz-Leichtigkeit, der Opener „Line Of Fire“, welcher wie „Your Life Your Call“ seit Längerem bekannt sein dürfte, ist die Art von Instant-Ohrwurm, den man gern im Gehörgang dulden mag, das mit Moog-Synthesizern vollgestellte „So Clear“ prescht – zumindest für Junip’sche Verhältnisse – forsch voran, und nach dem sanften Abschluss „All Is Said And Done“ merkt man, wie die Hand nach 43 Minuten instinktiv Richtung Repeat-Taste wandert.

Mit ihrem zweiten Album ist Junip erneut ein Werk gelungen, das scheinbar tief in sich ruht, den Hörer in seiner Atmosphäre einfängt und am besten als großes Ganzes funktioniert. Natürlich mag manch einer monieren, dass an der Oberfläche nicht all zu viel Abwechslung herrschen mag, doch, wie González selbst sagt, „geht [es] wohl eher um subtile Wechsel, die dich packen, ohne dass du es merkst“. Denn zwischen den erneut melancholischen, jedoch absolut lebensbejahenden Texten des Frontmanns zwischen Sinnsuche und Erlösung, zwischen Akustikgitarren, perkussiven Elementen, Moog-Synthesizern und anderen Tasteninstrumenten toben sich Araya, Winterkorn und González vergnügt aus. „Junip“ ist ein ergreifendes Werk wie aus einem Guss, das die Mitternachtssonne im Herzen trägt. Und den Hörer, der sich in diesen sanften, hynpontischen Indiefolk-Malstrom wagt, lässt es so schnell nicht los. A gentle takeover, a subtle giant.

Junip #2

 

Auf der Soundcloud-Seite der Band kann man sich die beiden formidablen Vorab-Singles „Line Of Fire“ und „Your Life Your Call“ als Appetithappen noch immer kostenlos aufs heimische Abspielgerät laden…

…und hier die dezent verstörende, reppetitiv-dunkle Video-Familiensaga von Regisseur Mikel Ces Karlsson (ANEWFRIEND berichtete bereits) bewundern:

 

Rock and Roll.

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