Das Spiel der Major League Soccer (MLS) zwischen Montreal Impact und New England Revolution (0:1) hatte bereits begonnen, da knieteThierry Henry immer noch. Erst als die Matchuhr 8 Minuten und 46 Sekunden anzeigte, erhob sich der Coach von Montreal aus der durch den US-Football-Quaterback Colin Kaepernick populär gemachten Protest-Pose.
Was dahinter steckt, sollte mittlerweile jedem klar sein, denn exakt so lange hatte am 25. Mai in den US of A ein weißer Polizist auf den Hals des Schwarzen George Floyd gekniet, ehe dieser keine Luft mehr bekam und verstarb. Der gewaltsame Tod hatte bekanntlich weltweit breite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst.
Während des gesamten Spiels trug Henry außerdem ein schwarzes Shirt mit dem mittlerweile weltweit bekannten Protest-Slogan „Black Lives Matter„. Es ist keineswegs das erste Mal, dass der ehemalige französische Nationalspieler und Weltklasse-Stürmer von Arsenal und Barcelona ein Zeichen gegen Rassismus setzt. Erst vor einigen Wochen rief er in einem via Twitter veröffentlichten offenen Brief zur Verbesserung der Situation auf: „Wieso klatschen die gleichen Rassisten für jemanden einer ethnischen Minderheit, solange er für ihr Team spielt und misshandeln ihn, wenn er einfach jemand von der Straße ist?“, fragte Henry darin unter anderem.
Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd durch weiße Polizisten gehen die Proteste gegen Rassismus – mal mehr, mal weniger öffentlichkeitswirksam – weltweit weiter. Auch am 19.06., am sogenannten „Juneteenth„, dem Tag, an dem an das Ende der Sklaverei der afroamerikanischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten erinnert wird, zog es in den US of A landesweit Menschen auf die Straßen. Und: Genau an diesem Tag veröffentlichte die britische Band SAULT völlig überraschend ihr nächstes Album mit dem Titel „UNTITLED (Black Is)“. Zeitlos und doch so verdammt relevant. Ein Protestalbum, welches leider perfekt in diese Zeit passt…
We present our first ‘UNTITLED’ album to mark a moment in time where we as Black People, and of Black Origin are fighting for our lives. RIP George Floyd and all those who have suffered from police brutality and systemic racism. Change is happening… We are focused. SAULT x
Um die noch recht frische Band aus London ranken sich seit jeher ein paar Banksy-würdige Mysterien. Ihre Veröffentlichungen erscheinen aus dem Nichts (wie etwa im vergangenen Jahr gleich zwei Werke titels „5“ und „7„), Hintergrundinformationen existieren kaum und öffentliche Auftritte gibt es – zumindest bisher – nicht. Aus den Credits der Songs ist jedoch zu erfahren, dass sowohl Dean „Inflo“ Josiah (unter anderem Produzent für Little Simz, Jungle oder The Kooks) als auch Sängerin Cleopatra „Cleo Sol“ Nikolic ihre Finger im Spiel haben. So veröffentlichten SAULT ihr neuestes Werk einmal mehr ohne Vorankündigung als Free Download auf ihrer Website sowie via Bandcamp. Auf dem Album sind auch die aus Chicago stammende Rapperin Melisa „Kid Sister“ Young, Soul-Musiker Michael Kiwanuka oder die Poetry-Künstlerin Laurette Josiah vertreten.
Das Cover der Platte ziert eine schwarze, in die Luft gereckte Faust auf pechschwarzem Grund – das Artwork ist bewusst minimalistisch gehalten und sagt doch eigentlich alles. Musikalisch bekommt man eine gleichsam vielfältige wie reduzierte Mischung afroamerikanischer Musikstile zu hören: Soul, Afrofunk, Motown, Gospel, R&B, DooWop, Hip Hop und Spoken Word-Interludes, an mancher Stelle klingen gar New Wave, Post Punk, Dub oder Trip Hop an. Außerdem ungewöhnlich: Mitte Juni spielte DJ Gilles Peterson „UNTITLED (Black Is)“ in seiner BBC-Radiosendung, noch bevor es irgendwo sonst zu hören war. Und zwar – allein das spricht bereits Bände und geschah vorher nur ein einziges Mal – komplett. Als den „ersten Klassiker der Ära der ,Neuen Realität“ bezeichnete die DJ-Koryphäe für schwarze Musik das Album vorab auf seinem Twitter-Account.
Noch viel spannender sind jedoch die Themen, mit denen sich SAULT auf dem Album beschäftigen. Sie bieten dem Hörer einen Einblick in ein Leben voll von systematischem Rassismus und Polizeigewalt. Schließlich dürften beide Band-Köpfe wissen, wovon sie reden: Sängerin Cleo Sol hat jamaikanische, serbische und spanische Wurzeln, Produzent Inflo ist schwarz. In den Songs thematisieren sie die permanente Angst, den immanenten Stress, unter denen Farbige (also nur nicht Schwarze, sondern etwa auch Hispanics) in den US of A – und freilich nicht nur da – stehen. Weil sie bei jeder Polizeikontrolle immer mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Weil zunächst einmal ihre Hautfarbe gesehen wird, selten der Mensch dahinter. Man spürt die Wut, die Angst, Trauer, all diese Ungerechtigkeit – und doch bleibt am Ende die Hoffnung auf eine bessere, eine friedvollere Welt bestehen.
„Wildfires“ positioniert sich dabei als das Herzstück des Albums und dürfte mit Zeilen wie „We all know it was murder“ schon jetzt einer der eindringlichsten Songs des Jahres sein. Ein berührendes, beat-getriebenes Soul-Statement, dem jede(r) sein (oder ihr) Gehör schenken sollte. Anderswo, in „Hard Life„, einem schwermütigem Track mit schleppenden TripHop-Beats und wummerndem Bass, heißt es „Everyday feels like a battle“. In „Bow“ gibt Michael Kiwanuka mal nicht den zugänglichen Soul-Folkie, sondern chantet über einen Afro-Beat. Er, dessen Eltern einst aus Uganda nach London flohen, zählt so einige afrikanische Länder und Städte auf und fordert am Ende: „We got rights!“ – „Wir haben Rechte!“. „Don’t Shoot Guns Down“, ein Aufschrei im gleichnamigen Song, ist unterlegt von Polizeisirenen sowie Sprechchören bei einer Demonstration. Und dazwischen immer wieder poetische Momente wie in „Black Is„: Spoken Word meets Gospel, und in den Lyrics heißt es „Black is beautiful / Black is excellent, too / In me, in you“. Der Band gelingt dabei das Kunststück, niemals bitter zu klingen, sondern ein stolzes Statement schwarzer Selbstbestimmung zu formulieren. This generation cares.
All diesen formidabel-löblichen Aktionismus mal außen vor, bleibt natürlich zu hoffen, dass das Thema nicht wieder in den Hintergrund tritt, bis der nächste sinnlose, rassistisch motivierte Todesfall die Medien erreicht, da die öffentliche Aufmerksamkeitsspanne bei so vielen wichtigen Themen leider immer recht kurz ist (und Dank unserer digitalen Reizüberflutung immer kürzer gerät). Jeder Mensch sollte versuchen sich daran zu beteiligen, die Missstände weiter auszuräumen und Rassismus weiter zu bekämpfen. Sich selbst hinterfragen, weiterbilden, andere sensibilisieren. Change is happening? Let’s hope so.
SAULT haben dazu mit „UNTITLED (Black Is)“, das in digitaler Form gratis angeboten wird und auch als Vinyl vorbestellt werden kann (die Einnahmen sollen an Charity-Organisationen gehen), auf jeden Fall einen bedeutsamen Teil beigetragen – weniger als Musik schaffende Band, sondern vielmehr als Dokumentaristen und Chronisten. Ein wichtiges Album für diese wegweisende Zeit…
Seit dem Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ist die Debatte um strukturellen Rassismus (vor allem, aber bei weitem nicht nur) in den gar nicht mal so Vereinigten Staaten von Amerika stärker entflammt denn je. Im Zuge dessen rückt auch der Gebrauch von sprachlichen Ausdrücken, die lange Zeit viel zu wenig, viel zu selten, viel zu oberflächlich hinterfragt wurden, wieder stärker in den Vordergrund. In den USA ist ein wichtiger Teil der Diskussion der immer noch verbreitete Gebrauch von Symbolen, die die Konföderierten Staaten von Amerika repräsentieren und die damit immer noch verbundene Romantisierung dieser Zeit.
Und so wurde, ebenso wie die Country-Pop-Gruppe Lady A, die sich daraufhin entschloss, das „Antebellum“ wegzulassen, auch das US-amerikanische Country-Trio Dixie Chicks Teil der Debatte. Der Begriff „Dixie“ steht für den alten verredneckten Süden der US of A, weshalb in den letzten Wochen vermehrt der Ruf laut wurde, dass es für die Dixie Chicks an der Zeit wäre, ebenjenes „Dixie“ aus ihrem Namen zu streichen. Und siehe da: Natalie Maines, Emily Strayer und Martie Maguire entschieden sich tatsächlich, dem Ruf zu folgen und änderten ihren Namen – nach immerhin mehr als dreißig Jahren – kurzerhand in The Chicks. Ein Marketinggag oder schafsfrommer Zeitgeistrieb? Wohl kaum, schließlich ist die texanische Band schon seit einiger Zeit bekannt für ihren unermüdlichen Mut, sich in politisch relevanten Dingen zu äußern und entsprechend zu engagieren. Für die US-amerikanische Country-Szene mag dies eher ungewöhnlich sein, schließlich ist das Credo, sich hauptsächlich auf Heile-Welt-Unterhaltung zu konzentrieren und die eigene politische und soziale Meinung außen vor zu lassen, dort (leider) immer noch weit verbreitet. 2003 bekamen Dixie Chicks dies erstmals zu spüren, als Natalie Maines sich bei einem Konzert in London gegen den damaligen Präsidenten George W. Bush aussprach. Ihre Äußerung, „beschämt“ darüber zu sein, „dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stamme“, führten zu landesweiten Protesten und Boykottaufrufen gegen die Band (wie man etwa auch in der drei Jahre später erschienenen sehenswerten Dokumentation „Shut Up & Sing“ sehen kann).
Dass Dinge sich mit der Zeit doch ändern können, beweist, dass Dixie Chicks, nun The Chicks, immer noch da sind und Natalie Maines auch mit ihrer Meinung über den heutigen Präsidenten Donald Trump alles andere als hinterm Berg hält. Die Entscheidung für die Umbenennung begründeten The Chicks auf ihren Social Media Accounts kurz und knapp mit: „We want to meet this moment in history.“ Gleichzeitig veröffentlichten die drei das Musikvideo zu ihrer neuen, recht untypisch tönenden Single „March March“ (aus dem in diesem Monat erscheinenden neuen Album „Gaslighter„), das wohl nicht den geringsten Funken an Zweifel lässt, wo The Chicks mit ihrer Meinung stehen.
Übrigens mögen bestens informierte Musik-Geeks nun anmerken, dass der Bandname „The Chicks“ durchaus bereits besetzt sein mag – das verschweigen auch Natalie Maines, Emily Strayer und Martie Maguire nicht. Und fügen in einer Presserklärung selbst hinzu: „Unseren aufrichtigen und herzlichen Dank schicken wir ‚The Chicks‘ aus Neuseeland, für ihre freundliche Erlaubnis, dass wir ihren Namen teilen dürfen. Wir fühlen uns geehrt, dass wir in dieser Welt mit diesen so talentierten Schwestern co-existieren“, und sie schließen mit „Chicks rock!“. They do, indeed.
„March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one
Brenda’s packin‘ heat ‚cause she don’t like Mondays Underpaid teacher policin‘ the hallways Print yourself a weapon and take it to the gun range
(Ah, cut the shit, you ain’t goin‘ to the gun range) Standin‘ with Emma and our sons and daughters
Watchin‘ our youth have to solve our problems
I’ll follow them, so who’s comin‘ with me? (Half of you love me, half already hate me)March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one
Tell the ol‘ boys in the white bread lobby
What they can and can’t do with their bodies Temperatures are risin‘, cities are sinkin‘
(Ah, cut the shit, you know your city is sinkin‘) Lies are truth and truth is fiction Everybody’s talkin‘, who’s gonna listen? What the hell happened in Helsinki?
March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one March, march to my own drum March, march to my own drum Hey, hey, I’m an army of one Oh, I’m an army of one“
Nachdem sich Brandon Flowers und Gitarrist Dave Keuning vor fast zwanzig Jahren über eine Zeitungsannonce kennen lernten, gründeten sie die Band The Killers und casteten mit Mark Stoermer (Bass) sowie Ronnie Vannucci Jr. (Schlagzeug) weitere Bandmitglieder. Heute weiß man: alles richtig gemacht, denn schon mit ihrem Debütalbum „Hot Fuss“ wurde das Quartett aus Las Vegas, Nevada zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Rock-Bands der Nuller-Jahre.
Mit ihrer auch heute noch unkaputtbaren Debüt-Single „Mr. Brightside“ haben The Killers Musikgeschichte geschrieben (und so für die ein oder andere gänsehäutige Neuinterpretation gesorgt), anschließend folgten allerlei weitere erfolgreiche Songs wie „Somebody Told Me“, „When You Were Young“ (mein persönlicher Band-Favorit!), „For Reasons Unknown“ oder – klar – das ewiglich unsägliche „Human“. Insgesamt veröffentlichte die Band seit 2004 bisher fünf Studioalben und sicherte sich damit ihren Ruf als feste, gern schon mal Stadien oder Festival-Crowds füllende Größe der Rock-Szene. (Und wer die letzten gut 15 Jahre musikalisch hinterm Mond verbracht haben sollte, der kann das Verpasste gern anhand der 2013er Best Of „Direct Hits“ nachholen).
In den letzten Jahren ist es jedoch merklich still(er) um Frontmann Brandon Flowers und Co. geworden, ihr letztes Album „Wonderful Wonderful“ erschien 2017. Allerdings kündigten The Killers bereits 2019 an, dass dieses Jahr mit einem neuen Album names „Imploding The Mirage“ zu rechnen sei, veröffentlichten im März und April mit „Caution“ und „Fire In Bone“ gar erste Vorab-Singles. Das Album hätte Ende vergangenen Monats erscheinen sollen, jedoch wurde die Veröffentlichung auf ein bislang unbekanntes Datum hin zum Jahresende verschoben.
Die ersten Anspielungen auf ein neues Album wurden bereits im letzten Jahr von einer Single namens „Land Of The Free“ begleitet. Auf dieser kritisieren The Killers heftig Donald Trumps Politik sowie dessen gleichsam irrwitzigen wie zynischen Plan, eine Mauer an der US-Grenze zu Mexiko zu errichten – überraschend, vor allem, wenn man bedenkt, dass etwa Mormone Brandon Flowers in der Vergangenheit des öfteren seine Sympathie für republikanische Wahlinhalte bekundete (andererseits haben sogar ehemalige republikanische Politik-Größen wie Ex-Außenminister Colin Powell oder Ex-Präsident George W. Bush angekündigt, bei den Präsidentschaftswahlen im November gegen Trump und für dessen demokratischen Kontrahenten zu stimmen). Zu dem gelungenen klavierlastigen Song gab es außerdem ein sehenswertes Musikvideo von Kult-Regisseur Spike Lee, der an der mexikanischen Grenze das Leben von Migranten filmte.
Diesen Song haben The Killers nun am Sonntag aus gegebenem Anlass in einer aktualisierten Live-Version auf Instagram und Co. geteilt. Die neuen, überarbeiteten Lyrics nehmen Bezug auf die aktuellen Geschehnisse in den USA, namentlich die Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten sowie der daraus entstandenen anhaltenden „Black Lives Matter„-Protestwelle. Für die neue Version änderte Sänger Brandon Flowers denn auch Teile des Texts: „How many killings must one man watch in his home?“, heißt es in einer Zeile, „8 measured minutes and 46 seconds / Another boy in the bag / Another stain on the flag“ in einer anderen, welche auf die Zeit verweist, die der weiße Polizist, der ihn tötete, mit dem Knie auf seinem Hals verbrachte, bis Floyd starb.
Die Reaktionen auf den Instagram-Post und die neue Version von „Land Of The Free“ waren dennoch gemischt: Während einige User meinten, dass das Video nichts bringe und die Band unter anderem aufforderten, stattdessen lieber Ressourcen gegen Rassismus zu posten oder zu spenden, waren andere der Meinung, dass Brandon Flowers und seine Bandkumpane mit diesem neuen Songtext ein starkes Statement gegen Polizeigewalt setzen würden.
Hier kann man sich selbst ein Bild von der 2020er Variante von „Land Of The Free“ machen:
„Can’t wipe the wind-blown smile from across my face It’s just the old man in me Washing his truck at the Sinclair station In the land of the free His mother Adeline’s family came on a ship Cut coal and planted a seed Down in them drift mines of Pennsylvania In the land of the free
Land of the free, land of the free In the land of the free Land of the free, land of the free Land of the free, land of the free In the land of the free (I’m standing crying)
When I go out in my car, I don’t think twice But if you’re the wrong color skin (I’m standing crying) You grow up looking over both your shoulders In the land of the free We got more people locked up than the rest of the world Right here in red, white and blue Incarceration’s become big business It’s harvest time out on the avenue
Land of the free, land of the free In the land of the free Land of the free, land of the free Move on there’s nothing too see Land of the free, land of the free In the land of the free
I’m standing crying, I’m standing crying So how many daughters, tell me how many sons Do we have to have to put in the ground before we just break down and face it We got a problem with guns In the land of the free Down at the border, they’re gonna put up a wall Concrete and rebar steel beams (I’m standing crying) High enough to keep all those filthy hands off of our hopes and our dreams (I’m standing crying) People who just want the same things we do In the land of the free
Land of the free, land of the free In the land of the free Land of the free, land of the free Land of the free, land of the free In the land of the free Land of the free, land of the free Land of the free, land of the free Land of the free, land of the free Land of the free, in the land of the free (I’m standing crying)“
(der Songtexte stammt von der ursprünglichen, 2019 veröffentlichten Version)
Ein gerahmtes Bild mit einer schwarzen Silhouette steht an eine Wand gelehnt. Daneben Blumen und eine Kerze, deren Flamme gerade eine über ihr aufgehängte US-amerikanische Flagge in Brand steckt. Das ist eines der neuesten Bilder, die der britische Street-Art-Künstler Banksy auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat.
Seine Botschaft macht er in einem Text dazu deutlich (welchen ihr auch weiter unten findet): Es sei Zeit, dass ein „fehlerhaftes System“ repariert werde. Wenn es nach Banksy geht, dann ist auch klar, wer sich vor allem für diese Veränderung einsetzen müsse: die Weißen.
„Zuerst dachte ich, ich sollte bei diesem Thema einfach den Mund halten und Schwarzen zuhören“, so der Künstler. „Aber warum sollte ich das tun? Es ist nicht ihr Problem. Es ist meins.“ People of Color würden von „diesem weißen System“ im Stich gelassen.
Dann führt Banksy in Form einer Analogie die Situation aus: Das System sei wie ein gebrochenes Rohr, das die Wohnung der Menschen flute, die eine Etage tiefer wohnten. Das System „macht ihnen das Leben zur Qual, aber es ist nicht ihre Aufgabe, es zu reparieren.“ Sie könnten das auch nicht, denn niemand lasse sie in die Wohnung im Stockwerk über ihnen. „Das ist ein weißes Problem“, schreibt er. „Und wenn die Weißen es nicht beheben, wird jemand nach oben kommen und die Tür eintreten müssen.“
Seit Tagen gehen in den US of A Menschen auf die Straße, um nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd gegen Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. Floyd war am 25. Mai in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden. Ein weißer Polizist drückte dem 46-Jährigen bei seiner Festnahme minutenlang das Knie auf den Nacken, obwohl er wiederholt sagte, er bekomme keine Luft mehr.
Dass auch Banksy sich auf seine Art zu den aktuellen gesellschaftlichen Missständen äußert, kommt ebenfalls keineswegs von ungefähr, schließlich ist die legendäre anonyme Street-Art-Ikone seit mehr als zwei Jahrzehnten weltweit für seine Graffiti berühmt, mit denen er – nicht selten mit einem gerüttelt Maß an Provokation – auf aktuelle gesellschaftliche Probleme aufmerksam macht. Zuletzt veröffentlichte der Künstler auf Instagram ein Bild mit Bezug zur Corona-Pandemie. Das Kunstwerk, welches an einer Wand der Universitätsklinik von Southampton enthüllt wurde, zeigt einen kleinen Jungen, der eine als Krankenschwester verkleidete Puppe mit Superheldenumhang durch die Luft schweben lässt.
Wie wir alle wissen, ist das Thema „Rassismus“ nach dem Tod von George Floyd durch Polizeigewalt mittlerweile selbst bei jenen – zumindest in gewissem Maße – angekommen, denen die Lebensrealität farbiger US-Amerikaner, aber auch Mitmenschen hierzulande, ansonsten ferner kaum sein könnte. Endlich? Klar. Ob sich denn auch endlich in unser aller Köpfe etwas zum Positiven, zu einem gerechteren Miteinander bewegt? Bleibt inständig und von ganzem Herzen zu hoffen, warten wir’s ab…
Was auch bekannt sein sollte, ist, dass Floyds Tod am 25. Mai bei Weitem nicht der erste seiner Art in den US of A war. Man denke etwa auch an Breonna Taylor, Ahmaud Arbery oder jüngst Tony McDade. Oder an Amadou Diallo, ein politischer Asylant, der am frühen Morgen des 4. Februar 1999 vor seiner Haustür von vier New Yorker Polizeibeamten erschossen wurde, die ihn zunächst mit einem gesuchten Serienvergewaltiger verwechselten und gleich darauf ein zweites Mal irrten, als sie Diallos Griff in seine Jacke, um seinen Ausweis vorzuzeigen, mit dem Ziehen einer Waffe verwechselten. Bruce Springsteen widmete ihm postum den bewegenden Gänsehaut-Song „American Skin (41 Shots)“ – ebensoviele Schüsse gaben die Cops, welche übrigens in einer nachfolgenden Gerichtsverhandlung allesamt freigesprochen wurden, insgesamt auf den unbewaffneten Mann ab, den 19 davon tödlich trafen.
Oder an Freddie Carlos Gray Jr. Der 25-jährige US-Afroamerikaner wurde am 12. April 2015 in Baltimore, Maryland von mehreren Polizeibeamten festgenommen, nachdem er Blickkontakt mit einem der Beamten hatte, welcher vermutete, dass Gray ein Messer bei sich trug, und dann wegrannte. Er wurde gefesselt in einen Polizeitransporter verfrachtet, wobei er sich fatale Rückenverletzungen zuzog. Denn nicht nur ignorierten die beteiligten Polizeibeamten wiederholt seine Bitten um medizinische Behandlung, Gray wurde auch von keinem der Beamten während der Fahrt zur Wache angeschnallt. Freddie Gray fiel bereits bei ebenjenem Transport ins Koma und wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er eine Woche nach seiner Festnahme verstarb. Ermittler gingen im Nachhinein davon aus, dass sich der junge Mann während der Fahrt im Polizeitransporter das Genick brach. Auch hier wurden insgesamt sechs US-Polizisten wegen klarer Verstöße gegen die Polizeirichtlinien angeklagt, auch hier wurden alle freigesprochen – soviel zum Thema „the land of the free and the home of the brave“…
Umso wichtiger, dass nicht nur Prince (mit dem Song „Baltimore„), sondern auch Kevin Devine seinerzeit auf den – ähnlich wie derzeit George Floyds sinnloser Tod – im Grunde einfach nur sprachlos machenden Fall aufmerksam machte. 2016 veröffentlichte der New Yorker Singer/Songwriter auf seinem Album „Instigator“ den Song „Freddie Gray Blues„, der nicht nur dem zu jung, zu sinnlos, zu unschuldig verstorbenen Freddie Gray, sondern auch allen anderen Opfern von Polizeigewalt ein bewegendes Denkmal setzt, und mit Zeilen wie „And I know not every cop / Is a racist, murdering cop / But this is bigger than the people I love / The system’s broken / Not breaking /It’s done…“ zur schonungslos offenen Abrechnung gerät, nach der man selbst sich im Grunde lediglich wundert, dass jene Proteste, die sich – mal mehr, mal weniger friedlich – derzeit durch die gar nicht mal so „Vereinigten“ Staaten von Amerika und Großstädte wie Philadelphia, New York, Atlanta, Los Angeles oder Washington, DC ziehen, nicht bereits viel eher in diesem Maße und dieser Vehemenz stattfanden…
Im Jahr 2017 gab Kevin Devine bei einer Live Session für „uniFM“ in Freiburg nicht nur eine reduzierte Akustik-Version von ebenjenem „Freddie Gray Blues“ zum Besten, sondern auch von „No History„, einer kaum weniger Hühnerpelle erzeugenden, in Worte und Töne gefassten Post-9/11-Bestandsaufnahme. Sollte man gehört haben. ❤️
„I’m talking Freddie Gray blues I’m talking what happened to you You were just 25 When they ended your life When ‚to serve & protect‘
Meant break your leg, snap your neck
Meant to kill you, to sever your spine No matter what, there’s no good reason why
When I’m talking these killer cop blues I’m kinda talking my family to you See, my dad was a cop And his dad was a cop And my uncles were cops And my cousins were cops I’m partly here because of cops And I love all those cops And I know not every cop Is a racist, murdering cop But this is bigger than the people I love The system’s broken Not breaking It’s done
I’m talking white privilege blues I’m talking confession to you I don’t know what it’s like To be afraid all my life Looking over my shoulder Behind each officer, a coroner Entrenched inequality No access, no empathy Crushed in stacked decks Institutions & death This is not my reality I’m afforded the luxury Of shaking my head I shut the screen, go to bed I can turn off what you never can And watch it happen again and again (and again and again and again and again, and again)
I’m talking Freddie Gray blues I’m talking Freddie Gray blues…“