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Agnes und ihr Freund Amir – Eine ziemliche beste Wohngemeinschaft (und die wohl schönste Geschichte des Tages)


Agnes Jeschke wurde 1920 in Sachsen geboren. Das Jahr, in dem die Pandemie der Spanischen Grippe endete. Das Jahr, in dem der Friedensvertrag von Versailles den Ersten Weltkrieg offiziell beendete. Das Jahr, in dem in Deutschland die erste Jazz-Schallplatte verkauft wurde.

Amir Farahani wurde 1993 im Iran geboren. Das Jahr, in dem dort zwei Flugzeuge kollidierten und 132 Menschen starben. Das Jahr, in dem der Maastricht-Vertrag in Kraft trat und das World Wide Web freigegeben wurde.

Heute ist sie betagte 102 Jahre alt, er sportliche 28 Lenze jung – rein optisch sowie rechnerisch könnte Amir Agnes‘ Urenkel sein. Und obwohl die beiden – zumindest auf dem schnöden Papier – fast 74 Jahre gelebtes Leben und recht unterschiedliche Kulturen trennen mögen, sind diese alte Dame und ihr Betreuer, der sogar bei ihr wohnt, ein zwar ungewöhnliches, dafür jedoch umso unzertrennlicheres Paar. „Ziemlich beste Freunde“ quasi – nur eben nicht als rührselige französische Filmkomödie in Paris angesiedelt, sondern in einer kleinen Wohnung in Berlin-Mariendorf. „Wir verstehen uns“, sagt sie mit ihrem Berliner Charme, „wie zwei linke Latschen“.

Und natürlich mag die Geschichte von Amir und Agnes ungewöhnlich sein. Er studierte im Iran Sportmedizin, musste sein Land, in dem er wegen seiner Homosexualität um sein Leben fürchtete, jedoch ohne Familie verlassen – und kam nach Deutschland. Sie lebt seit fünf Jahrzehnten in ihrer bescheidenen Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin. Wäre der junge Mann nicht bei ihr eingezogen, hätte Agnes wohl ins Pflegeheim gemusst – gegen ihren Willen. Also schaltete ein Freund eine Anzeige im Internet und suchte nach einer Betreuerin – das Motto: „Kostenloses Wohnen gegen Gesellschaft leisten“. Es meldeten sich 22 Frauen – und Amir. Und obwohl er der einzige männliche Bewerber war, war er nicht nur gleich hellauf begeistert von der Idee, bei der alten Frau einzuziehen, sondern wunderte sich auch: „Warum nur Frauen? Ich kann das auch.“ Agnes ging es ähnlich, die beiden waren sich – allen Unterschieden zum Trotz – auf Anhieb sympathisch. Er suchte eine Bleibe (was sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt durchaus als Herausforderung gestalten kann), sie Gesellschaft und Hilfe im Alltag. Und fanden auf diesem Weg einander. Das Paradebeispiel einer Eine Win-win-Situation, sozusagen.

Das Bilderbuch zeigt, dass sich die gemeinsamen Tage des ungleichen Mitbewohnerpaares häufig bunt gestalten. „Manchmal gehen wir schaukeln, manchmal zusammen einkaufen, manchmal schwimmen oder ins Restaurant.“ Selbst in die Shisha-Bar oder zum Tanzen seien sie schon gemeinsam gegangen. Amir lebt kostenlos auf Agnes‘ Couch, besitzt in ihrer Wohnung lediglich einen kleinen Kleiderschrank, als Gegenleistung hilft er ihr im Alltag – vor allem morgens und abends. Tagsüber macht er eine Ausbildung zum Alten- und Krankenpfleger. Auch aus diesem Grund kann er ihren Pflegedienst wenngleich nicht gänzlich ersetzen, dafür jedoch zu großen Teilen unterstützen, während sie für ihn eine Art Familienersatz darstellt und dem Geflüchteten, der der deutschen Bürokratie wegen im vergangenen Jahr – entgegen aller Umstände und trotz Fachkräftemangels – beinahe wieder in seine alte Heimat (in welcher ihm zudem die Todesstrafe droht) abgeschoben worden wäre, die deutsche Sprache und den speziellen Berliner Humor näher bringt.

Doch so schön sich dieser Alltag auch lesen mag, so herausfordernd kann er oft genug sein. „Ich muss ihr viele grundlegende Dinge beibringen, die wir Jungen automatisch machen“, sagt Farahani. Dazu gehöre zum Beispiel das Essen oder Trinken, Anziehen oder Aufstehen. „Bei all diesen kleinen Dingen besteht die Gefahr, dass sie sich verletzt und da muss ich aufpassen.“ Anfangs habe sie in der Nacht auch öfters Panikattacken bekommen. Ihr anstehender Auszug, das drohende Pflegeheim habe sie damals sehr belastet. Mittlerweile schläft sie nicht nur ruhiger, sondern hat durch ihren beinahe ein Dreivieteljahrhundert jüngeren Begleiter sogar neue Lebensfreude gewonnen. „Ich bin ohne Familie hergekommen. Ich suchte damals eine Wohnung. Die habe ich jetzt und auch eine Aufgabe. Wenn Menschen wie Agnes Zuwendung bekommen, bleiben sie jung“, wie Amir es auf den Punkt bringt. Er passt auf sie auf, und sie irgendwie auch auf ihn.

Und so aufs Filmreifste kitschig sich die Geschichte von Agnes und Amir auch lesen mag, so stellt sie doch umso mehr positive Dinge ins Licht: Etwa den Fakt, dass Integration durchaus gelingen kann, wenn beide Seiten offen für die Welt des anderen sind (und auch daher dürfen Beiträge über die beiden gern in Dauerschleife auf jeder Versammlung der blau-braunen Anti-Alternative laufen). Dass dieses im ersten Moment ungewöhnliche WG-Konzept aus Jung und Alt gerade in Großstädten wie Berlin, wo auf der einen Seite meist Wohnungsknappheit herrscht, während es gleichzeitig eine hohe Zahl an älteren Single-Haushalten gibt, eine nicht nur gute, sondern auch überaus beispielhafte Lösung darstellt – und somit ein stückweit den „Grauen Markt“ der 24-Stunden-Pflegekräfte in bundesdeutschen Privathaushalten ersetzen könnte. So schätzt die Schader-Stiftung, dass bis zu 400.000 Menschen – vor allem Osteuropäerinnen – in deutschen Haushalten ältere Menschen pflegen – und das, anders als bei Amir, eben oft illegal. Und zu guter Letzt natürlich, dass dieser Tage nicht jede Nachricht schlecht sein muss, um berichtenswert zu sein. ❤️️

Bei Arte sowie in der ZDF Mediathek findet man aktuell zudem auch einen ausführlicheren halbstündigen Beitrag über die beiden…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Erdmöbel – „Wir sind nicht das Volk (Lass sie rein)“


Foto: Promo / Matthias Sandmann

Im Herbst 2019 veröffentlichte der Deutschrock-Liedermacher Stefan Stoppok in Kooperation mit „Sea-Watch„, der Seenotrettungsorganisation für Geflüchtete, ein berührendes Video zu seinem Song „Lass sie rein“. „Die vertriebenen Seelen, lass sie rein / Die auf uns’re Liebe zählen, lass sie rein / Die Vielen, die nicht mehr wissen wohin / Ohne Heimat / Lass sie alle rein“, singt er da zu Bildern von einer „Sea-Watch“-Rettungsaktion.  Wie zu erwarten, erntete der Clip einen ziemlichen Shitstorm eines ohnehin maximal bemitleidenswerten Packs aus Verschwörungstheoretikern, Nationalisten und Rassisten, sodass sogar die Kommentarfunktion unter dem Video deaktiviert werden musste. „Es gibt genug Hass auf der Welt und mit Hass werden wir unsere Probleme niemals lösen, das hat noch nie funktioniert“, heißt es seitdem in einem Statement unter dem Song. 

Ein paar Monate später, kurz bevor im griechischen Moria das Flüchtlingslager brannte, hatten einige Musiker*innen die Idee, in einer Solidaritätsaktion eigene Songs gleichen Titels – „Lass sie rein“ – aufzunehmen. Doch dann begann die leidige Corona-Pandemie, und das Projekt lag wie so vieles erst einmal auf Eis – bis jetzt. Denn nun hat die 1993 in Münster ins Leben gerufene und mittlerweile in Köln ansässige Indie-Pop-Band Erdmöbel ihren Beitrag veröffentlicht, der den Titel „Wir sind nicht das Volk (Lass sie rein)“ trägt und bereits der vierte Vorab-Track ihres neuen Albums „Guten Morgen, Ragazzi“ ist, welches wiederum am 20. Mai erscheinen wird.  

Obwohl in einer anderen Zeit geschrieben, sei dieser Song „leider immer noch und wieder ganz erschreckend neu aktuell“, schreibt die Band zu dieser „Hymne gegen Nationalismus“. „Nachdem mit dem Krieg gegen die Ukraine Nationalismus und Chauvinismus in Russland wieder offen die Häupter erhoben haben“, heißt es weiter, „kann man es nicht oft genug sagen: Ob in Russland oder anderswo – ihr seid nicht ,das Volk‘! Niemand ist das Volk.“ Der Song sei „eine universelle Friedensbotschaft“, die zugleich Solidarität mit allen Menschen einfordere, die zurzeit auf der Flucht sind – ganz gleich welcher Nationalität oder Hautfarbe.

Und es wäre doch toll, wenn unter dem sehr klug montierten Musikvideo zu diesem sich aus der typischen Erdmöbel-Melancholie speisenden Song nicht wieder jede Menge Hasskommentare von intoleranten, unbelehrbaren Trolls zu lesen wären. Dabei kann man denn selbst ein klein wenig helfen: Geht einfach auf die dazugehörige YouTube-Seite und hinterlasst in der Kommentarfunktion unter dem Clip die Botschaft: Lass sie rein! ❤️

Rock and Roll.

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Song des Tages: Chaoze One – „Memento Moria / Die Welt brennt“


Foto: Promo / Giulia Vitali

Die Bilder der Nacht auf den 9. September 2020 gingen um die Welt. „Moria brennt, hieß es in vielen Überschriften der Tageszeitungen und auf Social Media. Bilder, die einen so schnell nicht mehr loslassen und noch bis heute nachhallen. Bilder, die einmal mehr beweisen, wie sehr das Menschliche dieser Welt mittlerweile viel zu oft, viel zu sehr abhanden gekommen ist…

Und ein Lied allein kann und wird diese Welt freilich nicht verändern. Das können nur wir, die Menschen. Aber Stücke wie „Memento Moria / Die Welt brennt“ von Chaoze One können dabei helfen, die Fassung nicht komplett zu verlieren und den Weg aus der Ohnmacht ein wenig erleuchten. Mehr noch: Der gestern veröffentlichte Song ist ein formvollendeter Roundhousekick, ein schmerzlicher Schlag in die Magengegend all unser Erste-Welt-Problemchen, behandelt er doch die europäische „Flüchtlingspolitik“, die „Systemrelevanz“ und die Banalität des Bösen mit Referenzen aus Jahrzehnten der (Politik)Geschichte, Popkultur und Gesellschaft. Es ist eine unmissverständliche Standortbestimmung, ein salziges Fingerlegen in offene Wunden, aber auch ein dringlicher Appell an die Empathie.

So bekannt die Themen, so unbekannt dürfte wohl vielen der Künstler sein. Jan Hertel, so Chaoze Ones bürgerlicher Name, ist ein gesellschaftskritischer Rapper, Autor und Theaterschauspieler aus Mannheim. In seiner ersten musikalisch aktiven Phase von 2000 bis 2009 veröffentlichte er bereits zahlreiche Alben und EPs.

Die Musik war dabei immer ein Instrument für seine politische Arbeit, die im Vordergrund seines künstlerischen Schaffens steht. In der Vergangenheit ging das soweit, dass er auf dem Radar mehrerer rechter Gruppierungen auftauchte – unter anderem versuchte der AfD-Politiker und rechte Journalist Joachim Paul einen Auftritt von Hertel durch politische Einschüchterung zu vereiteln. 2019 veröffentlichte der Künstler, Baujahr 1981, außerdem das Buch „Spielverderber – Mein Leben zwischen Rap & Antifa„, in dem er seine musikalische wie politische Sozialisation beschreibt.

Etwa zwölf Jahre nach seinem letzten Album, in denen sich im deutschrap’schen Musikkosmos einiges getan hat (und das freilich nicht immer zum Besseren), meldet sich Chaoze One nun mit seinem neuen Langspieler „Venti“ zurück, der im Juli bei Grand Hotel van Cleef erscheinen wird. Eine durchaus lange Sendepause, wie auch Hertel selbst anmerkt: „Zwölf Jahre nicht gesungen, Reihenhaus und Katze, wir sind alle ruhiger geworden. Dann kam 2015, dann kam 2020 und da waren sie wieder, die Wut und das Unverständnis. ‚Das ist nicht die Zeit zum Fresse halten!‘, hat dieser wütende 18-Jährige von damals gebrüllt.“.


„‚Venti‘ ist die erste Hip Hop-Platte auf GHvC, und der Opener ‚Memento Moria / Die Welt‘ brennt der erste echte Rap-Track auf unserem Label. Aber Genres sind egal. Denn beim Hören dieses Songs – auch beim vierhundertsten Mal – fangen unsere Gehirne und Herzen an zu glühen. Der Song und diese Platte umfasst all das, was wir denken und fühlen, wie wir Dinge sehen und was wir fordern. Und zwar ohne Zeige-, dafür ab und an aber gern mit Mittelfinger“
, lässt sich das Hamburger Indie-Label, welches ebenfalls seit eh und je das Herz auf der Zunge und am linken Fleck trägt, zitieren.

„Ich hatte eine Sinnkrise, persönlich und politisch“, wagt Jan Hertel eine künstlerische Standortbestimmung. „Diese musste und wollte ich bearbeiten. ‚Venti‘ erzählt von Zweifeln und Verzweifeln, von Sackgassen und dem Aushaltenmüssen. Von Liebe und Ekel für die Welt. Plötzlich stand da dieser 18-Jährige auf der Matte vor mir, der vor zwanzig Jahren erstmals das Rap-Mic ergriff – es war nicht mehr an der Zeit, die Fresse zu halten!“

Klares Ding: Es ist schon eine Kunst für sich, so komplexe, brisante (aber auch wichtige!) Themen in nur wenigen Minuten und schwer vereinfacht in politisch motivierte Punchlines zu packen. Chaoze One ist einer, dem genau das gelingt, ohne am Ende bei der Musik Abstriche zu machen. Seine Worte bewegen, bieten sowohl einen Anhaltspunkt, sich weitreichender zu informieren, aber können auch hitzige Diskussionen entfachen – denn Unwissenheit mag auch ein Beitrag sein, ist hier aber beileibe keine Option.

„Venti“, welches, übersetzt aus dem Italienischen, für die Zahl „Zwanzig“ steht (denn genau zwei Dekaden ist es her, dass Chaoze Ones Rapkarriere begonnen hat), erscheint am 16.07.2021 über Grand Hotel van Cleef auf Doppel-LP, CD sowie Digital und kann ab sofort vorbestellt werden. Auf dem Album finden sich 17 Stücke in knapp 70 Minuten, während derer unter anderem Torsun Burkhardt von Egotronic, Mal Éléve, Shana Supreme sowie Autor Jan Off und zahlreiche weitere Gäste zu hören sein werden.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Simon & Jan – „Lass es regnen“


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Foto: Promo / Michael J. Rüttger

Das Duo Simon & Jan, das sind Simon Eickhoff, Jahrgang 1980, und Jan Traphan, Jahrgang 1981, zwei Oldenburger, die sich 2001 zu Beginn ihres Musik-Lehramtsstudiums kennengelernt haben. Schnell merkten die beiden, dass sie sowohl im musikalischen wie auch humoristischen Sinne ganz ähnlich tickten, und begannen, in ihren auf Akustik-Gitarren vorgetragenen Songs sanfte, melodiöse Melodien mit oft recht zynischem Textgut über Persönliches, Politisches und Gesellschaftliches zu kombinieren. Anfangs traten Simon & Jan mit Götz Widmann und den Monsters of Liedermaching auf. Seit 2013 und ihrem ersten abendfüllenden, „Der letzte Schrei“ betitelten Programm tourt das Liedermacher-meets-Kabarett-Duo mit Akustik-Gitarren, Gesang und satirischen Texten solo und war seitdem bereits in so einigen bekannten Humor-TV-Shows wie bei Nightwash, im Quatsch Comedy Live Club oder in der Anstalt zu sehen.

Dass Eickhoff und Traphan die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland mit durchaus wachen Augen betrachten, bewiesen die beiden einmal mehr im vergangenen Jahr mit dem Stück „Hat sich nicht bewährt“, welches sie auf ihrer Homepage mit den knappen Worten „Die AfD – einfach erklärt“ präsentierten. Sowohl der Song als auch das dazugehörige Musikvideo stellen eine im Grunde einfache Frage: Warum wiederholen manche Deutsche immer wieder Verhaltensweisen, die sich mit ein bisschen historischem Wissen eigentlich verbieten würden? Vordergründig launig und locker dargebracht, im Kern aber zweifelsfrei sehr ernst zu nehmen.

 

In eine zeitgeistig ganz ähnliche Kerbe schlägt auch das neuste Stück „Lass es regnen“, in dem Simon & Jan die deutsche (in Kleinen) sowie industrienationale (im Großen) Haltung zum Thema Flüchtlingspolitik anprangern – zwar poetisch und balladesk, jedoch mit durchaus deutlichen Worten und ein wenig unguter Gänsehaut…

 

„Oh meine Kanzlerin, wie blass
Schwebt über dir noch dieser Satz:  ‚Wir schaffen das!‘
Wie die Mutter zu dem Kind, obwohl sie weiß, dass es nicht stimmt

Oh mein Minister, wie ich mich schäme
Sagt Migration sei die Mutter der Probleme
Wie kann man uns’rer Vielfalt nur so einfältig begegnen?

Herr, lass es regnen

Im Parlament ist der Gau schon längst gelandet
Bitter, wie Vernunft hier nur versandet
Wer lässt hier eigentlich nur Facharbeiter rein?

Die Dritte Welt presst ihr Gesicht an uns’re Scheibe
Menschen in Not suchen bei uns eine Bleibe
Jetzt fangen wir hier an, im Glashaus Fenster zu vernageln

Herr, lass es hageln

Oh mein Europa, Gott bewahre
Zählt man die Leichen an den Grenzen all die Jahre
Ein Massengrab – wer soll uns das denn noch verzeih’n?

Herr, lass es schnei’n“

 

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Rock and Roll.

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Song des Tages: DOTA – „Grenzen“


Foto: Sandra Ludewig / Promo

Foto: Sandra Ludewig / Promo

Tagtäglich erreichen mich zig Mails von Promoagenturen, Künstlern und Bands. In jeder von ihnen bittet man mich um Gehör – was wohl – aus so ziemlich vielen Gründen – angebracht erscheinen mag, immerhin gilt es die jeweiligen Künstler, welche sicherlich wiederum ihrerseits viel Zeit, Gedanken, Schweiß und Mühe in ihre Stücke gesteckt haben mögen, zu vermarkten. Leider habe ich zu oft zu wenig Zeit und Energie, jedem Anspielwunsch Folge zu leisten (sorry an dieser Stelle einmal dafür!), immerhin habe auch ich ein Privat-, ein Arbeitsleben außerhalb dieser digitalen Zeilen.

Manchmal jedoch stolpere ich über Zeilen wie diese:

 

„Liebe Medienpartner,

aus aktuellem Anlass heute einmal ein etwas anderer Song, der mir auf Grund der brisanten Lage zur Flüchtlings- und Asylpolitik stark am Herzen liegt. ‚Grenzen‘.

Die Berliner Sängerin Dota Kehr, bekannt für ihre sozialkritischen Songs, hat ‚Grenzen‘ bereits vor einiger Zeit geschrieben. Dota und Band baten mich, ihn in die Welt zu schicken. Selbstverständlich. Ich würde mich freuen, wenn ihr das Gleiche tut.

Das Stück ‚Grenzen‘ ist der Diskursbeitrag der Berliner Band DOTA zu Rechtsruck und Flüchtlingsthema. Ein bedingungsloses Plädoyer für Menschlichkeit und ein gut durchdachter Text, der dem aktuellen Elend ein Stück hoffnungsvolle Vision entgegen trotzt. ‚Ich melde mich ab, ich will einen Pass, wo Erdenbewohner drin steht…‘ „

 

Man muss die Songs der 36-jährigen Hauptstadt-Liedermacherin Dorothea „Dota“ Kehr, die sie nun schon seit mehr als zwölf Jahren und etwa acht Alben unters Hörervolk bringt, im Gros nicht mögen, darf sie auch gern mal anstrengend finden. Fair enough. Das angesprochene „Grenzen“, welches Kehr bereits vor einigen Monaten schrieb (den Text dazu etwa postete sie bereits im Januar auf ihrer Facebook-Seite), jedoch ist eines dieser Stücke, die in Zeiten einer dermaßen akuten menschlichen Schieflage wichtiger kaum sein könnten.

Eventuell mag manch einer von euch ein Statement von mir zu all den aktuellen Geschehnissen erwartet (oder auch befürchtet) haben. Und obwohl ich in der Tat eine Meinung, eine Haltung (und als Betreiber eines eigenen Blogs wohl auch einen guten Teil gesteigertes Mitteilungsbedürfnis) habe – es wird keins geben. Nicht für den Moment. Nur zwischen den Zeilen.

Vielmehr möchte ich „Grenzen“ für sich sprechen lassen. Der Song ist Statement genug – und ein starkes obendrein, für das manch anderer Liedermacher meucheln würde. Denn selbst und gerade in Zeiten wie den heutigen sollten wir uns eines vor Augen führen: Die Würde des Menschen ist unantastbar – oder sollte es zumindest sein. Über sieben Milliarden von uns – und keiner kommt so ganz durch das, was wir hier oft genug „Leben“ nennen… „Es gibt Grenzen.“

 

 

„Wer ist drinnen, wer ist draußen?
Ich mal eine Linie. Du darfst nicht vorbei.
Da trifft Luft auf Luft,
Da trifft Land auf Land.
Da trifft Da trifft Haut auf Blei.
 
Wo ist oben, wo unten?
Wer könnte, wer wollte das ändern?
Was geschieht in den Ländern, 
An ihren Rändern?
 
Es gibt Frontex und push-backs,
Zäune, Waffen, Flüchtlingsabwehrkonferenzen.
Das Mittelmeer wird ein Massengrab.
Es gibt Grenzen.
 
Sie führen zu Nationalismus mit seinen
bekloppten Konsequenzen,
Man entrechtet Leute, nur weil sie von irgendwo kamen.
Es gibt Grenzen.
 
Könnten Sie diese Antwort bitte
sinngemäß richtig ergänzen:
Was liegt möglicherweise im Kern des Problems?
Es gibt Grenzen.
 
Ich melde mich ab, gebt mir einen Pass,
wo ‚Erdenbewohner‘ drin steht.
Einfach nur ‚Erdenbewohner‘.
Sagt mir bitte, wohin man da geht.
Ich melde mich ab, ich melde mich um,
Das kann doch so schwierig nicht sein.
Schreibt einfach nur ‚Erdenbewohner‘ da rein.
 
Wir ziehen eine Grenze im Himmel,
Ein Gott ist hier und einer ist dort.
Dann drohen sie sich mit den Fäusten,
In Ewigkeit und so fort.
 
Da muss es was Besseres geben,
Frieden bringt kein Götterbote.
Wir haben es ein paar tausend Jahre mit Grenzen versucht,
Das gab sehr viele Tote.
 
Nennt mich naiv, es ist mir egal,
Aber ich finde es reicht.
Ich suche das Land, in dem jeder dem andern
in Staatsunangehörigkeit gleicht.
 
Ich melde mich ab, gebt mir einen Pass,
wo ‚Erdenbewohner‘ drin steht.
Einfach nur ‚Erdenbewohner‘.
Sagt mir bitte, wohin man da geht.
Ich melde mich ab, ich melde mich um,
Das kann doch so schwierig nicht sein.
Schreibt einfach nur ‚Erdenbewohner‘ da rein.
 
Ich schließe die Tür und genieße die Stille,
Ich grenze mich ab, das muss sein.
Jeder hat seine Grenze, die ihn umgibt,
Sie schließt ihn schützend ein.
 
Jeder Übergriff, jeder Schlag
verletzt ein Menschenrecht.
Warum schützt man die Grenzen der Staaten so gut
Und die Grenzen der Menschen so schlecht?
 
Sie müssen nicht zwischen den Ländern verlaufen,
Aber zwischen den Menschen.
Nicht aus Stacheldraht sollen sie sein,
Sondern aus Respekt.
Es gibt Grenzen.“

 

Rock and Roll.

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