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Das Album der Woche


Iggy Pop – Every Loser (2023)

-erschienen bei Atlantic/Warner-

„Sorry, geänderte Wagenreihung“, bekommt Nico Rosberg von einem oberkörperfreien Senioren mit breitem US-amerikanischem Akzent zu hören, der auf seinem ICE-Platz sitzt. James Newell „Jim“ Osterberg aka. Iggy Pop als Werbefigur für die Deutsche Bahn? Überraschte anno 2018 höchstens diejenigen, die sich Anfang der Siebziger haben einfrieren lassen. Die Jazz-Ausflüge konnte man zwar bereits auf „Fun House“ erahnen, aber auch sonst schlug der einstige Stooges-Frontmann in seiner fast fünf Dekaden umspannenden Karriere als Solo-Musiker, Schauspieler und sowieso dauerarschcoolsympathische Persona so manche unerwartete Richtung bis hin zu Chanson-Fingerübungen ein. Und weil ihn oberflächliche Sellout-Vorwürfe genauso wenig wie alles andere jucken, konnte er für sein 19. Solo-Album auch den vierzig Jahre jüngeren, mit Arbeiten für Justin Bieber, Ed Sheeran, Miley Cyrus oder unlängst Pearl Jam erfolgreichen Produzenten Andrew Watt engagieren, ohne auch nur im Geringsten mit der Punk-Rock-Wimper zu zucken. Doch Pop hat natürlich nicht plötzlich Bock auf Pop (sic!), sondern will nach den sedierten Vergänglichkeitsreflexionen von „Free„, 2019 erschienen und von Jazztrompeter Leron Thomas produziert, im Gegenteil mal wieder richtig losrocken – dass er selbigen Rock mit Leichtigkeit aus der ledrigen Westentaschen zu schütteln vermag hatte der 75-Jährige ja ohnehin bereits 2016 beim einerseits feinen, andererseits jedoch auch nach verwehter Abschiedsstimmung duftenden „Post Pop Depression„, für welches ihm unter anderem Josh Homme von den Queens Of The Stone Age sowie Mark Helders von den Artic Monkeys unter die nimmermüden Arme griffen, unter Beweis gestellt. Und benannter Andrew Watt hat schließlich auch Leute wie Ozzy Osbourne oder Eddie Vedder im Portfolio stehen und kuratiert für „Every Loser“ daher eine verdammt namhafte Truppe, welche mit Stone Gossard (Pearl Jam) oder Dave Navarro (Jane’s Addiction) an den Gitarren, die Bassisten Duff McKagan (Guns N‘ Roses) und Eric Avery (Jane’s Addiction) sowie Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), Travis Barker (blink-182) und dem inzwischen verstorbenen Taylor Hawkins (Foo Fighters) am Schlagzeug nicht eben ins unterste Qualitätsregalfach greift, die dem „Godfather of Punk“ seinen Wunsch erfüllen.

So spuckt gleich das eröffnende „Frenzy“ über jaulenden Saiten und brachialem Rhythmus so mit verbaler Säure um sich, dass Idles und all die anderen Bands der aktuellsten Punk-Revival-Welle erst einmal durchs Familienbuch blättern müssen. Tatsache: Iggy Pop singt nicht nur von seinem Gemächt, sondern haut hier mal eben den wohl brachialsten eigenen Song der vergangenen zwei Jahrzehnte raus: „Got a dick and two balls / That’s more than you all“. Für „Strung Out Johnny“ packt das Punk-Rock-Urgestein im Anschluss seinen gravitätischsten Bariton aus, erinnert mal wieder an seinen alten Weggefährten David Bowie und kommt auch mit diesem eleganteren Stück Synth-Rock, diesem postmodernes “Gimme Danger”, geradlinig auf den Punkt. Auf „Every Loser“ werden keine Dylan-Thomas-Gedichte rezitiert oder Houellebecq-Romane als Inspirationsstoff verschreddert, das Mission Statement des Künstlers war ein ganz simples: „The music will beat the shit out of you. I’m the guy with no shirt who rocks.“ Und mit dieser Erkenntnis schlittert der passionierte Oben-ohne-Träger, der mit seiner Frau Nina Alu seit fast 25 Jahren in Coconut Grove, einem Vorort von Miami, lebt und auch ein bescheidenes Domizil in der Karibik sein Eigen nennt, hochmotiviert und kampflustig in den mindestens drölften Frühling einer Karriere, die zwar zig Haken und Wendungen, jedoch nie wirklich Herbstlaub gesehen hat.

„Ich war oben, ich war ganz tief unten in der Gosse, und ich habe bis heute diesen Alptraum, dass ich barfuß und mit nur einem einzigen zerknitterten Dollarschein in der Tasche durch eine mir fremde Stadt laufe. Was immer auch geschehen ist oder noch geschehen wird – ich werde niemals aufhören, mich als Underdog zu fühlen.“ (Iggy Pop)

Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Platte, wie bereits im Eingangsdoppel zum Ausdruck gebracht, keinesfalls einseitig Backpfeifen verteilt. Stattdessen lässt der 75-jährige Hanspop in allen Gassen eine altersgemäß getragene Akustikballade wie „Morning Show“ am Hardcore-Kurzschluss „Neo Punk“, der blauhaarige Poppunks, die weder singen können noch ohne Viagra einen hochkriegen, in die imaginäre Tonne pfeffert, zerschellen, während er sich athletisch durch die Stimmlagen wieselt. Das wavige Highlight „Comments“ wartet nicht nur mit einem sich unmittelbar in den Gehörgang fräsenden Refrain auf, sondern auch mit einer rüden Attacke wider die vermeintlichen Segnungen des Internets sowie einer geexten Pulle Selbstironie, die das immer wieder mit Kommerz und Biedermeier flirtende Image aufs Korn nimmt: „Sell your face to Hollywood / They’re paying good, paying good / Sold my face to Hollywood / I’m feeling good, looking good.“ Ist das schon Grandad-Rock? Wenn dieser immer mit so viel Spielwitz, Augenzwinkern und Abwechslungsreichtum daherkommt: gerne mehr davon! Selbst wenn good ol‘ Iggy, der unter anderem an Skoliose, einer Wirbelsäulenerkrankung, leidet, es aufgrund altersbedingter Wehwehchen mittlerweile etwas ruhiger angehen lässt: „Ich habe mich vom Stagediving verabschiedet, mische mich zwar bei Shows immer noch gern unter die Leute, aber das mit dem Springen lasse ich sein. Ich bin ja nicht bescheuert. Es ist einfach zu gefährlich für meinen gebrechlicher werdenden Körper. Ich bin schon froh, dass ich überhaupt noch laufen kann.“ Wohl wahr, der „alte weiße Mann“ kann sich nach all den Drogenexzessen sowie (s)einem grundlegend ausufernden Lebenswandel in den Siebzigern glücklich schätzen, überhaupt noch unter den Diesseitigen zu weilen.

Foto: Promo / Vincent Guignet

Dass das Album seinem Ansatz geschuldet ein paar Tiefenschichten vermissen lässt und nicht ganz an Pops größte Meisterwerke herankommt, ist ein komplett zu vernachlässigender Nicht-Kritikpunkt, wenn Songs wie „Modern Day Rip Off“, quasi „Frenzy“ Teil 2, das auch den Asheton-Brüdern gefallen hätte, oder das vom ebenso verstorbenen Taylor Hawkins über die Serpentinen getrommelte „All The Way Down“ so viel Spaß machen. Das zwischen Spoken Word und Stadion-Melodiebogen changierende, Klimakrise mit L.A.-Swagger kombinierende „New Atlantis“, das ironisch zwischen Therapiesitzung und Tanzsaal swingende Minuten-Epos “The News For Andy” sowie der dezent proggige, gegen das korrupte Hollywood- und Musikbranchen-Babylon ätzende Closer „The Regency“, gegen den „Won’t Get Fooled Again” wie Kammermusik wirkt, schielen in Richtung Epik und untermauern endgültig den eigenen Schädel des dahinterstehenden Mannes. Ist es also verwunderlich, dass „Every Loser“ den musikalischen Blinker auf links legt und dermaßen auf die Überholspur zieht? Bei anderen 75-Jährigen wohlmöglich schon, aber Jim Osterberg, die olle Lederhose des Punk Rock, hatte ja schon immer zig Überraschungen in petto. So sitzt Iggy Pop, der untote Nihilist des Rock’n’Roll und neben Keith „Keef“ Richards der arschcoolste (noch lebende) Altvordere im Rock-Business, im Schnellzug der Rrrrrrockgeschichte da, wo er, Scheiße noch eins, eben will, und lässt sich höchstens von den eigenen Launen – oder seinem musikverrückten Kakadu Biggy Pop – von seinem Platz vertreiben. Da kann selbst ein ehemalige Formel-1-Weltmeister wie Nico Rosberg nur verdutzt auflachen.

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Olivia Barton


Olivia Barton ist eine Indie-Folk-Singer/Songwriterin aus Orlando, Florida, die nach ihrem Abschluss am Berklee College of Music nun in Nashville, Tennessee lebt. So weit, so Fakt. Dass die Newcomerin, welche kürzlich in den US of A auch einige Shows im Vorprogramm von Illuminati Hotties spielte, noch recht unbekannt ist, dürfte vor allem daran liegen, dass sich die Songs ihres 2019 erschienenen Debütalbums „I Could Have Smiled At You More“ vornehmlich auf eine Akustikgitarre und Bartons zarte Stimme beschränkten, mit welcher sie Texte vortrug, die sich mit einer Extraschippe Nahbarkeit fast wie intime Tagebucheinträge anhörten. Schon schön irgendwie – und doch allerdings auch so weit weg von einem größeren Publikum wie der aktuelle Coldplay’sche Output von ernstzunehmender nachhaltiger Musik. Ob sich das mit „This Is A Good Sign„, ihrer unlängst veröffentlichten zweiten Platte, für die sie sich mit den Produzenten Collin Pastore und Jake T. Finch (Lucy Dacus, Bre Kennedy, Hadley Kennary) zusammentat, ändert?

Nun, zunächst einmal fühlen sich auch Bartons neue Songs so an, als würde man in ihren Tagebucheinträgen stöbern: Mit allerlei emotionaler Tiefe und entwaffnender Ehrlichkeit legt sie dar, wie es sich anfühlt, in die eigenen Kämpfe als junge Erwachsene hineinzuwachsen. Wie bereits beim drei Jahre zurückliegenden Vorgänger bekommt man hier gitarrengetriebene Stücke mit klarem Gesang, begleitet von recht roher Lyrik, die den Hörer in die verletzlichsten Momente ihres Lebens entführen. In ihren eigenen Worten schreibt Barton Songs über „traurige Dinge, die sie nie vorhatte, Fremden zu erzählen“. Das Album beginnt mit „I Don’t Sing My Songs“, in dem die junge Musikerin die Alltäglichkeit ihres Lebens aufzeigt – all die Dinge, die sie tun sollte, aber nicht tut – untermalt von einem gleichmäßigen Gitarren- und Schlagzeugbeat. Sie singt „I miss everything about anything I had before now“, gibt zu, dass die Nostalgie sie zu verzehren scheint, wenn sie diesen Punkt in ihrem Leben erreicht, an dem sie eigentlich auf ihrem „Höhepunkt“ sein sollte, und setzt dieses Gefühl mit religiöser Schuld, vergangenen Traumata und Existenzialismus in Beziehung. Julien Baker, ick hör‘ dir trapsen.

Apropos Julien Baker: Ebenso wie selbige beschäftigt sich auch Barton mit den Kämpfen des Erwachsenwerdens und der Selbstdefinition außerhalb der Perspektive anderer – in diesem Sinne scheint „Playing Alone“ zur Albummitte der Höhepunkt dieses Gefühls zu sein, verziert mit sanftem Gesang, atmosphärischer Klavierbegleitung und einem nahezu pastoralen Klangoutfit, mit denen sich dieser Song wohltuend vom Rest des Werks abhebt. „Cartwheel“ hingegen ist ein Zwiegespräch mit ihrem inneren Kind: Sie gibt ihrem fünfjährigen Ich die Zuwendung, die sie zuvor vernachlässigt hat – „Light up / Tear up / Talk more / Cartwheel“. Die Erfahrung, eine Musikerin zu sein, ist ein weiteres verbindendes Thema auf dem Album: „I think in lyrics / I think in bad songs“ singt sie etwa in „Baby Pictures“, und „Have you been writing lately?… Nothing on the books yet / Writing is laborious“ in „I Don’t Do Anything“. Barton gibt den Hörer*innen einen Einblick in die Kämpfe, welche mit dem Künstlerdasein einhergehen, und schafft so eine intime Erfahrung mit dem lauschenden Gegenüber, wie alte Freunde, die sich zufällig über den Weg laufen.

In „Erotic“, einem Song, den Barton beinahe nie fertiggestellt hätte, ist sie am verletzlichsten, schließlich erzählt sie darin von einem sexuellen Übergriff, den sie in ihrer Jugend durch einem älteren Mann erlebte. Das Stück besteht nur aus Gitarre und Gesang, während sie sich poetisch entblößt und ihre Erfahrung anschaulich schildert: “Sparkling beneath your grip… I’m a woman in service to men”. In „White Knuckling“ beginnt sie mit Textzeilen, die das gesamte Album innerhalb weniger Worte zusammenzufassen scheinen („Is this a rite of passage / Or a bad one-woman show?“) und ringt obendrein nach dem Tod eines Freundes um Fassung. Dennoch gerät nicht jede der knapp 45 Minuten von „This Is A Good Sign“ derart deprimierend, denn Barton lässt im Laufe der Platte glücklicherweise immer wieder Hoffnungsschimmer auf all die guten Dinge, die der Albumtitel suggeriert, aufscheinen, denn schließlich wäre das Süße ohne das Saure nur halb so süß. Wohlmöglich klingt „Florida Honey“ genau deshalb im wahrsten Sinne des Wortes, als würde es mit seinem angenehm leichten Nineties-Songwriter-Pop-Vibe vor Honig triefen, wenn sie über ihren Partner singt? Dass man am Songtitel nicht gleich den kompletten Inhalt ableiten kann beweist „Antisocial“, das von Bartons Beziehung zu einer Frau handelt, die sie so glücklich macht, wie sie nur sein kann, egal wie unvollkommen beide sein mögen. Doch Männer hin, Frauen her – schlussendlich läuft’s doch immer auf die Selbstliebe hinaus, mit der sich auch Barton schwertut („I guess I don’t like being inside my body“), wenngleich sie im abschließenden Titelsong doch zumindest beschließt, es zu versuchen: “What if all this is a good sign? / When I let go and make space to try”.

Freilich hätte „This Is A Good Sign“ in instrumentaler Hinsicht ein wenig mehr Abwechslung gut zu Gesicht gestanden, hätten die zwölf Songs hier und da gern ein bisschen mehr aus dem Rahmen fallen und mehr mit Sound und Produktion experimentieren können. Andererseits darf Bartons Lyrik so auf der gesamten Platte glänzen, und ihre Erzählungen, ihre schöne Stimme und ihre Verletzlichkeit machen auch ihr zweites Album hörenswert. Freunde von Julien Baker, Lucy Dacus oder der frühen Sheryl Crow dürfen diesen Songs also gern mal ein Ohr leihen.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Dikembe – „All Got Sick“


Musik bewegt sich, wie alles andere auch, ziemlich regelmäßig in sich wiederholenden Zyklen. Was als das „nächste große Ding“, als der „neuste heiße Scheiß“ angepriesen wird, ist am Ende lediglich ein mehr oder minder interessanter Hype-Aufguss von etwas aus den vergangenen Jahren. So könnte man – liebe Freunde der härteren Gefilde – Doom Metal einfach als Black Sabbath-Riffs mit harschem Gesang abhaken. Oder Metalcore als Wiedergänger schwedischen Melodeaths mit Breakdowns und dezentem Blinzeln aufs Poppige. Ja, selbst der auf charmante Art und Weise lo-fi’ige Garage Rock à la The Strokes durfte längst sein Revival feiern. Glam Rock? The Darkness? Ach, reden wir nicht drüber… Und Emo? Auch längst „back in fashion“ gewesen. Jeder namhafte Blog, jede Musikwebsite, jeder fashionable selbstberufene Musikjournalist wurde ganz verrückt wegen jeder neuesten Welle von Bands, die vermeintlich Sunny Day Real Estate oder American Football gehört haben dürften. Der einzige Unterschied zwischen den Neunzigern und heute mag sein, dass sich die meisten dieser „modernen Emo-Bands“ nun auf andere Kapellen berufen. Jimmy Eat World? Nope, im Fall von Dikembe sind es viel eher Brand New.

Natürlich ist man da (vor)schnell geneigt, der vierköpfigen, 2010 gegründeten Band aus Gainesville, Florida (traditionell ja ein recht gutes Punkrock-Pflaster) simples Fanboy-Kopistentum zu unterstellen. Easy job, fair enough. Ganz gerecht wäre das jedoch nicht. So ganz einfach machen’s einem Dikembe aber andererseits auch nicht. Waren bei den zurückliegenden Alben, etwa „Mediumship“ (2014) oder „Hail Something“ (2016), an mancher Stelle auch indierockige Referenzen à la Manchester Orchestra (oder eben den Spurrillen anderer Emo-Revivalisten wie You Blew It!) zu vernehmen, wird der tief knicksende Fingerzeig auf Brand New und deren Spätwerk (man denke an „Daisy“ und Co.) mit dem neusten Album „Muck“ sogar noch offensichtlicher.

Dabei versprechen schon die ersten Töne des Intros “Sink” mit dem anschließend melancholisch rockigen “Wake” – verglichen mit dem vier Jahre zurückliegenden Vorgänger – einen qualitativ enormen Sprung nach vorn. Die Produktion der elf Stücke wirkt sehr druckvoll und ausgefüllt. Dadurch geht natürlich zum gewissen Teil der Lo-Fi-Charme früherer Releases verloren – auf der anderen Seite aber steigert das den Hörgenuss von schlichtweg guten Indierock-Songs, die sich allesamt, nebst eben Brand New, mit Einflüssen aus dem Post-, Emo- und Punkrock rumschlagen. Die erste Single “All Got Sick” dürfte dabei nicht nur aufgrund der ebenso befremdlichen wie aberwitzigen Musikvideo-Visualisierung als Mini-Hit gelten (nun, zumindest in einer besseren Welt) – über 50 bekannte Musikvideos und -filme wurden hier mit einer Refacing-App gehackt. Knackige drei Minuten, die wirklich kaum besser zu füllen sind. Eine mehr als runde Sache, welche sich auch auf die gesamte Spielzeit ausweiten lässt. Dikembe, benannt nach dem ehemaligen kongolesisch-US-amerikanischen Basketballspieler Dikembe Mutombo, legen auf “Muck” in Punkto intensive Grunddynamik ordentlich zu und füllen ihre im Gros gerade einmal drei Minuten kurzen Songs mit allerhand Gewicht und Inhalt. Die Band um Frontmann Steven Grey, der mit Stimme und Intonation Brand New-Sänger Jesse Lacey kaum näher stehen könnte, wirkt deutlich ernster und gewissenhafter – ganz anders als bei früheren Werken, bei denen Spielwitz und -freude oft auch schnell zu sehr übertrieben wurde. “Muck” schafft oft genug den Spagat zwischen Demut und Tiefe, ohne dabei Durchschlagskraft und Lockerheit zu verlieren. Besser sogar: Dikembe machen so nicht nur Spaß, sondern berühren auch. Songs wie “Throat”, “Barely A Sea”, “Living In The Walls” oder “Shame” können da einerseits ganz schön nach vorn rumpeln, besitzen andererseits trotzdem ordentlich emotionalen Tiefgang.

Und obwohl’s wie eine Phrase wirkt, trifft genau das eben auf „Muck“ zu: Musik wirkt immer dann besonders stark, wenn du die Gefühle dahinter einfach packen und für dich authentisch greifen kannst. In Dikembes Fall hat Frontmann Steven Grey all seine Trauer über den Verlust seiner Mutter, all seine Depressionen und sonstigen Dämonen in den Texten und Tönen von “Muck” verpackt und verarbeitet (Touché Amoré – ick hör‘ dir trapsen!). Das 35-minütige Ergebnis kann sich – Parallelen zu Brand New und Co. hin oder her – mehr als hören lassen – und hilft hoffentlich Grey dabei, schnell wieder Sonnenstrahlen zu sehen…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Denzel Curry – „Bulls On Parade“


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Freunden von Rage Against The Machine dürfte Denzel Curry mutmaßlich nicht unbedingt etwas sagen, schließlich hat sich 24-jährige Rapper aus Carol Bay, Florida bislang eher im Hip Hop einen Namen gemacht, zuletzt im vergangenen Jahr mit seinem dritten Album „TA13OO„.

Für die Cover-Song-Reihe „Like A Version“ des australischen (Online-)Radiosenders Triple J jedoch wagte sich Curry deutlich in den von Rage Against Machine bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2000 (die Live-Reunion 2007 lassen wir, da es – und das ausgerechnet bei dieser Band! – des schnöden Mammons wegen geschah, mal unter den revolutionären Planungstisch fallen) so unnachahmlich beschrittenen Crossover-Raprock vor: Mit Begleitband spielt er dort den RATM-Klassiker „Bulls On Parade“ von deren zweitem, 1996 erschienenen Album „Evil Empire“ – und liefert tatsächlich eine äußerst spektakuläre Version ab!

Die Studio-Band zieht das Tempo nochmal leicht an, hält sich ansonsten aber eng ans allseits bekannte Original, während Curry mit seinem ekstatischen Brüllen wohl selbst so manchen Metalband-Shouter in die Tasche steckt (und dem nicht eben alltäglichen Sprechgesangsstil von RATM-Fronter Zack de la Rocha alle Ehre erweist). Während des Gitarrensolos fügt er dann eine dritte, sich überraschend organisch in den heftigen Track integrierende Strophe hinzu, welche wiederum aus seinem Song „Sirens | Z1renz“ vom aktuellen Albums stammt, und in der unter anderem auch Donald Trump sein Fett weg bekommt. Amtlich. Phat.

 

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Copeland – „Pope“


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Irgendwann Mitte der Nuller-Jahre waren Copeland – zumindest jenseits des Atlantiks und in den heimischen US of A – so etwas wie eine kleine, feine Institution im emotional voran schreitenden Alternative Rock. Nach dem Split im Jahr 2008 folgte 2014 das Comeback mit dem fünften Studioalbum „Ixora„. Und danach: erneut eine lange Zeit der Funkstille…

41oC3P-W94L._SS500Nun melden sich die zum Trio geschrumpfte Band aus Lakeland, Florida mit einigen neuen Songs zurück, welchen im kommenden Februar das neue Langspielwerk „Blushing“ nachfolgen soll. Eines ebenjener neuen Stücke lautet auf den Namen „Pope“, und lässt erneut die Vermutung zu, dass es sich bei Copeland – und das wäre ja bei einer US-amerikanischen Band gar nicht mal so unüblich – um ein christlich motiviertes Kollektiv handele (dem allerdings hat Frontmann Aaron Marsh bereits vor einiger Zeit mit Erklärungen wie „It’s not our nature to have religious connotations. We are not a ministry band. We have some people in the band that are Christians, but that is not a focus of our band.“ einen Riegel vorgeschoben). Musikalisch lässt „Pope“ mit seinem melancholischen Dreampop-Intro und Schlussteil, welche einen zart ausfransenden Ausflug in postrockige Gefilde klammern, Feines für das kommende Album vermuten…

 

 

Rock and Roll.

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Zweieinhalb Minuten Youtube, Millionen gerührt – ein obdachlose Klavierspieler wird zum viralen Youtube-Hit


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Neben tapsigen Hunden, naseweisen Katzen, putzigen Babies oder tumben US-Rednecks entwickeln sich wohl am ehesten anrührende Geschichten zu viralen Youtube-Klickhits. Daran hat sich seit dem Siegeszug des weltweiten Netzes höchstens geändert, dass Bilder nicht mehr Tage, sondern nur noch Sekunden brauchen, um sich von Rio de Janeiro bis Novosibirsk zu verbreiten. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben – Menschen lieben einfach voyeuristische, vor Pathos triefende Schlüssellochszenen, die sie für Momente aus ihrer eigenen Tristesse heraus holen.

Eine dieser „Szenen“, die sich jüngst zum viralen Klickhit gemaustert haben, zeigt einen Obdachlosen, der sich vor einigen Tagen an ein öffentliches Piano in Sarasota, Florida setzte, um ein paar Takte zu klimpern… Obwohl: klimpern? Vielmehr legt der Herr, Donald Gould, eine amtlich zu Herzen gehende, exzellente Covervariante der 38 Lenze jungen Styx-Schmonzette „Come Sail Away“ in die schwarzen und weißen Tasten. In Smartphone-Zeiten bleiben solche Momente freilich kaum undokumentiert, und schon bald ist der vormals namenlose 51-jährige Umherziehende eine respektable Internet-Persönlichkeit, dem diese zweieinhalb Minuten Youtube-Fame immerhin Berichterstattungen in Nachrichtensendungen, ein – offenbar gern angenommenes – Makeover und eine wahre Flut hilfsbereiter Spender eingebracht haben (neben bislang über 12 Millionen Klicks).

Mein erster Gedanke, als ich auf dieses Video stieß, mag zwar kaum pathetischer als der der meisten Youtube-Klicker erscheinen, trifft jedoch – zumindest für mich – den Moment ganz gut: Zumeist kann man Menschen, die einem Tag für Tag begegnen, zwar in die Augen, jedoch selten ins Herz schauen…

 

 

 

 

Rock and Roll.

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