Mipso, anyone? Nope, die Band war auch mir bis kürzlich kein Begriff, und auch nicht, dass sie eine tatsächlich verdammt schöne Interpretation des David Bowie-Evergreens „Modern Love“ in petto haben.
Das Quartett stammt aus Chapel Hill, North Carolina und trällert von da aus seit nunmehr einer Dekade Songs, die irgendwo zwischen Bluegrass, Alt.Country, Americana und Indie Folk angesiedelt sind. Außerdem verstehen sich Wood Robinson, Libby Rodenbough, Jacob Sharp und Joseph Terrell anscheinend ausgezeichnet aufs Covern von Stücken anderer Bands sowie Künstler*innen – egal, ob selbige nun von Death Cab For Cutie, Robyn, Paul Simon oder eben David Bowie stammen. Aber zurück zu „Modern Love“. Während der „Thin White Duke“ dem 1983 erschienenen Original – passend zum dazugehörigen Album „Let’s Dance“ – eher eine Nachtclub-Atmosphäre zuwies, siedeln Mipso ihre Version vielmehr im loungigen-entspannten Coffeeshop an (also da, wo’s tatsächlich nach Röstaromen rieht und lediglich die Kaffeemaschinen dampfen). Feine Sache, feine reduzierte Coverversion – die nicht nur den Text in ein etwas anderes, fast schon melancholisches Licht rückt, sondern außerdem beweist, dass Bowie auch abseits von irgendwelchen Pandemie-Memes zeitlose Relevanz besitzt.
(Hier findet man bei Interesse übrigens weitere tolle Coverversionen von allseits bekannten David Bowie-Gassenhauern…)
Ohne Frage, die Dame versteht was von der hohen Cover-Kunst! Miley Cyrus, die in der Öffentlichkeit wegen ihrer Auftritte, Internetpräsenz und Skandälchen in der Vergangenheit oftmals unter Kritik stand (man denke nur an das legendäre Abrissbirnen-Musikvideo vor knapp zehn Lenzen), zeigt bei ihrer Version des Cranberries-Evergreens „Zombie„nahezu alle Facetten ihrer zweifellos gewaltigen Stimme. Ohne sich zu weit aus dem digitalen Fenster hinaus zu lehnen darf man durchaus behaupten, dass das Cover locker mit dem Original mithalten kann – das finden auch The Cranberries selbst. Die twittern kurz nach Erscheinen, dass es sich um eine der besten Versionen handele, die sie je gehört haben. Und weiter: „Dolores wäre beeindruckt.“ Wow. Kann ein Kompliment – selbst wenn es lediglich im Namen der 2018 verstorbenen Frontfrau gemacht wurde – noch größer ausfallen? Unzählige Interpret*innen haben sich bereits an dem 1994 erschienenen Song versucht, viele sind – mal mehr, mal weniger krachend – gescheitert. Miley Cyrus definitiv nicht.
Das Konzert, bei welchem die Coverversion zum Besten gegeben wurde, fand im Jahr 2020 im Rahmen der dreitägigen„Save Our Stages„-Veranstaltung statt, eine Benefizkonzert-Reihe, die Veranstaltungsorte für Live-Musik während der Corona-Pandemie unterstützen soll. Die Spendenerlöse werden durch den Nothilfefonds der National Independent Venue Association (NIVA) verteilt. Miley coverte am gleichen Abend im legendären Whiskey A Go-Go in Los Angeles auch „Boys Don’t Cry“ von The Cure und gab außerdem ihren eigenen Song „Midnight Sky“ zum Besten. Die 30-jährige Sängerin mit recht berühmtem Vater, noch berühmterer Patentante und Disney-Vergangenheit hatte in der Vergangenheit schon öfter mit Coverversionen von Rock-Klassikern auf sich aufmerksam gemacht – von Led Zeppelins „Black Dog“ über „Comfortably Numb“ von Pink Floyd bis hin zu Dolly Partons „Jolene„. Letzteres wiederum stammt von den „Backyard Sessions„, bei denen sich Miley Cyrus 2020 unter anderen „Communication“ von den Cardigans, „Sweet Jane“ von The Velvet Underground oder „Just Breathe“ von Pearl Jam vornahm oder sich fünf Jahre vorher für ihren Take von Joan Jetts „Androgynous“ ebenjene sowie Against Me!-Frontfrau Laura Jane Grace mit ans Mikro holte. Jopp, bei dieser Qualität werden Cyrus‘ eigene Songs manchmal glatt nebensächlich…
Mehr als ein stolzes halbes Jahrhundert ist John Lennons überlebensgroße Friedensbotschaft „Imagine“ nun schon alt – und irgendwie scheint ein zu großer Teil der Weltbevölkerung (oder eben die falschen) die darin enthaltenen gleichsam optimistischen – und daher auch recht utopischen – Botschaften nicht kapiert zu haben. Klares Ding: da kann selbst dessen ex-beatle’esker Schöpfer in caelo schonmal ausrasten. Easy, John – die Welt mag ja schon irgendwie am Arsch sein. Aber wie sangst du selbst damals in „Watching The Wheels„: „I’m just sitting here watching the wheels go round and round / I really love to watch them roll / No longer riding on the merry-go-roundI just had to let it go / I just had to let it go“. Solange nicht auch noch ein riesiger Meteorit die Erde aus ihrer Umlaufbahn schmeißt, wird auch morgen wieder die Sonne aufgehen…
Norah Jones juckt es derzeit mächtig in den Fingern. Nachdem die US-Musikerin wegen der Corona-Pandemie über ein Jahr lang keine Konzerte vor Live-Publikum geben konnte, brennt auch sie förmlich darauf, endlich wieder auf Tournee gehen zu können. Sie wartet nur noch auf ihre zweite Impfdosis und grünes Licht für die Konzertbranche. “Ganz gleich, ob wir nun Musiker oder Fans sind, wir alle vermissen das gemeinsame Erlebnis von Live-Musik”, sagt die neunfache Grammy-Gewinnerin, die vergangenes Jahr für ein Duett mit Mavis Staples ihre nunmehr 17. Nominierung erhielt. “Ich werde auf meiner Facebook-Seite jede Woche auf ein andere Wohltätigkeitsorganisation hinweisen, um den Leuten Respekt zu zollen, die unermüdlich hinter den Kulissen der Live-Musikindustrie gearbeitet haben und deren Jobs auf Eis gelegt wurden. Ich kann es kaum erwarten, wieder mit ihnen allen zusammen zu sein.” Fans von Live-Musik geht es natürlich kaum anders.
Ein bisschen werden sie sich aber voraussichtlich doch noch gedulden müssen. Da kommt ein exzellent aufgenommenes Live-Album der 42-Jährigen, bei der sich Pop-Gelehrte wie Kritiker – mehr als zwanzig Jahre im Musikgeschäft, so einige Nummer-Eins-Alben, zig Auszeichnungen und etwa 35 Millionen verkaufte Tonträger hin oder her – noch immer streiten, ob das einstige Wunderkind nun Jazz, Pop, Soul oder „Adult-Music“ (was böse Zungen wohl gern mit „Fahrstuhlmusik“ übersetzen würden) macht, gerade recht. Auf „‘Til We Meet Again“ – ganz nebenbei tatsächlich das erste wirkliche Live-Album der vielseitigen Pianistin, Sängerin und Gelegenheitsschauspielerin – gibt es so nicht nur einige ihrer größten Hits zu hören, sondern auch eine ebenso überraschende wie bewegende Coverversion von Soundgardens “Black Hole Sun“ (welche vor einiger Zeit aus gegebenem Anlass bereits Platz auf ANEWFRIEND fand).
Die erzwungene Auszeit im vergangenen Jahr nutzte Norah Jones, die obendrein noch einen recht berühmten Vater hat, um sich durch Mitschnitte ihrer Konzerte der zurückliegenden acht Jahre zu hören. Besonders angetan war sie von einigen Aufnahmen, die im Dezember 2019 – also kurz vor Beginn der Corona-Pandemie – bei Auftritten in Südamerika entstanden waren. “Es war einfach ein tolles Gefühl, vor allem, weil wir keinen Zugang zu Live-Musik hatten und nicht auftreten konnten”, verriet sie „grammy.com“ unlängst in einem Interview. “Deshalb wollte ich die Aufnahmen rausbringen.” Mit den Musikern ihrer Band durchkämmte die New Yorkerin dann ihre Konzertarchive nach Aufnahmen, die sie mit ähnlichen Besetzungen gemacht hatte, um wirklich die besten Versionen der gespielten Songs herauszufiltern. Das Ergebnis präsentiert sie nun auf der Zusammenstellung “‘Til We Meet Again”, die bei einer Laufzeit von fast 76 Minuten vierzehn Songs und einen wunderbaren Querschnitt durch Norah Jones‘ bisherige Karriere enthält, darunter offensichtliche Hits wie “Don’t Know Why”, “Sunrise” oder “Flipside” sowie Titel aus ihrer 2018/19 veröffentlichten Singles-Serie.
Die eine Hälfte der Aufnahmen stammt von besagter Südamerika-Tournee, die Norah Jones, Bassist Jesse Murphy und Schlagzeuger Brian Blade unter anderem nach Rio de Janeiro, São Paulo und Buenos Aires geführt hatte. In Rio präsentierte das Trio als Gäste zwei bestens bekannte brasilianische Musiker – den Perkussionisten Marcelo Costa (Mariza, Maria Bethânia, Michael Bublé) und den Flötisten Jorge Continentino (Bebel Gilberto, Milton Nascimento, Brazilian Girls) – sowie ihren alten Songwriting-Partner und Gitarristen Jesse Harris. Harmonisch kombiniert wurden diese sieben Aufnahmen mit sechs weiteren, die Jones im Jahr zuvor mit dem Hammond-Organisten Pete Remm, Bassist Chris Thomas und wiederum Brian Blade am Schlagzeug in den USA, Frankreich und Italien gemacht hatte.
Den krönenden Abschluss bildet die wahrlich unter die Haut gehende Solodarbietung von Soundgardens “Black Hole Sun”. Norah Jones‘ von Herzen kommende (und genau dahin gehende) Hommage an Chris Cornell wurde am 23. Mai 2017 im Fox Theatre in Detroit aufgenommen – nur fünf Tage nach dem Tod des Soundgarden-Frontmanns, der am 17. Mai 2017 am selben Ort sein letztes Konzert mit der Band gegeben hatte. Vor ihrem Auftritt hatte Norah Jones in ihrer Garderobe den ganzen Tag über an dem Arrangement des Songs herumgefeilt. “Ich war ein bisschen nervös”, gibt sie zu. “Aber ich dachte: ‘Ich werde ihm meinen Respekt erweisen und diesen Song von ihm spielen.’” Das Publikum stand vor lauter Begeisterung kopf, als es die Nummer nach dem Klavier-Intro endlich erkannte. “Es war wahrscheinlich einer der schönsten Live-Momente, die ich je erlebt habe”, erinnert Jones sich. “Ich weiß nicht, ob sein Geist im Raum war oder was auch immer, aber er hat mich auf eine Art durch diesen Song getragen, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.” Ergreifend. Gelungen. Soulful.
Die aus Austin, Texas stammende Band Los Coast hat eine gemeinsam mit Gitarrist Gary Clark Jr. aufgenommene Coverversion von „A Change Is Gonna Come“ veröffentlicht. Ihre Variante des Sam Cooke-Evergreens folgt ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Psychedelic-Alt.Soul-Debütalbum „Samsara„, über welches der „Rolling Stone“ schrieb, dass dieses „den funky 1970ern zunickt und den Gospel-beeinflussten Gesang von Frontmann Trey Privott mit stetigen Grooves, fettem Keyboard und Wolken von Hall mischt.“ Aufgrund ihrer hypnotisierenden Live-Auftritte als Support von Gary Clark Jr., St. Paul & The Broken Bones und anderen, die der Band einiges an Aufmerksamkeit einbrachten, schrieb „NPR“: „Man mag nicht in der Lage sein, ihrem Sound ein Evergreen-Label aufzudrücken, aber die fünf Musiker werden sicherlich Ihren Puls in die Höhe treiben und Ihr Hinterteil im Handumdrehen zum ‚Schütteln‘ bringen.“ Mit ihrer Mischung aus Genres wie R&B, New Wave, Funk und Weltmusik haben Los Coast einen Sound geschaffen, der ihre enormen Einflüsse widerspiegelt und sie dabei zu etwas Einzigartigem macht.
Nun also feierte ihre Version von „A Change Is Gonna Come Come“ mit Gary Clark Jr. an den Saiten Premiere – eine durchaus dem Zeitgeist angepasste, aber ebenso bewegende und kraftvolle Interpretation des Cooke-Klassikers von 1964. In einem Gespräch mit „SPIN“ sagte Los Coast-Frontmann Trey Privott: „Wir haben uns letztes Jahr entschieden, unsere Version dieses Songs zu machen. Ich glaube, wir waren der Ansicht, dass wir, anstatt einen eigenen Song zu schreiben, viel lieber den Größen vor uns Tribut zollen wollten. Unser Produzent Jacob Sciba und ich begannen also mit der Arbeit an einigen Cover-Ideen. Wir dachten: ‚Lasst uns etwas von Sam Cooke nehmen!‘ Meiner Meinung nach ist er einer der besten Sänger der Geschichte, und ich habe seine Songs gesungen, seit ich 16 war. Wir waren Anfang des Jahres mit Gary Clark Jr. auf Tournee, und wir hatten beschlossen, dass wir bald gemeinsam an etwas arbeiten sollten. Jacob nahm Kontakt zu ihm auf, um zu sehen, ob er mitmachen wollte – und er sagte zu! Nachdem wir fertig waren, spielte Gary diese Benefizveranstaltung namens ‚Voices for Justice‘ mit The Chicks. Es war eine Benefizveranstaltung, um Menschen, die zu Unrecht für Verbrechen verurteilt worden waren, die sie nicht begangen hatten, Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Danach erzählte mir Gary eine Geschichte über diesen Mann, der ihn aus dem Gefängnis anrief. Der Mann erzählte ihm, er habe sich jeden Tag ‚A Change Is Gonna Come‘ angehört, um die Hoffnung aufrechtzuerhalten, während er im Gefängnis saß. Solche Menschen gibt es überall in den Vereinigten Staaten in unserem Gefängnissystem. Darum geht es in dem Song. Er ist ein Schrei nach Gleichheit im Justizsystem. Er ist ein Plädoyer für eine faire Chance auf den amerikanischen Traum.“
Alle Einnahmen aus der Veröffentlichung von „A Change Is Gonna Come“ kommen DAWA zugute. Auf der Website der Organisation heißt es: DAWA ist ein Sicherheitsnetz für farbige Menschen, die sich in einer kurzfristigen Lebenskrise befinden. Genauer: für farbige Menschen, welche als Musiker, Künstler, Sozialarbeiter, Lehrer, Heilpraktiker oder in der Dienstleistungsindustrie arbeiten. Denn dies sind die Menschen, die tagtäglich hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten und ihr Bestes geben, um anderen zu helfen – und dabei selbst oft das höchste Risiko für eine Krise der psychischen Gesundheit tragen.
Wenn alte Freunde mal eben die nächste „Indierock-Supergroup“ gründen…
Dabei kennen sich Paul Banks und Josh Kaufman seit ihren Teenagerjahren, die Familien der beiden lebten eine Zeit lang in Madrid, wo die beiden die gleiche Schule besuchten und sich gemeinsam an der Gitarre übten. Zurück in den USA, starteten Banks und Kaufman jedoch recht unterschiedliche, unabhängige Karrieren in der Musikszene von New York: ersterer seit 1997 als Sänger der Neo-Post-Punk-Größen Interpol, Kaufman als Mitglied der Indie-Folk-Band Bonny Light Horseman sowie als Musiker und Produzent für Bands wie The National, The War On Drugs oder The Hold Steady. Dass die beiden bislang kaum kooperiert haben, sei vielmehr eine Laune des Schicksals, wie Banks feststellt: „Falls es tatsächlich Paralleluniversen gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass in einem Josh und ich seit Jahren eine Band zusammen haben.“ Dass es auf diesem Planeten anders kam, lag schlichtweg am Timing: „Als ich nach New York kam, suchte ich keine Band, sondern wollte eigentlich als Solokünstler durchstarten“, erinnert sich Paul Banks. Zu Interpol kam er schließlich, weil er auf einen anderen alten Bekannten traf: Daniel Kessler, einst Mit-Student bei Auslandssemestern in Paris, der wohl damals einfach eher zur Stelle war als Josh Kaufman.
Aber besser spät als nie: Mit Muzz gibt es nun endlich die gemeinsame Band. Der Dank dafür geht an den dritten Mann im Bunde, Matt Barrick, früher Schlagzeuger von Jonathan Fire*Eater und The Walkmen sowie regelmäßiger Tour-Drummer bei den Fleet Foxes. „Ich halte ihn für einen der besten Rock-Schlagzeuger der Welt“, schwärmt Banks – und nennt auch gleich einen Beweis für seine These: Niemand sei in der Lage, sich beim Hören des Walkmen-Hits „The Rat“ nicht zu bewegen. Banks und Barrick entwickelten im vergangenen Jahr die Idee, eine Band zu gründen, um zeitlose Musik zu produzieren und eine Platte aufzunehmen, „der man es nicht anhört, ob sie 1970, 1990 oder 2020 produziert worden ist“, wie Banks sagt. Als es darum ging, aus dem Duo ein Trio zu machen, brachte Barrik den Namen Josh Kaufman ins Spiel, worauf Banks erwiderte: „Das ist eine hervorragende Idee!“
Nun gibt es sie also, die Gruppe, die sich in einem Paralleluniversum vielleicht längst etabliert hat. Sie trägt den Namen Muzz. „Josh hat das Wort erfunden, er beschreibt damit den Klang unserer Musik“, sagt Banks. Phonetisch liegt der Begriff zwischen „muzzy“ (dt.: benebelt) und „fuzz“, also verzerrten Gitarren. Und das Wort trifft ganz gut, was diese Band auf ihrem in verschiedenen Studios in Philadelphia und New York aufgenommenem Albumdebüt bietet: Ganz zu durchdringen ist diese überaus organische Musik nie, aber sie wabert andererseits auch keineswegs kraftlos dahin. Das ist tatsächlich der Verdienst aller drei Bandmitglieder: Banks singt wärmer und melodieverliebter denn je, Barrick zeigt, dass enorm talentierte Rock-Schlagzeuger nicht immer direkt nach Rock-Schlagzeugern klingen müssen, und Kaufman beweist, dass er ein fantastisches Gespür für Arrangements und Klanggestaltung besitzt. Spät haben sie sich gefunden, die drei, aber die gemeinsame Musik klingt so zeitlos, dass das nichts zur Sache tut.
Gleich im ersten Song „Bad Feelings“ klingt Paul Banks‘ markant brüchige Stimme so schön schwer und angenehm nah, dass man glaubt, man befände sich – ganz anders als sonst bei den oft so unterkühlten Kellerkindern Interpol – im heimischen Wohnzimmer des umtriebigen Musikers, der abseits seiner Hauptband als Julian Plenti auch gern schon mal Solo- sowie mit Wu-Tang-Klan-Rapper RZA als Banks & Steelz auch experimentellere Pfade verfolgt. Ein durchaus formidabler Einstieg, den Muzz jedoch noch mehrfach steigern – und zwar schon in den direkt darauf folgenden Songs „Evergreen“, dessen erste dreißig Sekunden an die Anfänge von Beach House-Stücken wie „Myth“ oder „Space Song“ erinnern, und „Red Western Sky“, einem formidablen Indie-Rock-Song mit fabelhaften Matt-Berninger-Momenten (außerdem dürfte „Everything Like It Used To Be“ wohl eines der besten The National-Stücke sein, die deren Frontmann selbst nicht kennt). Selbst alle, die auf Interpol-artige Musik hoffen, finden diese im herzlich-ruppigen Stück „Knuckleduster“ (wenngleich der Rest der Platte einen anderen, dezent Americana-lastigen Geist atmet).
In ihren Songs sinnieren Muzz über seelische Gesundheit und über das Streben nach Glück. Über „Broken Tambourine“, ein Stück, das einen mit sanften Klavierklängen und dezentem Vogelzwitschern empfängt, sagt Banks: „Der Song ‚Broken Tambourine‘ handelt, kurz gesagt, von Traurigkeit und Freude und der ungleichmäßigen Verteilung dieser Elemente.“ Hört sich irgendwie bekannt an? Tatsächlich wirkt die erste gemeinsame Platte von Paul Banks, Josh Kaufman und Matt Barrick an mancher Stelle wie ein Artefakt aus den späten Sechzigern, wie eine superwarme LP von The Velvet Underground, die bislang noch niemand außer Griesgram Lou Reed entdeckt hat. Durch die Songs schimmert jedoch ebenso die mollige Weichheit der besten Psychedelic-Momente von Mazzy Star, die Wüsten-Klangmalereien von Calexico, das Traditionsbewusste des Duos She & Him, die Shoegazer-Atmosphäre von Slowdive, die Intimität samtener Soul’n’Jazz-Alben oder – fast schon logisch – ein wenig von der besinnlichen Romantik von The National.
Sehr empfehlenswert sind übrigens auch die in Quarantäne entstandenen (Akustik-)Videos zu „Bad Feelings“ und „Trinidad„, dem letzten Stück des Albums. Heimliche Stars darin: Ein Topf abgerupfter Petersilie in Paul Banks‘ Küche und die auf einer großen Wiese stehende, ausgeschaltete Nathan Coley-Leuchtschrift-Skulptur „There will be no miracles here“. Denn in etwa so klingen auch Muzz: anrührend, melancholisch und sehr nah. Musik, die im Dunkeln leuchtet.