
Barbara Pravi trat mit ihrem Song „Voilà“ beim 65. Eurovision Songcontest für ihr Heimatland Frankreich an und gehörte damit bereits von Anfang an zu den großen Favorit*innen des Wettbewerbs. Im Finale in Rotterdam vor zwei Tagen konnte sie zwar die Fachjurys der Teilnehmerländer für sich gewinnen, beim europäischen Publikum durfte jedoch vor allem die italienische Glamrock-Band Måneskin abräumen, welche sich am Ende des Abends mit ihrem Song „Zitti e buoni“ auch den Sieg holte. Für Pravi, der nicht wenige wohl den Sieg ebenso gewünscht wie gegönnt haben dürften, sprang dennoch ein toller zweiter Platz heraus – aber das war noch längst nicht alles. Bereits einige Stunden nach dem großen ESC-Finale kletterte „Voilà“ an die Spitze vieler europäischer Charts, so unter anderem auch in Deutschland.
Die 27-jährige Pariser Sängerin mit serbischen und iranischen Wurzeln, die so vielfältige Künstler*innen wie Barbara, Jacques Brel, Georges Brassens, Françoise Hardy oder Louis Aragon zu ihren Einflüssen zählt, konnte in den letzten Jahren vor allem in ihrer französischen Heimat mit Songs wie „Je sers“, „Louis“ oder „Pas grandir“ Fans für sich gewinnen. Ihre Karriereanfänge lesen sich allerdings doch schon etwas klischee’esker: So sang sie im Januar 2016 „On m’appelle Heidi“ für die französische Version des Films „Heidi„, der im selben Jahr in den dortigen Kinos anlief. Ihren ersten Plattenvertrag hatte sie da schon in der Tasche. Danach erhielt Pravi die Rolle der Solange Duhamel im Musical „Un été 44„. Wen wundert’s, dass sie vor allem für ihre stimmliche Darbietung äußerst positive Kritiken erhielt… Dennoch bewahrt sich die kreative Chanteuse, die in der Vergangenheit bereits auch als Songwriterin für Musiker wie Yannick Noah, Julie Zenatti, Chimène Badi, Angélina Nava oder Jaden Smith (ja, der Sohn vom Smith-Will) tätig war, Eigenständigkeit wie Eigenwilligkeit. Sie schreibt ihre Texte zumeist selbst und lehnt diese nicht selten an wahre Begebenheiten an. So handelt beispielsweise „Deda“ von der Geschichte ihrer Familie oder „CHAIR“ von einer Abtreibung. Fürwahr nicht eben leichte Pop-Alltagskost…
Beim ESC 2021 nun also zeigte sie sich der ganzen (Musik)Welt. „Voilà“ – Das ist Barbara Pravi! (Übrigens ist ihr der ESC nicht gänzlich fremd, denn die Musikerin hat den Song “J’imagine” mitgeschrieben, mit dem die Sängerin Valentina im vergangenen Jahr den „Junior Eurovision Song Contest“ gewann.) Mit ihrem Stück, welches an die ganz Großen des modernen Chanson française wie etwa die ewige Edith Piaf erinnert, stach sie auch ohne jegliches Show-Tam-tam aus der bunten, breit gefächerten Vielzahl der 26 Teilnehmer hervor. Nicht, weil ihr Lied so gnadenlos perfekt durchproduziert, so poppig-eingängig gewesen wäre (in diesem Punkt taten sich eher Litauen oder Griechenland hervor). Jedoch vielmehr, weil Pravi den gemeinsam mit zusammen Igit und Lili Poe geschriebenen Song mit einer Leidenschaft vortrug, bei der ihr das Chanson gewordene Herzblut aus jeder Wuschelfisur-Faser, jeder Pore drang – da musste man nicht einmal den (zugegebenermaßen durchaus formidablen) französischen Text verstehen, um das Herzeleid zwischen den Zeilen fühlen zu können. Und auch wenn ihre bisherigen drei Alben – aller künstlerischen Vielfalt, allem Anspruch zum Trotz – bisher wenige Stücke einer ähnlich berührenden Güteklasse bieten, so sollte man Barbara Pravi in Zukunft auf dem Schirm haben und durchaus gespannt auf weitere Einblicke in das Herz der jungen Französin sein…
„Écoutez moi
Moi la chanteuse à demi
Parlez de moi
À vos amours, à vos amis
Parler leur de cette fille aux yeux noirs et de son rêve fou
Moi c’que j’veux c’est écrire des histoires qui arrivent jusqu’à vous
C’est tout
Voilà, voilà, voilà, voilà qui je suis
Me voilà même si mise à nue j’ai peur, oui
Me voilà dans le bruit et dans le silence
Regardez moi, ou du moins ce qu’il en reste
Regardez moi, avant que je me déteste
Quoi vous dire, que les lèvres d’une autre ne vous diront pas
C’est peu de chose mais moi tout ce que j’ai je le dépose là, voilà
Voilà, voilà, voilà, voilà qui je suis
Me voilà même si mise à nue c’est fini
C’est ma gueule c’est mon cri, me voilà tant pis
Voilà, voilà, voilà, voilà juste ici
Moi mon rêve mon envie, comme j’en crève comme j’en ris
Me voilà dans le bruit et dans le silence
Ne partez pas, j’vous en supplie restez longtemps
Ça m’sauvera peut-être pas, non
Mais faire sans vous j’sais pas comment
Aimez moi comme on aime un ami qui s’en va pour toujours
J’veux qu’on m’aime parce que moi je sais pas bien aimer mes contours
Voilà, voilà, voilà, voilà qui je suis
Me voilà même si mise à nue c’est fini
Me voilà dans le bruit et dans la fureur aussi
Regardez moi enfin et mes yeux et mes mains
Tout c’que j’ai est ici, c’est ma gueule c’est mon cri
Me voilà, me voilà, me voilà
Voilà, voilà, voilà, voilà
Voilà“
(Wer dem Französischen nicht mächtig ist, der findet hier eine deutsche Übersetzung…)
Rock and Roll.