
Foto: Promo / Andreas Hornoff
Kettcar legen nach: Eineinhalb Jahre nach ihrem aktuellen, fünften Album „Ich vs. Wir“ veröffentlichen die fünf Hamburger Indierock-Veteranen um Marcus Wiebusch mit der EP „Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)“ fünf neue Songs, die die Perspektive des Albums um den Blick für die Details ergänzen. Zur ersten Single „Palo Alto“ gibt es schon jetzt ein Musikvideo, in dem verschiedene Verlierer der Digitalisierung in einem Waschsalon aufeinander treffen…
Ein Kulturjournalist, ein Plattenladenbesitzer, ein Bankangestellter und ein ehemaliger Pornostar – Kettcar lassen im Video zu „Palo Alto“ vier Beispiele dafür auftreten, wie die Digitalisierung manchen Berufsgruppen nicht nur die Lebensgrundlage unter den Füßen wegspült oder schon weggespült hat, sondern auch ein Stück Würde und Stolz. Vinyl und Geldbündel landen dabei symbolisch in den großen Waschtrommeln, bevor die ungleiche Gruppe ins kalifornische Mekka der Digitalbranche aufbricht, um sich gegen die Computermaschinen-Vorherrschaft aufzulehnen: „Und wenn die vom Jobcenter fragen / Kannst du ihnen sagen: Wir sind unterwegs mit allem was wir haben / Die Algorithmen zu zerschlagen / Und dass die Benzinkanister und Streichhölzer uns gehören / Burn, Palo Alto, burn!“
Während Kettcar im Kontrast zum Text dabei auf den aufgeweckten, poppigen, zum Refrain die Bläser auspackenden Indierock setzen, der auch schon ihr Album „Ich vs. Wir“ im Gros auszeichnete, gibt es am Ende noch einen kleinen Schlag in die Magengrube: Sänger Marcus Wiebusch findet sich in einer überwachten Psychiatrie-Zelle wieder, dabei wollte er laut seinem leicht düsteren Sprechgesang „nur wissen, was hinter diesem Spiegel ist, und wirklich nicht, dass er zerbricht / Wollt mich nicht schneiden mit der Scherbe, dass die Erde aufhört sich zu drehen, und dass sie mich dann mitnehmen“ – für die von der schönen neuen digitalen Arbeitswelt wieder Ausgespuckten ist der Grat zwischen dem Sturz in psychische Erkrankungen und verständlicher Wut auf die Digitalisierungsgewinner schmal.
Der Song erscheint zusammen mit vier weiteren Stücken auf der EP „Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)“, die schon im Titel an das vorherige, die großen politischen Fragen unserer Zeit fokussierende Album anschließt und diesem die Mikro-Perspektive nah an den Menschen gegenüberstellen will. Die Mini-Platte erscheint digital am 15. März, außerdem kommt sie am 17. Mai dann auch noch als 10-Inch-Vinyl.
Besonders gespannt sein dürfen Fans unter anderem auf den ebenfalls auf der EP enthaltenen Song „Scheine in den Graben“, der kritische Fragen zur Moral und Notwendigkeit von (öffentlichkeitswirksamer) humanitärer Hilfe stellt – und das mit illustrem Personal: Als Gäste sind im Verlauf des Songs Schorsch Kamerun von Die Goldenen Zitronen, Jen Bender von den Electro-Trashern Großstadtgeflüster, Die Ärzte-Schlagzeuger Bela B., Jörkk Mechenbier von Love A, Rapperin Sookee, Kraftklub-Sänger Felix Brummer, Marie Curry von den Hamburger HipHoppern Neonschwarz, Gisbert zu Knyphausen, Safi und David Frings von Fjørt zu hören. Könnte was geben…
Rock and Roll.