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Song des Tages: Clueso – „Wenn ein Mensch lebt“


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Klar, zu Clueso, seinen Songs und seinem Werdegang hin zu größerem Publikum und massenkompatiblen Konzert-Venues darf man freilich (s)eine dezidierte, gern auch differenzierte Meinung haben. So richtig scheiße kann man ihn jedoch kaum finden.

Denn immerhin ist der so oft, so freundlich-milde popmusikende Liedermacher, anno 1980 als Thomas Hübner in Erfurt zur Welt gekommen, der einst (und – gerade im Rückspiegel – noch recht unbeholfen) im Rapfach anfing und sich seine zumeist auf melancholischen Balladen und Feelgood-Stücken gebaute Publikums-Fanbase stetig erarbeitet hat, ein Guter. Einer ohne Allüren und großes Tamtam. Sagt man, weiß man. Da mag ein Großteil der letzten Nummer-eins-Alben zwar schnurstracks am eigenen Ohr und Hörerherz ohne bleibende Eindrücke vorbei gerauscht sein (zuletzt „Neuanfang“ von 2016) und sich die Zielgruppe hin zu jüngeren Gefilden bewegt haben. Der Typ bleibt trotzdem ein Sympath.

0602567770794Das zeigt etwa die Clueso’sche Coverversionen des Puhdys-Klassikers „Wenn ein Mensch lebt„, welche der 38-jährige Pop-LiedermacherRapperProduzentenAutor in Personalunion bereits seit Jahren hin und wieder auf seinen Konzerten zum Besten gibt, und nun erstmals auch auf Platte veröffentlicht: auf dem nun erscheinenden neuen Album „Handgepäck I„, welches im Gros Lieder versammelt, die einfach nicht auf vorangegangene Alben passten, der Künstler selbst jedoch nicht als „Outtakes“ verstanden wissen möchte.

Sehr behutsam, ja fast ehrfürchtig-zärtlich nimmt sich Thomas „Clueso“ Hübner den 1974 erschienenen und durch den DEFA-Film „Die Legende von Paul und Paula“ bekannt gewordenen Song der *hust* „DDR-Kult-Band“ zur Brust und reduziert ihn mithilfe seiner Akustischen aufs Nötigste, sodass der ewig wunderschöne, von Liebe und Vergänglichkeit erzählende Text sogar noch besser und deutlicher als im Original zum Vorschein kommt.

Ist halt ein Guter, der Cluesen.

 

Hier eine Version, welche Clueso 2015 für die MDR-Reihe „Soundtrack Deutschland“ in Bild und Ton zum Besten gegeben hat:

 

„Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt
Sagt die Welt, dass er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt
Sagt die Welt, es ist Zeit.
Meine Freundin ist schön.
Als ich aufstand, ist sie gegangen.
Weckt sie nicht, bis sie sich regt.
Ich hab‘ mich in ihren Schatten gelegt.

Jegliches hat seine Zeit,
Steine sammeln, Steine zerstreu’n,
Bäume pflanzen, Bäume abhau’n,
Leben und sterben und Streit.
Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt
Sagt die Welt, dass er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt
Sagt die Welt, es ist Zeit, daß er geht.

Jegliches hat seine Zeit,
Steine sammeln, Steine zerstreu’n,
Bäume pflanzen, Bäume abhau’n
Leben und sterben und Frieden und Streit.

Weckt sie nicht, bis sie selber sich regt.
Ich habe mich in ihren Schatten gelegt.

Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt,
Sagt die Welt, dass er zu früh geht.
Weckt sie nicht, bis sie sich regt.
Ich hab‘ mich in ihren Schatten gelegt.

Meine Freundin ist schön,
als ich aufstand ist sie gegangen.
Weckt sie nicht, bis sie sich regt.
Ich habe mich in ihren Schatten gelegt.“

 

Rock and Roll.

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Sammeln gegen das Vergessen – die DDR-Kulturgeschichte im Keller


Foto: Foto Peter Endig / dpa

Foto: Foto Peter Endig / dpa

Natürlich gibt es grob geschätzte 1,8 Milliarden wichtigere Dinge auf der Welt, aber jedem Musikfetischisten und nostalgischen Anhänger der Kultur eines Landes, das es nun seit 25 Jahren so nicht mehr gibt (und in dem ich selbst einen guten Teil meiner – frühen – Kindheit verbracht habe), dürfte das aus Vinyl geschnitzte Hörerherz be einer Geschichte wie der von Uwe Winkler aufgehen. Gut, dass diese nun im Rahmen der MDR-Reihe „Außenseiter, Spitzenreiter“ festgehalten wurde…

Zitat dpa:

„Jesewitz (Sachsen) – Ein nur wenige Quadratmeter großer Kellerraum beherbergt das akustische Erbe der DDR. Dort sind Regale von der Decke bis zum Fußboden mit Schallplatten gefüllt.

Die mehr als 15 000 Alben, die sich hier aneinanderreihen, stammen alle aus einem Land, das es nicht mehr gibt. «Mein Ziel ist es, von jeder Schallplatte, die in der DDR für den Normalbürger erhältlich war, ein Exemplar zu haben», sagt der Sammler Uwe Winkler aus dem sächsischen Jesewitz. Seinem Traum ist er schon sehr nahe gekommen.

Es waren zwei Daten in seinem Leben, die die Sammelleidenschaft befeuerten: Einerseits das Weihnachtsfest nach seinem 13. Geburtstag, an dem er einen Plattenspieler geschenkt bekam. «Im darauffolgenden Sommer hat mir mein Opa die ersten drei Platten gekauft», erinnert sich Winkler. Das zweite Datum ist mit weit weniger schönen Erinnerungen verknüpft. 2003 wurde bei dem staatlich geprüften Feuerwerker eine schwere Erkrankung diagnostiziert.

«Da habe ich mir ein Ziel gesteckt, das mich durch die Zeit der Chemotherapie gebracht hat», sagt er. Und dieses Ziel bestand in nichts weniger als dem Wunsch, alle jemals in der früheren DDR erschienen Schallplatten zusammenzutragen. Dabei sind die Platten für ihn durchaus mehr als reine Sammlerstücke: Mit klassischer Musik untermalt er bisweilen von ihm gestaltete Feuerwerke, Aufnahmen mit Hörfassungen deutscher Klassiker kamen seiner Tochter im Unterricht am Gymnasium zugute.

Wie der Sammler berichtet, waren im VEB Deutsche Schallplatten Berlin sechs verschiedene Marken zusammengefasst. «Amiga stand Anfangs für Unterhaltungsmusik allgemein, später für Rock und Pop, während Eterna die klassische Musik repräsentierte», beginnt Winkler die Aufzählung. Auf Nova wurden die Werke zeitgenössischer Komponisten – vor allem die von Hans Eissler verfassten Stücke – veröffentlicht. Schola hieß das Label, auf dem Platten für den Schulunterricht erschienen. Litera stand für Literaturaufnahmen. Aurora schließlich war die Sparte für Arbeiterlieder.

Es sind aber nicht die sechs verschiedenen Labels, die Winkler die Sammelei erschweren. «Zu jedem Mist gibt es Listen, nur zu DDR-Schallplatten nicht», ärgert er sich. Der letzte Katalog des VEB Deutsche Schallplatten umfasst nur die Ausgaben bis 1972, die danach erschienenen Platten sind seines Wissens nirgendwo verzeichnet.

«Die größten Lücken in meiner Sammlung sind bestimmt Titel aus der Wendezeit, in der sich niemand mit DDR-Platten beschäftigt hat», ist sich Winkler sicher. Und auch bei den Singles, den kleinen Schallplatten mit zwei oder auch vier Titeln, ist eine komplette Sammlung nur schwer zu verwirklichen. «Da ist vieles weggeworfen worden.»

Selbst das Deutsche Musikarchiv, das die in Deutschland auf den Markt gekommenen Tonträger sammelt und katalogisiert, tut sich schwer damit, die in der DDR erschienenen Platten zu erfassen, weil erst 1970 mit dem Sammeln begonnen wurde. «Das Deutsche Musikarchiv hatte, trotz seines Sitzes in Berlin West, ein Abkommen mit dem VEB Deutsche Schallplatten, dass sie die Produktionen geliefert bekommen», erläutert Franziska Bohr von der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. «Nach unseren Katalogrecherchen dürfte es für den VEB Deutsche Schallplatten in unserem Bestand circa 11 200 Schallplatten geben.»

Die Sammlung von Uwe Winkler versetzt sogar den letzten Amiga-Label-Chef Jörg Stempel ins Staunen. «Mir fällt niemand ein, der so außergewöhnliche Raritäten besitzt», sagt Stempel. Als Beispiel nennt er eine Platte des Blues-Musikers Stefan Diestelmann aus dem Jahr 1984. «Die wurde am Tag vor dem Verkaufsstart zurückgezogen, nachdem Diestelmann im Westen geblieben war.» Nur ganz wenige Exemplare gerieten über nicht mehr nachvollziehbare Kanäle in die Hände von Sammlern, eines steht im Kellerregal von Uwe Winkler.

Dessen Lieblingsplatte ist indes keine Produktion des VEB Deutsche Schallplatten Berlin. Es ist das Vinyl-Doppelalbum «The Ladder» der britischen Progressive Rock-Legende Yes.“

 

 

Rock and Roll.

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Flimmerstunde – Teil 21


„This Ain’t California“ (2012)

This Ain't California (Plakat)Am Anfang steht ein Abschied. Nico kommt von der offiziellen Trauerfeier, die die Bundeswehr zu Ehren des in Afghanistan gefallenen Soldaten Denis Paraceck abgehalten hat. Doch da Nico klar war, dass Denis selbst wohl diese Art „steife Etikette“ als letztes Geleit nie und nimmer gefallen hätte, trommelt er noch einmal alle alten Freunde zusammen, um sich, umgeben von Fabrikruinen, mit einem Lächeln auf den Lippen standesgemäß von seinem besten Freund zu verabschieden…

Rückblende: eine DDR-Plattenbausiedlung in der Nähe von Magdeburg, Anfang der Achtziger Jahre. Nico und sein Freund Dirk sind ganz normale Kinder. Nun, beinahe… Denn anstatt sich lediglich, wie ihre Klassenkameraden, in einheitsblauen Pioniergruppen zu organisieren, haben sie ein, für Außenstehende, höchst suspektes Hobby für sich entdeckt: das Skateboarden. Doch in der DDR war dieser Sport noch nicht angekommen und in der geplanten Mangelwirtschaft an den Erwerb eines so westlichen, „echten“ Skateboards erst recht nicht  – schmuggel- und/oder „beziehungsfrei“ – zu denken. Umso erfinderischer mussten also die Bürger des „Arbeiter- und Bauernstaates“ sein. Und so wurden mit elterlicher Hilfe Stuhllehnen und Rollschuhrollen zusammen geschustert und mit diesen behelfsmäßigen „Boards“ das Asphaltgrau unsicher gemacht. Bald schließt sich den beiden ein weiterer Junge namens Denis ein, ein rotzfrecher Draufgänger, ein explosives Energiebündel, auf den zu Hause lediglich sein Vater wartet, der den sportlichen Jungen zum erfolgreichen DDR-Leistungsschwimmer trimmen will. Umso größer ist Denis‘ stetig wachsende Abneigung gegen Autoritäten, gegen Zwänge, Maßnahmen, Zukunftspläne und Vorschriften. Die drei werden zu besten Freunden, verbringen endlos scheinenden Sommer zusammen und balgen sich durch dick und dünn – mit dem Skateboarden als größten gemeinsamen Nenner. Als Nicos Künstler-Mutter beschließt, in den Ostteil des geteilten Berlins zu ziehen, reißt sich Denis – endgültig – aus der einengenden Umklammerung seines Vaters los und kommt hinterher. Gemeinsam entdecken die staunenden Kaffkinder in der Großstadt mehr Jugendliche, die, genauso wie sie, für’s Leben gern skaten – nur noch intensiver, noch waghalsiger, noch professioneller, und stürzen sich voller Energie und Entdeckungslust in eine wilde Jugend auf Rollen, deren Ende erst der jähe Fall der Berliner Mauer markiert…

Szene

This Ain’t California„, der als Dokumentation getarnte Film von Regisseur Marten Persiel, erzählt anhand liebevoll gestalteter Details die – im Grunde fiktive – Geschichte einer Freundschaft, aber auch die einer Kindheit und Adoleszenz in einem Staat, in dessen (gemäßigt) totalitärem Rollenverständnis stets wenig Platz für Freigeister, Querdenker und Außenseiter herrschte. Während der kompletten 109 Minuten merkt man – Vorsicht: Spoiler! – beinahe nie, dass die komplette Story nicht auf realen Personen beruht, und auch die gefilmten Interviews lediglich mit Schauspielern geführt wurden, denn dieses brillant zusammen geschnittene Zelluloidpatchwork aus historischen Bildquellen (aus dem DDR-Archiv), tollen Zeichentrickpassagen, nachgestellten Super-8-Sequenzen und filmischen Ausschnitten aus dem „Skateralltag“ wirkt so nah, so real, so echt, dass man schon das „Making Of“ schauen muss, um den Machern auf die Schliche zu kommen. Und doch halten sich Persiel und sein Team im Grunde an Fakten, holten sich Zeitzeugen und Profis (etwa den deutschen „Skateboard-Pabst“ Titus Dittmann, der auch im Film auftritt) beratend an ihre Seite, und schaffen mit „This Ain’t California“ ein dynamisches, mitreißendes Kino-Potpourri über eine Sportart, der in der Achtziger-Jahre-DDR lediglich als „unorganisierter Rollsport“ galt und dessen „Rollathleten“ nicht selten als höchst „subversive Elemente“ galten, die mit Kamera und Argwohn genaustens beobachtet wurden. Im selben Atemzug erzählt der Film jedoch davon, dass Leidenschaft mühelos Grenzen durchbricht, die eben noch – gefühlt – unüberwindbar schienen. „This Ain’t California“ ist ein Skatefilm, der ebenso über wie vom Skaten als Lebensgefühl erzählt, und daher auch für Nicht-Skater interessant ist. „This Ain’t California“ ist weder vollwertiger Spielfilm noch authentische Dokumentation, da hier stets Fakt und Fiktion fließend ineinander übergreifen – und am Ende doch auch keine „Mockumentary“, denn solch‘ sanfte Revoluzzer wie jenen Denis „Panik“ Paraceck kannte sicherlich jeder DDR-Jugendliche. „This Ain’t California“ erzählt von Momenten, in denen man sich, umgeben vom tristen Mauerasphaltgrau, plötzlich jung und frei, unsterblich und unverwundbar fühlt – und hat dazu noch den passend tollen Soundtrack, der irgendwo zwischen Alphaville, den Ärzten, Feeling B und den Score-Beiträgen des hawaiianischen Indiemusikers Troy Von Balthazar (Ex-Chokebore) pendelt, parat. Humorvoll, abwechslungsreich, rührend, anders. Echt? Keine Ahnung. Jedoch: echt empfehlenswert!

Szene #2

 

 

 

Für alle, die gern mehr über den Film erfahren möchten, gibt’s hier einen Beitrag der Arte-Sendung „Tracks“…

 

Rock and Roll.

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Flimmerstunde – Teil 20


„Sushi in Suhl“ (2012)

Sushi in Suhl (Poster)„Du musst das Auge hungrig machen, nicht den Magen“, gibt der japanische Gast dem Gaststättenbesitzer Rolf Anschütz (Uwe Steimle) als weisen Spruch mit auf den Weg, woraufhin dieser – nicht ganz ironiefrei – erwidert: „Der Mensch beherrscht die Natur, und die Natur die LPG“. Ja, das Leben in der Provinz der Deutschen Demokratischen Republik war sicherlich kein ganz leichtes, denn als Bürger des „Arbeiter- und Bauernstaates“ musste man nahezu ständig mit irgendwelchen Reglementierungen, Parteivorgaben oder Warenlieferungsengpässen zurecht kommen – doch Not macht bekanntlich erfinderisch…

Das beweist eben auch Rolf Anschütz, der es satt hat, in seinem Suhler „Wein- und Speisenrestaurant Waffenschmied“ die Gäste tagein, tagaus mit dem immer gleichen Speisenangebot aus thüringer Rouladen und Würzfleisch zu bewirten. Nein, seinem Verständnis nach sollte ein Koch auch ein Künstler sein, einer, der seinen Gästen neue kulinarische Horizonte aufzeigt. Und wie es das Schicksal – oder doch der Zufall? – will, stösst er alsbald auf ein Rezept aus der japanischen Küche. Nichts Besonderes? Klar, heutzutage bekommt man in beinahe jeder bundesdeutschen Stadt ein gutes Sushigericht, oder googelt mal eben ein passendes Rezept im Internet. Aber in Suhl, als eine der Bezirkshauptstädte der DDR damals vor allem für die Produktion von Waffen oder Fabrikate der Mopedmarke Simson bekannt, war an etwas abseits der Parteinorm keinesfalls zu denken! Ein japanisches Restaurant? Wer soll denn so etwas bitte mögen? Und noch schlimmer: wie stünde es denn da um den Ruf der alles überwachenden HO (DDR-Sprech für den Dachverband der Handelsorganisation), wenn man all die befremdlichen Zutaten  – und die fingen bereits bei der Sojasoße an – nicht beschaffen kann? Was kommt als Nächstes? Ein Schnellimbiss auf dem Mond? Nein, dem gilt es entgegenzuwirken! Doch Anschütz ist ein Träumer, ein Idealist, der sich weder von freundschaftlichen oder familiären Ratschlägen von seinem Weg abbringen lässt noch von manigfaltigen Engpässen. Und so werden Kittelschürzen und Judojacken zu Kimonos umfunktioniert, Essstäbchen nach der Art von Klanghölzern massgefertigt, Tisch- und Stuhlbeine abgesägt und der frisch gefangene Karpfen kurzerhand zu südthüringerischem Sushi verarbeitet. Und siehe da – all das kommt gut an, selbst einen japanischen Gast kann der verdutzte Rolf Anschütz von Kochkünsten und Vorhaben überzeugen! Innerhalb kurzer Zeit mausert sich der „Waffenschmied“ zum überregionalen Geheimtipp, der sogar in der „Tagesschau“ des westdeutschen Klassenfeindes und im fernen Japan Erwähnung findet…

Szene aus "Sushi in Suhl"

Der Film „Sushi in Suhl“ erzählt die wahre Geschichte des Gastwirtes Rolf Anschütz, der es Mitte der Sechsziger Jahre doch tatsächlich wagte, im 40.000-Einwohner-Örtchen Suhl ein japanisches Restaurant zu eröffnen. Und das in Suhl, dessen Werbereklame „Suhler Waffen haben Weltruf“, nachdem das „W“ in „Waffen“ eines Tages abfiel, lange Zeit so einiges über den regionalen Charakter aussagte und für Spott dies- und jenseits des „Arbeiter- und Bauernstaates“ sorgte! Dabei bleibt die Erzählstruktur während der 107 Minuten meist wohlig rührselig und vergleichsweise ostalgiefrei (verglichen etwa mit „Good Bye Lenin!“ oder „Sonnenallee“). Dass die  Darsteller mit eindeutig sächsischem statt thüringerischem Dialekt sprechen (als gebürtiger Sachse kann ich so etwas in der Tat beurteilen!): geschenkt, ebenso wie die herrlich überspitzten Szenen des Dialogs mit der HO-Hauptverwaltung! Dafür spielt der Hauptdarsteller Uwe Steimle seine Rolle als Rolf Anschütz, der sich in der Enge der DDR sein eigenes kleines Japan aufbaut, dabei jedoch auch Rückschlägen und persönlichen Verlusten ins Auge blicken muss, mit zu viel bodenständigen Charme und Verve. Überhaupt: Uwe Steimle – mit dem Dresdner Schauspieler und Kabarettisten (Baujahr 1963), welchem dem Einen oder der Anderen etwa bereits im „Polizeiruf 110“ über die Mattscheibe gelaufen sein dürfte, steigt und fällt alles in und an „Sushi in Suhl„. Mag man seine stets kindlich entrückte Art, wie er sich stets bemüht, alles klar und deutlichst hochdeutsch auszusprechen, dabei jedoch umso mehr seine sächsische Herkunft offenbart, nicht, so könnte einem auch „Sushi in Suhl“ schnell zu viel des Guten werden. Meinen Nerv hat der Film von Regisseur Carsten Fiebeler, als gebürtiger Zwickauer ebenso bestens mit einer eigenen DDR-Vergangenheit sowie -Erfahrungen ausgerüstet, der die Geschichte des für 15 Jahre einzigen japanischen Restaurants der DDR erzählt und dabei geschickt einiges der Tragik und Komik jener Zeit miteinander verknüpft, jedoch getroffen. Also: Empfehlung für den nächsten Filmabend an einem grauen Wochenende – und das nicht nur für „gelernte DDR-Bürger“ und Freunde der japanischen Küche…

Uwe Steimle in "Sushi in Suhl"

 

 

Wer etwas mehr zu den Hintergründen des Films erfahren mag, findet hier einen sechsminütigen Beitrag der ARD-Sendung „ttt – titel thesen temperamente“…

…und hier ein Bild des „echten“ Rolf Anschütz, der 2008 verstarb:

Suhl, Blick in ein japanisches Restaurant

 

Rock and Roll.

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