Eigentlich darf es schon als mittelschwere Sensation gewertet werden, dass sich die Sadcore-Indierocker von Pedro The Lion gut 14 Lenze nach dem letzten Album „Achilles‘ Heel“ in wenigen Tagen mit „Phoenix“ nun tatsächlich mit einem neuen Langspieler zurück melden. Wie der – Pardon für’s Wortspiel, aber es passt ja – sprichwörtliche Phönix aus der Asche also? Nun, die ersten Songs „Yellow Bike“ und „Model Homes“ versprechen in der Tat ein erstes unerwartetes Highlight im noch jungen Musikjahr 2019…
Nicht ganz unschuldig an der Reunion der Band aus dem US-amerikanischen Seattle, Washington dürfte ein Bandprojekt namens Lo Tom gewesen sein. Zu diesem gehör(t)en – freilich nebst Pedro-The-Lion-Frontmann David Bazan – auch Trey Many (Velour 100, Starflyer 59), Jason Martin (Starflyer 59) – und eben Pedro-The-Lion-Schlagzeuger TW Walsh. Gut möglich also, dass die gemeinsamen Jam-Sessions Jahre nach nach (vorübergehenden) Ende von Pedro The Lion 2006 zur Comeback-Idee beigetragen haben…
Ein weiteres Indiz hierfür dürfte sein, dass die acht Songs des selbstgetitelten, im Juli 2017 veröffentlichen Debütalbums von Lo Tom so ganz anders als Vieles von dem klingen, was David Bazan auf den zahlreichen Solo-Werken seit der Pedro-The-Lion-Pause präsentierte: nicht selten ziellose Songwriter-Electronica-LoFi-Künstlichkeit vs. Bock auf Rock. So stellen bereits „Covered Wagon„, „Overboard“ und „Bubblegum„, die ersten drei Songs des Lo-Tom-Albums, klar, wohin die Reise geht: hin zum schnörkellos riffendem Indierock, manchmal garniert mit einer Prise handfestem Americana sowie Bazans recht oft ins Klagen neigendem, melancholischem Gesang. Klar, dass so eine Platte, die Gniedelgott-Bands wie Built To Spill oder Buffalo Tom im Geiste mit trägt, die Musikwelt kaum aus den Angeln heben würde (und 2017 etwas zu unrecht untergegangen ist). Aber allein die begründete Vermutung, dass aus Lo Tom nun die erfreuliche Rückkehr von Pedro The Lion erfolgt, macht jede der gerade einmal 29 Albumminuten zu einem Fest für Freunde des relaxt-tighten Fuzzpedal-Gitarrenrocks…
Hier gibt es das bereits erwähnte, sehr feine „Overboard“, welches wiederum mit Zeilen wie „It just takes a while / For me to un-feel a thing / And the opposite of what you think / For that bell to un-ring“ aufwartet – live performt von David Bazan und seinen drei Lo-Tom-Kumpels während einer Session für KEXP:
„You really messed me up When you couldn’t see me But I finally understood my place In that sycamore tree
Don’t stop on account of me I’m not living there anymore Weak spot that I don’t need But don’t let me go overboard
It just takes a while For me to un-feel a thing And the opposite of what you think For that bell to un-ring
Don’t stop on account of me I’m not living there anymore Weak spot that I don’t need But don’t let me go overboard
Sing that song at the top of your lungs Don’t listen to the static, just listen to the drums
Don’t stop on account of me I’m not living there anymore Some weak shit that I don’t need I don’t wanna go overboard“
Einer der wohl größten Unterschiede zwischen der US-amerikanischen und der hiesigen Musikszene ist die zeitweise Nähe zum Glauben. Während bei uns ach so liberalen und aufgeklärten Festland-Europäern vermeintlich bibeltreue Aluhut-Prediger wie Xavier Naidoo und seine Söhne-Mannheims-Clique zumindest Stirnrunzeln hervorrufen, sind Musiker und Bands, die das eigene, persönliche Glaubensbekenntnis auch in ihren Texten offen zur Schau stellen, in den US of A gar nicht mal so selten. Man denke nur an Creed, Flyleaf, Lifehouse oder Paramore. Klar, nicht jeder hängt so abstrusen Theorien an wie Gaslight-Anthem-Frontmann Brian Fallon, dessen Glaube an den Kreationismus auf dieser Seite des Atlantiks freilich für Kopfschütteln sorgt. Und nicht jede Band versucht, aus den eigenen religiösen Ansichten heraus gleich eine U2’sche Pathos-Messe mit zigtausenden willigen Teilnehmern zu veranstalten. Dennoch sind die Grenzen zwischen Persönlichem und Öffentlichem in den USA – und das auch weit über Genregrenzen hinaus (in meiner knappen Aufzählung weiter oben habe ich mal lieber das gottesfürchtige Star-Spangeled-Banner-Genre Country außen vor gelassen) – deutlich schwimmender gezeichnet als in Europa…
Wohl den wenigsten dürfte bekannt sein, dass auch Pedro The Lion einst als offensiv christliche Indierock-Band an den Start gingen. Gegründet von Frontmann David Bazan in Seattle Mitte der Neunziger, waren die Songs der zwischen 1998 und 2004 veröffentlichten vier Alben, welche sich stilistisch irgendwo zwischen Lo-Fi-Singer/Songwritertum und knarzigem Emo-Rock beweg(t)en, auch ein Vehikel zur – teils kritischen – Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. Dass Bazan, der nach der zwischenzeitlichen Auflösung der Band im Jahr 2006 gut eine Handvoll Solo-Alben in die Regale stellte (und vor ein paar Tagen bekannt gab, wieder Shows unter dem Pedro-The-Lion-Banner zu spielen), seinen Glauben eher subtil denn mit dem textlichen Vorschlaghammer zum Ausdruck brachte, passt dabei zum sonst eher liberalen, oftmals politisch links orientierten und straight edge gehaltenen Emo-Genre. Trotz alledem finden sich für all jene, die einen genaueren Blick auf die Texte der Pedro The Lion-Songs werfen, allerlei religiöse Hinweise.
Man nehme etwa das Stück „Magazine„, erschienen 2002 auf dem dritten Studiowerk „Control“ (welches wiederum gemeinhin als bestes der Band gilt). Vordergründig mag man Zeilen wie „Wouldn’t you love to be / On the cover of a magazine? / Healthy skin, perfect teeth / Designed to hide what lies beneath“ als Zeitgeist-Kritik an der Mediengeilheit mancher (semi-)prominenter Personen lesen, David Bazan hatte mit seinem Text jedoch wohl eher all jene im kritischen Blick, die meinen, ihren Glauben allen Mitmenschen überstülpen zu müssen („Oh, look you earned your wings / Are you an angel, now / Or a vulture / Constantly hovering over / Waiting for the big mistake“).
Dass man den Song auch anders – und relativ frei von jenem religionskritischen Kontext – betrachten kann, beweist Florian Sczesny alias oh sleep. Der Bonner Indie-Musiker, welchen ANEWFRIEND in diesem Jahr bereits „Auf dem Radar“ hatte, nahm sich „Magazine“ für seine aktuelle „trio ep“ vor und unterzog das Stück aus der Feder seines Lieblings-Singer/Songwriters David Bazan einer Neuinterpretation, die nun weitaus weniger rockig ausfällt als noch das Pedro The Lion’sche Original. Anhand des nun veröffentlichten – und, wie ich finde, richtig guten – Musikvideos wird deutlich, dass sich Sczesny weitaus weniger aufs Religiöse konzentriert als Bazan und vielmehr die Mediengeilheit der heutigen Gesellschaft ins Auge fasst. Das hätten wir sie wieder, die unterschiedlichen Herangehensweisen in Europa und den USA…
Hier zum Vergleich „Magazine“ in einer Bazan’schen Live-Session-Variante von 2013:
„This line is metaphysical And on the one side, on the one side The bad half live in wickedness And on the other side, on the other side The good half live in arrogance And there’s a steep slope With a short rope This line is metaphysical And there’s a steady flow Moving to and fro
Oh, look you earned your wings Are you an angel, now Or a vulture Constantly hovering over Waiting for the big mistake
Oh, my God, what have I done? Oh, my God, what have I done?
Wouldn’t you love to be On the cover of a magazine? Healthy skin, perfect teeth Designed to hide what lies beneath
I feel the darkness growing stronger As you cram light down my throat How does that work out for you In your holy quest to be above reproach?“
„This very gentle young woman stepped up and started playing these songs, and it was one of these moments in life that genuinely felt golden, when you see something that is so special, and so fragile, that is just on the precipice of taking off.“
(Morgan Jon Fox, Filmemacher aus Memphis)
Kennt ihr noch dieses Gefühl, das wohl die meisten von uns hatten, als sie Anfang zwanzig waren? Dieses große Loch in der Brust, dass einen dazu brachte, sich einerseits jung und frei und lebendig und hungrig nach Abenteuern und dem Unbekannten zu fühlen, andererseits jedoch auch unsicher und bang ob der Zukunft und was nun mit einem werden soll? Klar, manch eine(r) mag schon im Kindergartenalter völlig sicher gewesen sein, welcher Weg bis zum Rentenalter einzuschlagen ist, aber für nicht wenige sind mindestens die Twen-Jahre eine Zeit des Suchens, des Sich-Ausprobierens, und bestenfalls: des Findens.
Solche Gedanken schießen einem (oder besser: mir) durch den Kopf, wenn ich „Sprained Ankle„, das Debütalbum von Julien Baker, höre. Denn obwohl – oder gerade weil – die US-Musikerin erst zwanzig Jahre jung ist, spricht aus den neun Stücken des Albums an allen Ecken und Enden die Sinnsuche. Doch dass nun tatsächlich so viele Menschen Notiz von Bakers Songs nehmen, war eigentlich so nie beabsichtigt…
„For me personally, it’s like I’ve listened to a song of hers 200 times and on the 200th time I am just in my car weeping. She has that ability.“
(Sean Roher, Labelinhaber 6131 Records)
Ursprünglich stammt Julien Rose Baker aus den Suburbs von Memphis, Tennessee im Süden der USA. Dort wuchs sie auf, dort sammelte sie bereits in jungen Jahren Erfahrungen in Musikprojekten ihrer Kirchengemeinde (was ja gerade im südlichen Teil der USA um Einiges alltäglicher ist als etwa in religiösen Dingen doch zurückhaltenderen Deutschland) sowie später in der lokalen DIY-Punkszene, wo sie 2010 mit Gleichgesinnten ihre erste Band, The Star Killers (welche sich fünf Jahre später in Forrister umbenennen), gründet. Nebenjobs während der Highschool, in der Freizeit in Skaterparks abhängen, Zigaretten rauchen, ab und an törichte Dinge tun, der Kirchengemeinde angehören, bald die elektrische Gitarre des Vaters für sich entdecken – Julien Bakers Jugend war kaum anders, kaum wilder und kaum wenig widersprüchlich als die tausender US-Teenager ihres Alters.
Und doch spricht bei genauerem Hinhören aus ihren Songs so viel Erfahrung, Verletzlichkeit – ja: Verletztheit -, die man von einer jungen Frau ihres Alters, deren fast kindliches Gesicht obendrein nicht dem einer Anfangszwanzigerin entspricht, kaum erwarten würde. Und wie alles hat auch das Gründe, mit denen Baker erstaunlich offen umgeht. Dass Julien Baker homosexuell ist und daraus auch nie eine Hehl gemacht hat, braucht im Jahr 2016 (glücklicherweise!) keinen mehr zu wundern. Dass sie bereits ihre Erfahrungen mit legalen wie illegalen Drogen gemacht hat – und zum Klarkommen wohl wahre Dämonenkämpfe ausfechten musste -, sprechen ihre Stücke ebenfalls an. Dass sie, nachdem sie Freunde und Band in Memphis zurückließ, um an der Middle Tennessee State University (MTSU) in Murfreesboro zu studieren, viel und oft mit ihrer Einsamkeit zu kämpfen hatte, ebenfalls. Man hört den neun Songs klar an, dass sie eng beieinander liegend entstanden sind, denn sie wirken wie Bakers Tagebucheinträge, und ein ums andere Mal kommt die Musikerin einem fast ungemütlich nahe, denn „Wohlfühlatmosphäre“ wäre wohl das Letzte, was die Stücke von „Blacktop“ bis „Go Home“ verbreiten würden.
Und in der Tat sind diese Songs Julien Bakers erste abseits ihrer (alten) Band Forrister. Durch einen Freund an der MTSU, Michael Hegner, nahm sie erst einige Demos im universitätseigenen Studio auf. Nachdem beide feststellten, dass zwischen ihnen die Chemie stimmte, unternahmen sie einen gemeinsamen Trip nach Richmond, Virginia, um den Demo-Aufnahmen in den dortigen „Spacebomb Studios“, wo auch schon die letzten Alben von Matthew E. White oder Natalie Prass entstanden, noch einmal einen professionelleren Anstrich zu verpassen. Und trotzdem beabsichtigte Julien Baker zunächst nicht, ihre Stücke an die sprichwörtliche „große Glocke“ zu hängen und stellte das, was gemeinsam mit Hegner entstand, im Winter 2014 zuerst als EP auf ihre Bandcamp-Seite – nach dem Motto: Macht damit, was ihr wollt. Erst als ein weiterer Freund Sean Rhorer, Labelchef von 6131 Records, auf Bakers Musik aufmerksam machte, und dieser die junge Musikerin darum bat, die Stücke wieder offline zu stellen, damit sie noch einmal professionell gemastered (also ein wenig nachbearbeitet) und danach auf seinem Label veröffentlicht werden können, kam Bewegung in die Sache. Und so erschien Julien Bakers Debütwerk „Sprained Ankle“ noch einmal höchst offiziell im Oktober letzten Jahres bei 6131 Records.
Soweit, so Drumherum.
Fotos: Promo / Jake Cunningham
Allerdings sollte man um eben jenes Drumherum wissen, um die Songs von „Sprained Ankle“ in ihrer Tiefe tatsächlich zu verstehen. Denn sie selbst – die Songs – betteln nicht gerade um Aufmerksamkeit. Im Gegenteil: während der 33 Minuten gibt es wenig mehr zu hören als Julien Baker und ihre Gitarre, nur höchst selten kommt kurzzeitig ein Schlagzeug dazu (etwa in „Brittle Boned“) oder, wie im Abschluss „Go Home“, ein Piano. Fast könnte man vermuten, dass Baker daran gedacht hat, diese (Demo-)Stücke eines Tages noch einmal als Full-Band-Versionen neu aufzunehmen. So jedoch erlangen die Songs noch mehr an Intensität, denn es steht höchst wenig zwischen der Musikerin und dem Hörer.
Was wohl auch an den Texten liegt. So singt Baker bereits im eröffnenden „Blacktop“ vom Verlorensein, einer unglücklichen Liebe, einem Autounfall und davon, sich nichts sehnlicher zu wünschen als ein vertrautes Gesicht („Come visit me / In the back of an ambulance“). Das recht kurze Titelstück bringt mit seiner Episode vom schüchternen Verliebtsein auch ein schönes sprachliches Bild mit („A sprinter learning to wait / A marathon runner / My ankles are sprained“) – verstauchte Knie vom Leben, der Liebe, der eigenen Courage, die einen davon abhalten, den nötigen Schritt weiter und vorwärts zu gehen. Ja, Julien Baker geht, wie bereits erwähnt, in ihren Songs recht offen mit ihren Problemen um – was zu Geständnissen („I’m so good at hurting myself“ – „Brittle Boned“) und der ein oder anderen pessimistischen Vorahnung („I know myself better than anybody else / You’re gonna run when you find out who I am / You’re gonna run, it’s alright, everybody does“ – „Everybody Does“) führt, während man doch die ganze verdammte Zeit versucht, alles irgendwie richtig und es allen irgendwie recht zu machen („I know I shouldn’t make my friends all worry / When I go out at night“ – „Good News“). Besonders großartig sind etwa das simpel gehaltene – ja: traurige – Liebeslied „Something“ geraten („I know you left hours ago / I still haven’t moved yet / I knew you were gone months ago / But I can’t think of anyone else / I should have said something, something, something / But I couldn’t find something to say / So I just said nothing, nothing, nothing / Sat and watched you drive away“) oder „Rejoice“, in welchem sie Gott mit sich beinahe überschlagender Stimme fragt, wo Hilfe ist, wenn man sie am nötigsten braucht („But I think there’s a god and he hears either way when I rejoice and complain / Lift my voice that I was made / And somebody’s listening at night with the ghosts of my friends when I pray / Asking ‚Why did you let them leave and then make me stay?‘ / Know my name and all of my hideous mistakes“). Ihren wohl bewegendsten Song bringt Julien Baker mit „Go Home“ ganz zum Schluss – eine am Piano vorgetragene Nummer, in der sie vom eigenen desolaten Zustand erzählt und doch nur einen Wunsch hat: nach Hause zu kommen – wo immer das auch sein möge… (fun fact am Rande: Als Baker gegen Ende von „Go Home“ selbstvergessen das christliche Stück „In Christ Alone“, welches sie noch aus ihrer Kirchengemeinde kennt, anspielt, fängt der mitlaufende Aufnahmeverstärker ausgerechnet Radiowellen eines Kirchenradiosenders ein, auf dem gerade die Ansprache eines Predigers übertragen wird. Zufall? Wohl kaum. Spooky? Auf jeden Fall. Die Musikerin ließ diese unbeabsichtigte Aufnahme trotzdem – oder gerade deshalb – auf dem Album.)
„I’ve been walking again. I go out and forget to tell any of my friends where I’m going. I’m drunk on the side of a road in a ditch when you find me. I wanna go home. I’m sick. There’s there’s more whiskey than blood in my veins, More tar than air in my lungs. The strung out call I make Burned out at the edge of the highway. I’m sorry for asking, but please come take me home.
I quit talking again. I know you’re still listening. I see you fell asleep. It pierced my skin; Needles to the worn out wrecks. The folds in my arms are sticking in blood, And I haven’t been taking my meds. Lock all the cabinets, send me to bed, Because I know you’re still worried I’m gonna get scared. Because I’m alone again, and I don’t like the things I see.
And I haven’t been taking my meds, So lock all the cabinets, send me to bed, Because I know you’re still worried I’m gonna get scared again. And make my insides clean with the kitchen bleach; I’ve kissed enough bathroom sinks To make up for the lovers that never loved me. And I know that my body is just dirty clothes. I’m tired of washing my hands, God I wanna go home.“
Ja, die neun Songs von „Sprained Ankle“ gehen – insofern man es zulässt – an die sprichwörtlichen Nieren. Was wohl auch daran liegt, dass Julien Baker eine talentierte Songwriterin ist, deren Stücke oft nach den frühen, reduzierten Tegan and Sara klingen, bevor sich diese dem Discopop verschrieben haben (eine andere Parallele zu den kanadischen Zwillingsschwestern mag sein, dass auch diese offensiv mit ihrer Homosexualität umgehen), mal nach der ebenfalls nicht um Frohsinn bemühten Torres, freilich nach dem großen Elliott Smith (zu passend, dass sie für die demnächst erscheinende Tribute-Compilation „Say Yes!“ Smiths „Ballad Of Big Nothing“ neu interpretierte) oder Sharon Van Etten. Andere mögen durch das in vielen Coffee-Shop-Konzerten geschulte Gitarrenspiel Jeff Buckley heraus hören. Einmal, in „Vessels“, klingt gar eine Ahnung von Lana Del Reys „Video Games“ an, das schöne „Something“ hätte unter der Ägide von Adele wohl das Zeug zum Hit (was den einfachen Grund hätte, dass Adele von Grund auf mehr Aufmerksamkeit zuteil werden würde). Julien Baker, die selbst Ben Gibbard (Death Cab For Cutie), David Bazar oder Aaron Weiss (mewithoutYou) zu ihren Vorbildern zählt und unlängst bereits mit Touché Amoré, EL VY oder Wye Oak touren durfte, stellt auf „Sprained Ankle“ viele Fragen – dem Leben, den Freunden, der Liebe, Gott und vor allem sich selbst -, findet jedoch nur selten Antworten. Was an sich auch völlig in Ordnung ist. Denn sie ist ja noch jung, und manchmal, ja manchmal ist auch der Weg das Ziel und die Suche nach Antworten eine Aufgabe, für die nicht wenige ein Leben lang brauchen. „Sprained Ankle“ liefert ein klein wenig den Soundtrack dazu – an einem Freitagabend, über die Kopfhörer direkt ins Herz.
Wer mehr über Julien Baker erfahren möchte, der findet auf memphisflyer.com ein interessantes Porträt.
Auf Julien Bakers Bandcamp-Seite kann man das komplette Album hören…
…auf Soundcloud Julien Bakers bereits erwähnte Neuinterpretation den Elliott-Smith-Stücks „Ballad Of Big Nothing“, welche im Oktober auf dem Tribute-Sampler „Say Yes! – A Tribute To Elliott Smith“ erscheinen wird…
…und sich auf Youtube das Musikvideo zum Titelstück von „Sprained Ankle“…