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Auf dem Radar: Fugitive Dancer


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Foto: Facebook

Die Zeiten sind, bei allem Merkwürdigem, was da in der Welt um uns gerade so abgeht, kaum weniger schnelllebig als noch vor ein paar Jahren. Das macht sich freilich auch im Musikgeschäft bemerkbar, wo selbst ich, der sich tagein, tagaus die größtgrößte Mühe gibt, nur nichts und keine Band und keine(n) Künstler(in) zu verpassen, manchmal feststelle, dass mir in den letzten Jahren wohl so einiges durch die Lauscher gerutscht sein mag. Fugitive Dancer etwa.

Obwohl: so ganz richtig ist das nun auch nicht. Denn obwohl die sechsköpfige (!) Augsburg-meets-Ulmer Band erst vor wenigen Tagen ihr zweites Album „9 PM On Thursdays“ in die (digitale) weite Welt entlassen hat, sind Informationen rar gesät – was wohl daran liegen mag, dass sich Sebastian Krichler (Gesang, Gitarre), Maxim Skripko (Gesang, Gitarre), Julian Klein (Keyboard, Backgroundgesang), Marius Stehle (Schlagzeug), Jadwiga Seelig (Cello) und Andreas Miehle (Bass) in den letzten Jahren recht rar gemacht haben. Woran lag’s? Nun, wohl – ganz schnöde und piefig – an unterschiedlichen Lebensentwürfen und den Tücken des Alltags (welche heutzutage eben meist das Familiäre und das Brötchenverdienen in der Prioritätenliste am schönen Hobby Musik vorbei mogeln) – darauf lassen auch (untenstehende) Zeilen schließen, die die Band ihrem neusten Release via Facebook mit auf den Weg gab.

49778029816_b373c9d397_oDabei legten Fugitive Dancer vor knapp einer Dekade einst vielversprechend los: Nach Veröffentlichung ihres Debütalbums „Brother From Another Mother“ trat die Band im Frühjahr 2011 als Vorgruppe der norwegischen Singer/Songwriter-Pop-Musikerin Marit Larsen in Neu-Ulm auf, was ihnen zunächst etwas mehr überregionale Bekanntheit und schließlich sogar einen Auftritt im SWR Fernsehen einbrachte. Im Laufe des Jahres spielte die Band ihre ersten zwei bundesweiten Tourneen, die sie das ein ums andere Mal auch zu den österreichischen Nachbarn führten (wie ein Beitrag bei FM4 belegt). Und danach? Kam 2013 mit dem feinen „26“ noch ein vermeintlicher Appetizer während der Wartezeit auf den neuen Langspieler, und dann: der Alltag. Und dann lange Zeit nichts mehr, während nicht nur der Facebook-Auftrittder Band, der zwischen 2014 und 2020 nichts Neues zu berichten weiß (der Wikipedia-Eintrag ebenso wenig), sondern wohl auch die Instrumente im Proberaum ordentlich Staub ansetzten.

Umso schöner zu hören, mit welch‘ großartigen Songs sich Fugitive Dancer nun zurückmelden, schließlich lässt die knappe Dreiviertelstunde von „9 PM On Thursdays“, die sich in der melancholisch-bunten Referenztruhe mal bei Größen wie Matt Berninger und seinen glücklicher- und verdienterweise im Weltruhm angekommenen Lads von The National, mal bei den ganz ähnlich tönenden Mancunians von The Slow Show (die sich ja nicht von ungefähr nach einem Song von ersterer Band benannt haben), mal bei den besten Seiten von Coldplay (meint: die Anfangszeit zwischen „Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) bedient, kaum zu wünschen übrig. Wer lieber in Schubladen einsortiert, der darf gern jene für mit Bedacht und Sorgfalt komponierten, verlässlich zwischen Hymnus und persönlichem Kleinod schwankendem Indie Pop gaaaanz weit aufziehen. Obwohl die ein oder andere musikalische Inspiration freilich kaum zu verleugnen sein dürfte, muss sich das Sechsergespann mit diesen neun neuen Songs selbst vor internationalen Vergleichen keineswegs verstecken.

Umso hin und her gerissener lassen einen Fugitive Dancer mit diesem Album gerade zurück: ein klein wenig traurig ob der Tatsache, dass dieses Werk, welches die Band eventuell bereits vor einiger Zeit aufnahm, jedoch – völlig zurecht – mit all seinem Herzblut und tollen, geradezu süchtig nach der Repeat-Taste machenden Melodien für zu schade für die digitale Schublade befand, wohlmöglich schon das letzte gemeinsame Lebenszeichen gewesen sein mag, und froh, dass man selbst auf Songs wie „Autumn Sky“, „Away“ oder „Weather Woman“ gestoßen ist, bevor die Flut der schnelllebigen Zeiten alles wieder unter sich begräbt. Nicht nur deshalb sind Fugitive Dancer schon jetzt eine meiner persönlichen Entdeckungen des Musikjahres…

 

„‚9 PM On Thursdays‘ – diese Zeit war einmal unsere Zeit. Band-Beisammensein gewordener Termin. Damals, als wir bereits in sechs verschiedenen Städten wohnten und jeden Donnerstag um 21 Uhr für ein, zwei Stunden digitalen Miteinanders auf Skype zusammenfanden. Um unsere, trotz der räumlichen Trennung, noch großen Pläne zu schmieden, Bandproben in Mannheim zu koordinieren, über unsere Zukunft als Band zu sprechen – und den Release jenes Albums zu planen, an dem wir so lange gearbeitet hatten.

Und die Zukunft fand statt, nur ohne unsere Pläne. Lautlos nahm die Zeit jede(n) von uns an die Hand, führte uns hinein in neue Abschnitte und heraus aus anderen, schmiss uns das Leben in allen Farben um die Ohren, ließ uns neue Heimaten finden – und die alte, jahrelange Heimat Fugitive Dancer aus den Augen verlieren. Dabei haben wir sie nie vergessen, nur den Weg zurück nicht mehr gefunden.

Nun lichtet sich in der vielleicht merkwürdigsten Zeit, die man sich dafür ausdenken kann, nach sechs stillen Jahren der Nebel noch einmal und wir reichen nach, was wir zumindest uns damals versprochen hatten: Die Veröffentlichung eines Albums, das uns noch immer die Welt bedeutet und von dem wir hoffen, dass es eure Welt in diesen seltsamen Tagen für ein paar Momente ein bisschen heller macht. Wir verbleiben…

…mit letztem Gruß? Man weiß es nicht. Passt auf Euch auf.
Andi, Jadi, Julian, Marius, Maxim, Sebastian“

 

Via YouTube findet man „9 PM On Thursdays“ im Stream:

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Sean Christopher – „A Thousand Hues“


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Neues vom britischen Singer/Songwriter-Newcomer Sean Christopher, den ANEWFRIEND bereits im vergangenen Oktober kurz vorstellte.

Wie bereits im formidablen Stück „Paper Plane Pilot“ hat sich Christopher auch für den nächsten Vorboten seines am 11. Mai erscheinenden Debütalbums „Yonder“ von der großen weiten Welt da draußen inspirieren lassen und erzählt in „A Thousand Hues“ von Liebe und Tragik gleichermaßen:

“I read a story a few years ago about a Japanese man who lost his wife during the Tsunami back in 2011. He could not find her on land and decided to take diving lessons to search the sea. I was really moved by it and ‘A Thousand Hues’ was written soon after.”

Wunderschön, oder? Ob der Akustikgitarrenklampfer da, wie ich meine, ähnlich klingt wie Coldplay-Frontmann Chris Martin zu seligen „Parachutes“-Zeiten, oder, wie an anderer Stelle gemutmaßt, eher nach Peter Gabriel oder dem jungen Sting? Völlig egal.

 

(Wer möchte, der findet den Song hier bei YouTube…)

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: I Am The Sky – „Fix You“


giphy3Man mag über Coldplay und deren bestenfalls mediokre Veröffentlichungen seit dem dritten, 2005 erschienenen Album „X&Y“, über die beinahe übertrieben massentauglichen Stadionkonzerte, über den Weltumarmungshabitus von Sänger Chris Martin (of former Gwyneth Paltrow Hollywood fame) sagen und schreiben, was man will, aber: so großartige, nahezu zeitlos tolle Songs wie „In My Place“, „The Scientist“, „Clocks“ (eigentlich das komplette zweite Album „A Rush Of Blood To The Head“), wie „Don’t Panic“, „Yellow“ oder „Trouble“ (vom 14 Jahre jungen Debütalbum „Parachutes“) oder eben „Fix You“ (von „X&Y“) muss man erst einmal hinbekommen. Chapeau dafür!

Kaum weniger schön ist auch die Coverversion von „Fix You“, die I Am The Sky hören lassen. Hinter dem ebenso viel- wie schlussendlich nichtssagenden Pseudonym versteckt sich der 24-jährige Singer/Songwriter Jesse Daniel Smith aus dem frankokanadischen Montréal, Quebec. Mit Samthandschuhen – sanfte Akustikgitarren- und Schellenkranzbegleitung sowie (s)einer Stimmlage, die der von Coldplay-Fronter Chris Martin nicht eben unähnlich erscheint – trägt Smith den Coldplay’schen Feuezeugmeer-Konzertklassiker über dreieinhalb Minuten lang gen Nachthimmel…

 

 

„When you try your best but you don’t succeed
When you get what you want but not what you need
When you feel so tired but you can’t sleep
Stuck in reverse

And the tears come streaming down your face
When you lose something you can’t replace
When you love someone but it goes to waste
Could it be worse?

Lights will guide you home
And ignite your bones
And I will try to fix you

And high up above or down below
When you’re too in love to let it go
But if you never try you’ll never know
Just what you’re worth

Lights will guide you home
And ignite your bones
And I will try to fix you

Tears stream down your face
When you lose something you cannot replace
Tears stream down your face
And I

Lights will guide you home
And ignite your bones
And I will try to fix you…“

 

Rock and Roll.

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Review: „Wir sind vorbei“ von Enno Bunger – oder: Anfangs Schwester heißt Ende…


Enno Bunger – Wir sind vorbei (2012)

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Dieses Hesse-Zitat umreißt im Großen und Ganzen auch die Botschaft von „Wir sind vorbei„, dem zweiten, soeben erschienenen Album des aus Ostfriesland stammenden Liedermachers Enno Bunger (nach dem Erstling „Ein bisschen mehr Herz“ von 2010). Denn eben jenes sei ein „Trennungsalbum“ – und das hört man auch. Doch bei allem Leiden, Erstarren, Verharren und sich winden ob der Aussichtslosigkeit der soeben verendenden Beziehung steckt im Großteil der zehn Songs eine Menge Optimismus und, nun ja, sogar „Euphorie“. Schon im Eröffnungssong „Blockaden“ heißt es „Ich fühle mich befreit / Ich fühle mich bereit“, im nächsten Lied, eben jenem programmatisch betitelten „Euphorie“ sogar „Ich schmiede neue Pläne / Ich reiße Wände ein“.
Halt! Das soll ein Trennungsalbum sein? Doch keine Angst, in den nachfolgenden Stücken erfolgt rückblickend die Aufarbeitung der gescheiterten Zweisamkeit: In „Regen“ stellt der Enttäuschte fest, dass die Liebe zu einem Trümmerhaufen zerfallen und längst verglüht ist („Jetzt bleiben nur Schutt und Staub / Ich gehe jetzt nach Hause / Ruf‘ mich an, wenn du was brauchst / Und wenn man die Augen zumacht, klingt der Regen wie Applaus“), während er im darauffolgenden „Abspann“ noch wie gelähmt war ob des bevorstehenden Endes („Wir fragen und seit Tagen: bleiben oder gehen? / Ich kann es nicht ertragen dich so leiden zu sehen / … / Ich sehe unsere Namen in ’nem Abspann / Ich schreibe Abschiedszeilen auf Papier“). Obwohl da noch irgendwo Gefühle sind, und sei es nur durch’s Aneinander-gewöhnt-sein oder durch Vertrautheit, scheint alles Reden zwecklos, alle Bemühungen von Vornherein zum Scheitern verurteilt („Nichts ist für immer / Sag mir: wann hört das auf? / Du fehlst hier“ – aus „Leeres Boot“). Doch irgendwann muss er einsehen, dass Innehalten, Zurückblicken und Trauern doch nur dem Moment nützt und der Neuanfang bereits wartend vor der Tür steht. Es hilft nur eins: „Die Flucht“, denn: „Lieber frei als eingeengt“. Er stürzt sich in lange Nächte, neue Bekanntschaften, neue Abenteuer, und stellt schon bald fest: „Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung“. Obgleich auch das sich aus „Ein Astronaut“ und dem instrumentalen „Präludium“ ziehende Fazit wieder ungleich melancholischer ausfällt, ist „Wir sind vorbei“ auf der Textebene ein optimistisches Album, welches den Schmerz im Rückblick keineswegs ausblendet, jedoch immer wieder feststellt, dass dieser ebenso dazugehört, denn „das Süße ist niemals so süß ohne das Saure“ (Zitat aus dem Film „Vanilla Sky“). Und alles ist endlich, alles hat, so sehr man auch an Liebgewonnenem festhalten mag, seine Zeit. Bleibt nur, zu genießen.


Musikalisch gibt das Klavier hier, oft unterstützt von Bass, Schlagzeug und Gitarre, den Ton an. In „Euphorie“ gesellen sich an Coldplay erinnernde Chöre dazu, „Regen“ verwandelt sich gen Ende hin zu einem bedrohlich großen Post Rock-Sturm, „Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung“ ist mit seinen dezenten Elektronik-Einschüben ein aussichtsreicher Bewerber für’s nächste Beischlaf-Mixtape. Viele Songs sind jedoch in Moll gehalten und werden von Enno Bunger allein an den Tasten dargeboten. Schön melancholisch ist das Ganze, und lässt etwa in „Ein Astronaut“ erahnen, wie sich Major Tom gefühlt haben muss, nachdem er feststellte, dass alles Hoffen vergebens ist und er sich einfach treiben lassen und den Anblick genießen sollte. So auch hier.
„Wir sind vorbei“ mutet vom Titel her wie eine vertonte Schlussmach-SMS an, stellt jedoch auch Bezüge zu Klassikern wie Hesse oder Goethe her. An einigen Stücken mag Enno Bunger nur knapp am Kitsch vorbei schiffen, jedoch nimmt man ihm Euphorie und Trauer immer ab. Alles in Allem klingen die Songs aufgrund der Stimme und der Bedeutungsschwere so sehr nach Kante, dass man schwören könnte, die Hamburger Band würde nun verdeckt und unter neuem Namen musizieren – was ja nun nicht die schlechteste Referenz ist. Stellenweise mag man auch an Erdmöbel denken. Und wie sagen die einst: „Anfangs Schwester heißt Ende.“ Genauso sieht’s aus!

Hier könnt ihr euch „Regen“, einem meiner Album-Favoriten, anhören…

 

…euch das Video zu „Euphorie“ ansehen…

 

…und euch den Song „Abspann“ in der Detektor.fm-Akustik Session-Version anschauen:

 

Rock and Roll.

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