Manchmal ist die Wahrheit so banal und simpel, dass man sich am Ende am liebsten seiner eigene Geschichte zusammen gebastelt und zurecht gebogen hätte…
Man nehme nur einmal diesen Künstlernamen: Chet Faker. Geil, oder? Da ließe sich etwa zusammenspinnen, dass die Mutter dieses Herren in den sündigen Siebzigern einmal eine Affäre mit dem legendären, Rauschmitteln nicht eben abgeneigten Jazzmusiker Chesney Henry Baker Jr., wohl besser bekannt als Chet Baker, gehabt haben mag, und dass der Spross eben dieser Liaison sich nun aufgeschwungen hat, es seinem verstorbenen Vater gleich zu tun und ebenfalls Musiker zu werden – mit dem Erzeuger als augenzwinkernde coole Hommage im Alias. Nein, wohl alles (h)ausgemachter Hirnsalat, die Realität mag’s leider banal: Hinter dem Pseudonym „Chet Faker“ versteckt sich lediglich der Australier Nicholas „Nick“ James Murphy, der bereits in seinen musikalischen Anfängen feststellte, dass es einen Musiker gleichen Namens (also: Nick Murphy) gab, und sich, um Verwechslungen von vornherein aus dem Weg zu gehen, eben dieses feine Künstlernamenwortspiel ausdachte. Dabei führt einen der Name nicht einmal auf die falsche Assoziationsfährte. Denn der 24-jährige Murphy komponiert seine Stücke ähnlich frei und im Raum schwebend wie im Jazz…
Für erste Furore sorgte er allerdings mit einer Coverversion: 2011 stellte Murphy seine Interpretation des Neunziger-Jahre-Evergreens „No Diggity“ (im Original von Backstreet und Dr. Dre) ins Internet – und löste damit in den musikalischen Blogsphäre eine wahre – wenn auch kleine – Welle der Begeisterung aus. Das E-Piano perlt über simple Funksprünge und umspielt „Location Samples“ (so nennt zumindest der Künstler selbst seine Field Recordings aus Stadt und Land), während Chet Faker süßlich darüber croont: „I like the way you work it/ No diggity, I got to bag it up, bag it up…“. Einen ähnlichen Klangkosmos erspielt sich auch die im vergangenen Jahr erschienene Debüt-EP „Thinking In Textures
„: Murphy sammelt Stilmittel aus R&B oder Soul zusammen, vermengt diese mit Beats, Samples oder zarten Industrial-Einflüssen und schüttelt diese Mixtur zu einem höchst zeitgemäßen Cocktail durch, der als Einheit auch in einer Lounge-Bar, irgendwo zwischen Burial, James Blake, Frank Ocean, Flying Lotus, Thom Yorke (der Solo-Yorke, nicht der Radiohead- oder Atoms For Peace-Yorke!) oder alten Motown, nicht unangenehm auffallen würde. Und obwohl den sieben Songs der immerhin knapp 30 Minuten langen EP wohl Vieles näher länge als sich nach Aufmerksamkeit zu drängen, blieben Chet Fakers Qualitäten auch in der australischen Musikszene nicht verborgen. So gewann Murphy 2012 den Preis als „Breakthrough Artist of the Year“ sowie den „Independent Records Award“, während seine gemeinsam mit DJ-Kumpel Flume (aka. DJ Harley Streten) veröffentlichte Single „Left Alone“ die Charts ordentlich aufmischte. Lupenreine Popqualitäten hat Murphys Musik dabei kaum, eher schmiegt sie sich wie ein Tagtraum an die Gehörgänge – so lange, bis man mehr will vom zurückgelehnten Electronica-Crooner aus der Vier-Millionen-Einwohner-Metropole Melbourne. So lange, bis man zu Songs wie „I’m Into You“ oder „Cigarettes And Chocolate“ süchtig lächelt in den grauen Winterhimmel blickt. Immer noch besser, als sich wie Chet Baker für immer aus dem Fenster eines Amsterdamer Hotels zu verabschieden…
Soeben ist mit der Drei-Track-Single „Drop The Game“ / „What About Us“ / „This Song Is…“, welche man als „Lockjaw EP“ finden kann, das nächste Kollaborationsergebnis des sympathischen Bartträger-Aussies mit seinem Elektro-DJ-Kumpel Flume erschienen. Und während man noch immer auf den ersten Solo-Langspieler warten muss (wer die australische Mentalität kennt, der weiß, dass das bei all der Laid-Backness schon mal etwas länger dauern dürfte…), kann man sich die Zeit mit der hervorragenden „Live Sessions EP“ (gibt’s hier für lau, umme und kostenlos!) vertreiben, bei deren drei Stücken – dem Burial-Cover „Archangel“, dem EP-Verteter „Love And Feeling“ und der famosen Backstreet-Interpretation „No Diggity“ – Chet Faker und seine Buddies beweisen, dass deren Musik auch im live bespielten Bandkonstrukt so einiges kann…
Noch nicht genug? Dann gibt’s hier noch die Musikvideos zu „Terms And Conditions“…
…der erfolgreichen Flume-Kollabo „Left Alone“…
…und der neuen Single „Drop The Game“, bei welcher Flume bekannt ebenso mitmischte:
Und wen die Worte des Künstlers selbst interessieren, der findet bei den Kollegen des „Noisey – music by Vice“-Internetportals ein mit Nick „Chet Faker“ Murphy geführtes Interview vom Juli diesen Jahres, in welchem der Australier – natürlich ganz entspannt – mehr über Inspirationen, Freundeskreis und Pläne erzählt.
Rock and Roll.