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Song des Tages: Beans On Toast – „Against The War“


Zwar mag die neue Single von Beans On Toast mit fröhlichem Pfeifen und sanftem Akustikgitarren-Klimpern beginnen, dennoch vermittelt Jay McAllister mit „Against The War“ eine ernste Botschaft, die keinerlei Zweifel daran lässt, dass er „gegen den Krieg“ ist. Ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine entwirft der englische Folk-Musiker (von dem etwa hier bereits die Schreibe war) mit seinen kraftvollen Worten eindringliche und erschreckende Bilder des Leides, wobei er die Sprache auf typisch effektive Weise einsetzt: “The whole thing is fucking horrible / Watching war crimes on my phone / I stand with the victims / Whoever they are / And I’m against the war.”

Dabei passt sich der Song den düsteren Zeiten an, zu erwarten war er dennoch nicht, schließlich waren viele von Beans‘ Stücken in letzter Zeit recht außergewöhnliche Statements der Hoffnung und Positivität, die eine durchaus optimistische Sicht der Menschheit und unseres Platzes in der Welt vermittelten. Auf dem letzten regulären, im Dezember 2021 erschienenen Album „Survival Of The Friendliest“ etwa lieferte er seinen Fans ganz bewusst eine aufmunternde Antwort auf die Zweifel, die Unsicherheit und die Tragödien der letzten Jahre, im vergangenen Dezember – wie immer (seit 2009) pünktlich zu seinem eigenen Geburtstag – veröffentlichte der 42-jährige DIY-Musiker mit „The Fascinating Adventures Of Little Bee“ eine Reihe von Kinderliedern und -büchern von und mit seiner kleinen Tochter. Die neue Single jedoch ist ein echtes Zeitgeist-Statement und eine Rückkehr zu jenen Protestsongs, mit denen sich McAllister in seinen Anfangstagen einen Namen in der britischen Folk-Szene machte. Zudem steht „Against The War“ knöcheltief in der Tradition der Protestsongs von Bob Dylan, Pete Seeger oder Neil Young und macht deutlich, wofür auch Beans On Toast steht: Frieden. Er erklärt: „‚Against The War‘ ist ein Protestsong. Es ist ein Lied über Frieden, geschrieben in einer Zeit des Krieges. Es war nicht leicht, den Song zu schreiben, aber wie jeder andere auch, habe ich die Schrecken der Invasion in der Ukraine im letzten Jahr nicht aus den Augen verloren.“

Das Stück ist als „Name your price“-Download via Bandcamp erhältlich, der gesamte Erlös geht an die Campaign for Nuclear Disarmament. So unglaublich es sich anfühlen mag, dass der Krieg in der Ukraine nun schon ein Jahr Leid, Zerstörung sowie allerlei globale Folgen bringt, so wichtig ist es, dass Künstler wie Beans On Toast, der sich gerade mitten in einer großen ‚BACK OUT ON THE ROAD‘-Tour durch Großbritannien befindet (die mit der gleichnamigen Single begann), und Songs wie dieser den Konflikt in unseren Köpfen (und Ohren) wachhalten.

Rock and Roll.

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Moment! Aufnahme.


Dave Grohl und Shane Hawkins in London. (Foto gefunden bei Facebook)

„Meine Damen und Herren, wir haben uns heute Abend hier versammelt, um das Leben, die Musik und die Liebe unseres lieben Freundes, unseres Bandkollegen, unseres Bruders Taylor Hawkins zu feiern“, leiteten Dave Grohl und seine restlichen Foo Fighters-Bandmates Nate Mendel, Chris Shiflett, Pat Smear und Rami Jaffee am Samstag sichtlich bewegt das erste Tribute-Konzert zu Ehren ihres verstorbenen Bandkollegen und Freundes ein – ein Abend, der mit seinen zahlreichen einmaligen Auftritten im ausverkauften Londoner Wembley-Stadion in vielerlei Hinsicht kaum denkwürdiger hätte ausfallen können…

„Wir haben uns heute Abend mit seiner Familie und seinen engsten Freunden, seinen musikalischen Helden und größten Inspirationen versammelt, um euch eine verdammt gigantische Nacht für einen verdammt gigantischen Menschen zu bieten. Also singt und tanzt und lacht und weint und schreit und macht verdammt noch mal Lärm, damit er uns jetzt hören kann! Denn wisst ihr was? Es wird eine verdammt lange Nacht werden“, fuhr der Foo Fighters-Frontmann fort. Über sechs Stunden folgten Auftritte wie etwa von Ex-Oasis-Lautsprecher Liam Gallagher, Brian Johnson (AC/DC), Lars Ulrich (Metallica), Stewart Copeland (The Police), Brian May und Roger Taylor (beide Queen), Justin Hawkins (The Darkness), Josh Homme (Queens Of The Stone Age), Wolfang Van Halen, Kesha, Chris Chaney, Greg Kurstin, Supergrass, Geddy Lee und Alex Lifeson (beide Rush), den Pretenders oder Nile Rogers, um Hits der jeweiligen Künstler oder Cover-Versionen mal gemeinsam mit den Foo Fighters als souverän aufspielende Backing-Band, mal in amtlicher All-Star-Besetzung zu performen. Beinahe immer an irgendeinem Instrument dabei: Dave Grohl.

Buddies for life: Taylor Hawkins und Dave Grohl. (Foto: Danny Clinch)

Für alle Freunde des durchaus weitreichenden kreativen Schaffens des 53-jährigen Musiker-Tausendsassas dürfte vor allem die Reunion von Them Crooked Vultures von Interesse gewesen sein, jener Supergroup bestehend aus Grohl, Queens Of The Stone Age-Kopf Josh Homme und John Paul Jones von Led Zeppelin. Nach einer Videobotschaft von Elton John betrat die kurzlebige Band, deren einziges Album 2009 erschienen war, zusammen mit Alain Johannes (Eleven, Queens Of The Stone Age) erstmals seit zwölf Jahren gemeinsam die Bühne, eröffnete mit dem Elton-John-Song „Goodbye Yellow Brick Road“ und spielte dann ihren Song „Gunman“ sowie „Long Slow Goodbye“ von den Queens Of The Stone Age.

Dass Talent scheinbar vererbt werden kann, bewies Dave Grohls 16-jährige Tochter Violet, die ebenfalls in London anwesend war und Coverversionen von Jeff Buckley („Last Goodbye“ und „Grace“, angesichts der nicht eben simplen Originale durchaus amtlich abgeliefert) sowie „Valerie“ (The Zutons) zum Besten gab. Bei letzterem war übrigens ein gewisser Mark Ronson an der Gitarre dabei, der dem Song anno dazumal als Coverversion der ebenso großen wie früh verstobenen Amy Winehouse zu neuen Bekanntheitshöhen verhalf.

Gegen Ende des Tribute-Abends betraten dann erneut die Foo Fighters die Bühne des Wembley-Stadions und spielten während ihres ersten offiziellen Auftritts nach dem Tod von Taylor Hawkins im März diesen Jahres insgesamt zehn Songs mit wechselnden Schlagzeugern, darunter Session-Drummer Josh Freese (A Perfect Circle, Nine Inch Nails, Weezer, Sting), Travis Barker (blink-182), die 12-jährige Erzfeindin“ von Grohl, Youtuberin Nandi Bushell (welche angesichts ihres zarten Alters von gerade einmal zwölf Jahren fantastisch aufspielte), sowie Rufus Taylor, dem Sohn von Queen-Schlagzeuger Roger Taylor, bei dem man schon zwei Mal genauer hinschauen musste, ob da nicht Taylor Hawkins aus dem Rocker-Jenseits hinabgestiegen sei, so sehr ähnelt die Optik des 31-Jährigen der des verstorbenen Foos-Drummers – wenig verwunderlich also, dass sich nicht wenige Anhänger der Band ausgerechnet ihn als Hawkins‘ Nachfolger wünschen. Ebenso wenig überraschend dürfte denn auch gewesen sein, dass Grohl, der im Juli diesen Jahres (und während der Vorbereitungen zu den Tribute-Shows) auch noch seine Mutter verlor, bereits während des eröffnenden „Times Like These“ mit den Tränen kämpfte und sichtlich bewegt innehalten musste. Glücklicherweise war auf die Anwesenden verlassen: Das Publikum sang für ihn, bis er sich wieder gefangen hatte.

Es folgte – nach energetischen Performances von Foo-Evergreens wie „All My Life“, „The Pretender“ oder „Best Of You“ – ein Überrschungs-Auftritt von Paul McCartney, der die Foo Fighters letztes Jahr in die legendäre „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen hatte. Er betrat die Bühne zusammen mit Pretenders-Frontfrau Chrissie Hynde und kündigte einen Song an, „den ich nicht mehr gespielt habe, seit ich ihn vor 100 Jahren aufgenommen habe – ich habe ihn noch nie im Duett gesungen, aber wir werden ihn heute Abend zum ersten Mal singen“. Zusammen mit Grohl, Pat Smear und Jazz-Schlagzeuger Omar Hakim in der Band performten McCartney und Hynde – mit 80 beziehungsweise 70 Lenzen allein schon altersbedingt Rock-Legenden und dementsprechend nicht mehr ganz so gut bei Stimme wie in jungen Jahren – dann „Oh! Darling“ von den Beatles – immerhin die erste Performance des Songs von McCartney seit 1969.

Zum Finale spielten die Foo Fighters „Aurora“ mit Omar Hakim (das Stück war der erklärte Foo-Fighters-Backkatalog-Liebling von Taylor Hawkins) und danach „My Hero“ mit Taylor Hawkins‘ Sohn Oliver Shane Hawkins am Schlagzeug. Dass der 16-Jährige seligen drauf hat, bewies Shane bereits im Juli, als er den Song vom zweiten, 1997 veröffentlichten Foo-Album „The Colour And The Shape“ mit seiner Schulband bei einem öffentlichen Auftritt zu Ehren seines Vaters spielte. In den sozialen Medien schwärmten Fans von einem der „berührendsten Momente in der Rockgeschichte“. Der Auftritt des Jungen sei „unglaublich“ und „beeindruckend“ gewesen, hieß es bei Twitter unter dem Hashtag #TaylorHawkinsTribute. Ein Nutzer schrieb recht treffend nur: „Gänsehaut“. Was darauf noch folgen konnte? Klar: Als letzten Song des Abends performte Grohl das nahezu unvermeidliche „Everlong“ solo (und damit kaum weniger reich an Gänsehaut), bevor er (fast) alle Teilnehmenden des Abends zur finalen Verabschiedung auf die Bühne holte. Uff. Wahnsinn. Großartig. Vonwoauchimmer Taylor Hawkins dem ganzen, amtlich rockenden Konzert zu seinen Ehren gelauscht haben mag, es wird ihm gefallen haben, denn sein Surfer-Dude-Grinsen war in jedem verfickten Moment spürbar.

Das erste offizielle Bild der Foo Fighters ohne Taylor. (Foto: Danny Clinch via Facebook)

Wer (wie ich) nicht in der englischen Hauptstadt anwesend war, der hatte Glück, denn die komplette Show wurde unter anderem auf YouTube gestreamt (und kann auch noch nachträglich über Paramount+ angesehen werden). Die Ticket- und Merchandise-Einnahmen der beiden „Taylor Hawkins Tribute Concerts“ kommen auf Wunsch der Hawkins-Familie den Organisationen Music Support und Musicares zugute, die sich der Gesundheit und dem Wohlergehen der Musikgemeinschaft widmen. Das zweite Tribute-Konzert findet am 27. September in Los Angeles mit vielen weiteren Gästen statt. 

Taylor Hawkins war am 25. März während der Südamerika-Tour der Foo Fighters tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden worden. Die Todesursache wurde nicht öffentlich bekannt gegeben. Bei einer Untersuchung wurden allerdings verschiedene Substanzen in Hawkins‘ Körper festgestellt, die auf die Umstände seines Todes hinweisen.

— SETLIST: Taylor Hawkins Tribute Concert (Wembley Stadium, London, Sept 3, 2022) —

Liam Gallagher & Foo Fighters

„Rock ‚N‘ Roll Star“ (Oasis)
„Live Forever“ (Oasis) 

Nile Rodgers, Chris Chaney & Omar Hakim

„Let’s Dance“ (David Bowie) (mit Josh Homme)
„Modern Love“ (David Bowie) (mit Gaz Coombes) 

Chevy Metal

„Psycho Killer“ (Talking Heads)
„Children Of The Revolution“ (T. Rex) (mit Kesha) 

Justin Hawkins, Josh Freese & The Coattail Riders

„Louise“ (Taylor Hawkins & The Coattail Riders)
„Range Rover Bitch“ (Taylor Hawkins)
„It’s Over“ (Taylor Hawkins & The Coattail Riders) 

Wolfgang Van Halen, Dave Grohl, Justin Hawkins & Josh Freese

„On Fire“ (Van Halen)
„Hot For Teacher“ (Van Halen) 

Violet Grohl, Dave Grohl, Alain Johannes, Chris Chaney, Greg Kurstin & Jason Falkner

„Last Goodbye“ (Jeff Buckley)
„Grace“ (Jeff Buckley) 

Supergrass

„Richard III“ (Supergrass)
„Alright“ (Supergrass)
„Caught By the Fuzz“ (Supergrass) 

Them Crooked Vultures

„Goodbye Yellow Brick Road“ (Elton John)
„Gunman“ (Them Crooked Vultures)
„Long Slow Goodbye“ (Queens Of The Stone Age) 

Pretenders & Dave Grohl

„Precious“ (Pretenders)
„Tattooed Love Boys“ (Pretenders)
„Brass In Pocket“ (Pretenders) 

James Gang

„Walk Away“ (James Gang)
„The Bomber: Closet Queen / Bolero / Cast Your Fate to the Wind“ (James Gang)
„Funk #49“ (James Gang) (mit Dave Grohl) 

Violet Grohl, Mark Ronson, Chris Chaney & Jason Falkner

„Valerie“ (The Zutons) 

Brian Johnson, Lars Ulrich & Foo Fighters

„Back In Black“ (AC/DC) (mit Justin Hawkins)
„Let There Be Rock“ (AC/DC) 

Stewart Copeland & Foo Fighters

„Next To You“ (The Police) „Every Little Thing She Does Is Magic“ (The Police) (mit Gaz Coombes)

Geddy Lee & Alex Lifeson

„2112 Part I: Overture“ (Rush) (mit Dave Grohl) „Working Man“ (Rush) (mit Dave Grohl) „YYZ“ (Rush) (mit Omar Hakim)

Brian May, Roger Taylor, Rufus Taylor & Foo Fighters

„We Will Rock You“ (Queen) (mit Luke Spiller)
„I’m in Love With My Car“ (Queen)
„Under Pressure“ (Queen) (mit Justin Hawkins)
„Somebody To Love“ (Queen) (mit Sam Ryder)
„Love Of My Life“ (Queen) (Brian May solo) 

Foo Fighters

„Times Like These“ (mit Josh Freese)
„All My Life“ (mit Josh Freese)
„The Pretender“ (mit Travis Barker)
„Monkey Wrench“ (mit Travis Barker)
„Learn To Fly“ (mit Nandi Bushell)
„These Days“ (mit Rufus Taylor)
„Best Of You“ (mit Rufus Taylor) 

Paul McCartney, Chrissie Hynde, Dave Grohl, Omar Hakim & Pat Smear

„Oh! Darling“ (The Beatles) & „Helter Skelter“ (The Beatles)

Foo Fighters

„Aurora“ (mit Omar Hakim)
„My Hero“ (mit Oliver Shane Hawkins)
„Everlong“ (Dave Grohl solo)

Rock and Roll.

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„A Monument To Commemorate Our Time: A Tribute to Lifted by Bright Eyes“ – Ein Sampler zum 20. Geburtstag des Bright Eyes-Durchbruchalbums


Herrschaftszeiten, wo ist all die Zeit geblieben, Teil 5.839: Dieser Tage feiert „Lifted or The Story Is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground„, seines Zeichens die vierte Langspielplatte von Conor Obersts Haupt- und Herzensband Bright Eyes, bereits sein 20. Veröffentlichungsjubiläum.

Seitdem ist logischerweise so einiges passiert: In der Band-Heimat US of A war ein gewisser George W. Bush anno dazumal gerade einmal etwas länger als ein Jahr im Amt des US-Präsidenten, zudem war die Nation noch mitten dabei, die weltverändernden Ereignisse des 11. September 2001 zu verarbeiten (leider ohne dabei ihr eigenes Selbstverständnis als vermeintliches „home of the brave and land of the free“, geschweige denn die immanente Waffen- und Kriegsvernarrtheit angemessen zu hinterfragen). Zwei aus recht unterschiedlichen Gründen bemerkenswerte US-Staatsoberhäupter namens Barack Obama und Donald Trump später mögen sich in den US of A zwar so einige Dinge gewendet haben, jedoch keineswegs zum Besseren – ganz im Gegenteil: das Land mit seien 331 Millionen Einwohnern scheint in vielerlei Hinsicht tiefer gespalten denn je; ganz egal, ob man sich auf die Grenzen zwischen Arm und Reich, Bleichgesichtern, Migranten und People of Color, Demokraten- und Republikaner-Wählerschaft oder Abtreibungsgegner und -befürwortern bezieht. Ein Land, das nach eigenem Selbstverständnis das lebenswerteste, demokratischste und schlichtweg obertollbeste der Welt sein mag, hat sich ohne jeglichen Zweifel innerhalb eines Vierteljahrhunderts hinein in die steinzeitliche Geistesgegenwartsecke meilenweit entfernt vom einstigen „American Dream“ manövriert. Und hierzulande? Sieht es nach immerhin 16 Jahren Bundeskanzlerinnenschaft von Angela Merkel mitsamt rautenschem „Wir schaffen das!“-Allesaussitzen kaum besser aus – minus bescheuerter Waffengeilheit, logischerweise. Dutzende klimatische Brandherde, etliche Naturkatastrophen, eine weltweite Pandemie und immer mehr unzufriedenem Rumoren innerhalb nahezu aller Bevölkerungsschichten (das sich etwa in spinnertem Verschwörungsschwurbelertum Bahn bricht) später ist die Welt – gefühlt, gefühlt – dem Rand einer unsicheren Zukunft näher als dem friedefreudeeierkuchenen Happy-go-lucky. Und dass ausgerechnet Merkels Amtsvorgänger Gerhard Schröder unbeirrt zu Intimkumpel und Russland-Präsident Wladimir Putin hält, der Anfang des Jahres einen Angriffskrieg vor der Haustür der EU und Nato vom Zarenzaun gebrochen hat, ist nur ein klitzekleines Beispiel von vielen, die aufzeigen, was hier in wemauchimmers Namen so verdammt falsch läuft…

Aber zurück zur Musik.

Seit „Lifted…“ haben Bright Eyes mittlerweile sechs weitere Alben veröffentlicht, zuletzt 2020 das tolle „Down in the Weeds, Where the World Once Was„. Conor Oberst, damals zarte 22 Lenze jung, hat, wie die Band auch, in der Zwischenzeit der von ihm mitbegründeten Labelheimat Saddle Creek den kreativen Rücken gekehrt, nebenbei eine durchaus beachtliche Solo-Karriere hingelegt und mit 42 Jahren den Titel des „spokesman for a generation“ ebenso final ad acta gelegt wie die optische Erscheinung des grüblerischen Holden-Caulfield-Lookalikes – Bürden, an denen er zwischenzeitlich ein ums andere Mal beinahe zu zerbrechen drohte, denen er jedoch andererseits auch so einige auch heute noch über nahezu jeden kritischen Zweifel erhabene Meisterwerke wie den 2005 zeitgleich veröffentlichten Album-Doppelschlag „I’m Wide Awake, It’s Morning“ und „Digital Ash in a Digital Urn“ abrang.

Eine Sache, auf die man sich bei neuen Releases aus dem Hause Bright Eyes, zu deren Kern neben Oberst noch immer Mike Mogis und Nate Walcott zählen, stets verlassen konnte, ist, dass man in die Werke Stück für Stück eintauchen konnte, Zug um Zug in aller Seelenruhe in deren Zentrum schwimmen konnte, darin versinken durfte – und bei jedem Durchgang noch stets Neues, Faszinierendes entdecken konnte – sowohl in der Musik als auch in den Texten. Hier die große, sinnstiftende Weltumarmung, da die nihilistische Abscheufratze der Einsiedelei – drunter ließen es Oberst, Mogis, Walcott und ihre vielen Mitmusiker selten geschehen. Das galt damals für die vielen tollen Stücke von „Lifted…“, für „Lover I Don’t Have to Love“, „Method Acting“, „Bowl of Oranges“, „Waste of Paint“ oder „Let’s Not Shit Ourselves (To Love and to Be Loved)“, die freilich nur als zu erlebendes Ganzes einen wirklichen Sinn ergaben, das gilt ebenso noch heute, zwanzig Jahre später.

Man selbst mag merklich älter geworden sein, sich Dutzende Male ver- und entliebt, graue Haare und mehr Lebensfalten bekommen, eventuell sogar eine Familie gegründet haben. Legt man jedoch ein Kleinod wie „Lifted…“ mit seinen zig alles andere als perfekten – und ebendarum so sympathischen – Ecken und Kanten ein (oder eben auf), so sind all die Erinnerungen, welche damals, 2002, vorm inneren Cinemascope-Auge an einem vorbei schwirrten, wieder da. Freilich mögen Conor Oberst und seine Musiker*innen-Gang noch ähnlich gelungene Werke im Oeuvre-Köcher haben, nur war eben dieses das, in welches sich nicht wenige (wie etwa ich) zuerst verlieben durften. Und an die erste Liebe erinnert man sich mit etwas Sentimentalität im Knopfloch auch in unbeständigen Zeiten wie diesen nur allzu gern.

Passend zum Zwei-Dekaden-Jubiläum hat das US-Indie-Label Take This To Heart Records einige durchaus namenhafte Künstler*innen und Bands wie Kali Masi, Sarah and the Safe Word, Snarls oder Future Teens versammelt, um „Lifted…“ in Gänze covern zu lassen. Noch lobenswerter ist, dass es das Ergebnis via Bandcamp als „Name your price“-Download gibt und alle Einnahmen karitativen Zwecken zugute kommen. Reinhören, Zugreifen und nach Möglichkeit einen kleinen Spenden-Betrag da lassen lohnt sich also in jedem Fall!

„Released twenty years ago this month, ‚Lifted or The Story Is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground‘ suspends the Bright Eyes project at a fascinating pivot point. Midway between the lauded ‚Fevers and Mirrors‘ and the one-two punch of ‚I’m Wide Awake It’s Morning‘ and ‚Digital Ash in a Digital Urn‘ three years later, ‚Lifted‘ accentuates Conor Oberst’s fascination with expansive arrangements. Twinklings of chamber pop, dusted-up country, and the band’s propulsive and influential indie-folk roots abound. (Bright Eyes’ gaze upon mainstream popularity would begin its laser focus on this cycle, earning the group its first Billboard 200 placement and late-night TV cred.)

Take This to Heart Records presents ‚A Monument to Commemorate Our Time‘, a full-album toast to Bright Eyes’ breakthrough. Each featured artist offers their spin of each towering moment and simmering comedown that aligns with their main output and elevates the source material. Where else can you find glitterbomb electropop reworks side-by-side with tributes worthy of the original’s anguish and wanderlust? Fans of the 2002 LP, come for a celebration. Newcomers: here’s a reason to dive in. 

A Monument to Commemorate Our Time‘ is benefitting the National Multiple Sclerosis Society, with all proceeds being donated in perpetuity.“

Rock and Roll.

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Song des Tages: Angel Olsen – „One Too Many Mornings“


Wir leben in verdammt unbeständigen Zeiten, von daher ist’s schön wenn es Dinge gibt, die nunmal schlichtweg feststehen. Dass Bob Dylan mindestens ein, zwei phänomenal großartige Songs geschrieben hat und die Singer/Songwriter… ach was, die Musikszene heutzutage ohne Robert Allen Zimmerman aus Duluth, Minnesota eine nahezu undenkbare, jedoch mindestens völlig andere wäre.

Absolut verständlich also, dass im Laufe der Jahrzehnte zig mal mehr, mal weniger bekannte Künstler*innen und Bands die 81-jährige, unter anderem gar mit einem Literatur-Nobelpreis dekorierte Musik-Legende mit Coverversionen bedacht haben – zwar mit höchst unterschiedlichen qualitativen Erfolgen, dennoch sorgt jede einzelne von ihnen dafür, Dylans Erbe fester im Hier und Jetzt zu verankern.

Auf der positiven Habenseite präsentiert sich nun jene Coverversion, die Angel Olsen unlängst vom anno 1964 auf Bob Dylans drittem Album „The Times They Are A-Changin‘“ erschienenen Stück „One Too Many Mornings“ veröffentlicht hat. Die Version der US-Indie-Folk-meets-Art-Pop-Musikerin, welche ihrerseits unlängst mit „Big Time“ ein von der Kritik höchst positiv aufgenommenes neues Album in die Plattenläden stellte, ist Teil des Soundtracks zur Apple TV+-Serie „Shining Girls„, in der Elisabeth Moss („The Handmaid’s Tale“) sowohl als Darstellerin als auch als ausführende Produzentin in Erscheinung tritt.

Etwas Gutes hat der Musik gewordene Dylan-Knicks obendrein auch, denn Olsen spendet die Einnahmen aus den Streaming-Tantiemen für „One Too Many Mornings“ an die gemeinnützige US-Organisation Everytown for Gun Safety, die sich für die Kontrolle von Waffen einsetzt. Zudem wird die 35-jährige Musikerin in Kürze mit den befreundeten Kolleginnen Julien Baker und Sharon Van Etten auf ausgedehnte The Wild Hearts-US-Tour gehen und während der Konzerte, wie man so liest, den gemeinsamen Wurzeln für den guten alten, handgemachten Alt.Country fröhnen. Shows in good ol‘ Europe sind zwar aktuell nicht geplant, dafür kann man derzeit bestens Angel Olsens neusten kreativen Ergüssen auf Konserve (aka. Studio-Langspieler Nummer sechs) lauschen.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Pink Floyd – „Hey Hey Rise Up“ (feat. Andriy Khlyvnyuk)


Am Anfang ist da ein Chor, der nach Kosakenfolklore und Schwarzmeermatrosen klingt. Kurze Irritation. 16 Sekunden später merkt man allerdings, wer hier eigentlich spielt. Die ersten Schlagzeugschläge, swingend und pointiert, dabei mit leicht existenzialistischer Rückhand ausgeführt, dann die von der Seite schwer ins Bild rollende Orgel. Alles: musikhistorische Wasserzeichen. Wer „Hey Hey Rise Up“ hört, den Song, der vor einigen Tagen auf den Streaming- und Download-Plattformen auftauchte, dessen Single-Artwork eine Art „Sonnenblume mit Auge“ zeigt, während der Schriftzug der Band ist in den ukrainischen Landesfarben Blau und Gelb getaucht ist, dürfte also auch ohne gesonderten Hinweis merken, um was es sich hier handelt: um ein neues Stück von Pink Floyd, einer der größten, wegweisendsten, vor vielen Jahren stillgelegten Rockbands der Geschichte – auch wenn das noch nicht die ganze Wahrheit ist.

Denn der Sänger, dessen bebender Tenor „Hey Hey Rise Up“ hier durch seine dreieinhalb Minuten trägt, heißt Andriy Khlyvnyuk. Er stammt aus Tscherkassy, das mitten in der Ukraine am Fluss Dnepr liegt, und ist seit 2004 das Gesicht der Band BoomBox, die in ihrer Heimat durchaus als „Superstars“ bezeichnen könnte. Als die russische Armee im Februar die Invasion begann, verschob die Gruppe ihre für März und April geplanten Amerika- und Europakonzerte und rückte – wie viele andere heimische Künstler – geschlossen zur Landesverteidigung ein. Am vierten Kriegstag postete Khlyvnyuk, gewissermaßen als Gruß von der Front, auf seinem Instagram-Account ein kurzes Smartphone-Video, das ihn vor der Sophienkathedrale in Kiew zeigt. Das spontan gesungene „Oi u luzi chervona kalyna“ („Der rote Schneeball auf der Wiese“), ein ukrainisches Kampflied aus dem Ersten Weltkrieg, verbreitete sich schnell und weit im weltweiten Netz. Verschiedene Musiker spielten Musik dazu, fertigten Mash-up-Fassungen an – im Grunde der übliche zu erwartende Schneeballeffekt bei derart bewegenden Beiträgen, welche noch dazu gesellschaftspolitische Tragweite besitzen.

Pink Floyds „Hey Hey Rise Up“ betitelte Variante ist nun einerseits eine weitere Version, in der eine Band die Gesangsspur aus Andriy Khlyvnyuks Clip neu vertont und interpretiert. Zudem hat Gitarrist und Initiator David Gilmour sie als aufsehenerregendes popkulturelles Ereignis konzipiert. Pink Floyd, die großen britischen Epiker und Progressive-Rock-Experimentalisten, veröffentlichten zuletzt 1994 wirklich neue Musik (wenngleich 2014 mit „The Endless River“ noch einmal dröge Resteverwertung aus den „Division Bell“-Sessions betrieben wurde), traten 2005 ein letztes Mal in klassischer Besetzung auf. Der Tod des Keyboarders Rick Wright 2008 – zwei Jahre, nachdem das bereits 1968 ausgestiegene Gründungsmitglied Syd Barrett verstarb – sowie die andauernden Unverträglichkeiten zwischen Gilmour und dem ursprünglich zweiten Bandkopf Roger Waters, den der Rest der Gruppe anno 1985 im Streit schasste, beschlossen jedoch effektiv die Geschichte. „Es ist vorbei, die Band ist am Ende. Es wäre Betrug, noch irgendwie weiterzumachen“, sagte Gilmour 2015 in einem Interview mit dem „Guardian“.

Es ist jetzt also tatsächlich eher die legendäre Marke, die charakteristische Pink-Floyd-Idee, als die eigentliche Band, die der 76-jährige Gilmour anlässlich des Ukraine-Krieges zeichenhaft wiederbelebt hat. Als einziges weiteres (Ex-)Bandmitglied ist auf „Hey Hey Rise Up“ Schlagzeuger Nick Mason, auch bereits stolze 78 Lenze alt, vertreten. Die Freunde und langjährigen Kollaborateure Guy Pratt und Nitin Sawhney spielen die restlichen Instrumente. Dennoch haben die Musiker es geschafft, dem für sie gänzlich untypischen Stück osteuropäischer Quasi-Folklore etwas von der ebenso warmen wie unheilvoll dräuenden Atmosphäre der großen Floyd-Werke zu verleihen. Inklusive eines ausgiebigen Gitarrensolos, das Gilmour in einem aktuellen Interview (ebenfalls mit dem „Guardian“) als seinen „Rockgott-Moment“ bezeichnet – mit genug expliziter Selbstironie, um das Wahrheitskorn darin funkeln zu lassen. Als Klassiker im Pink-Floyd-Kanon wird das Stück sicherlich niemals gelten, umso mehr Reichweite erzeugt es jedoch für die Geschichte, die hinter ihm steht.

Gilmour lernte die BoomBox-Musiker vor Jahren bei einem Konzert in London kennen, hat außerdem selbst eine ukrainische Schwiegertochter. Der Brite sagte, er habe mit Andriy Khlyvnyuk, der sich in einem Krankenhaus von einer Granatsplitterverletzung erholte, gesprochen, als er den Song geschrieben habe: „Ich habe ihm am Telefon ein wenig von dem Song vorgespielt, und er gab mir seinen Segen.“ Zudem hoffen beide, in Zukunft auch persönlich zusammenarbeiten zu können. „Hey Hey Rise Up“ will Gilmour als demonstratives Statement gegen die russische Aggression verstanden sehen, alle Einnahmen aus dem Song lobt er als Spenden an die humanitäre Hilfe im kriegsgeschundenen Land aus – und erzeugt dennoch keine Sekunde lang den Eindruck, die Solidaritätsaktion könne ein dauerhafter Neustart für Pink Floyd sein.

„Wir wollen unsere Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck bringen und auf diese Weise zeigen, dass der Großteil der Welt es für völlig falsch hält, dass eine Supermacht in das unabhängige demokratische Land einmarschiert, das die Ukraine geworden ist.“ (David Gilmour)

Und Roger Waters? Auch der alte Grantler, das Mastermind hinter Pink Floyd’schen Werken wie „The Wall“ hat sich seinerseits mit einem Ukraine-Video zu Wort gemeldet, schon Anfang März. Darin antwortete er in einer längeren Abhandlung auf den Hilferuf eines 19-jährigen ukrainischen Fans. Er, der sich seit Jahr und Tag ohnehin gegen jegliche kriegerische Konflikte stark macht, verurteilte zwar den russischen Angriff, betonte aber auch, dass Israel in Palästina vergleichbare Verbrechen verübe und es in der Ukraine ja durchaus eine Menge neofaschistischer Kräfte gebe – womit der 78-Jährige wohlmöglich recht haben mag, jedoch auch mächtig Whataboutism betreibt. Im Grunde das exakte, nüchtern-kalte Gegenstück zu dem, was seine früheren Bandkollegen mit „Hey Hey Rise Up“ in die Welt gestellt haben. Ebenso nüchtern lässt sich daher mutmaßen, dass Gilmour, Mason und Waters in diesem Leben sicher nicht mehr zusammenkommen werden.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Beton (Бетон) – „Kyiv Calling“


Wer könnte da auch „Nein“ sagen – The Clash haben einer neuen Version ihres Gassenhauers „London Calling“ durch eine ukrainische Punkband namens Beton ihren Segen gegeben. „Kyiv Calling“, das in der Nähe der Frontlinien aufgenommen wurde, könnte mit seinen Text, der den Rest der Welt dazu auffordert, die Verteidigung des Landes gegen die russischen Invasoren zu unterstützen, dabei zeitgemäßer kaum sein. Zudem wird der gesamte Erlös dieser „Kriegshymne“ der Widerstandsbewegung Freie Ukraine (FURM) zugute kommen, die damit ein gemeinsames Kommunikationssystem finanzieren will, das die Bevölkerung vor Bedrohungen warnt und um internationale Unterstützung wirbt.

In den letzten Tagen hatten die drei Mitglieder von Beton, Bohdan Hrynko, Oleg Hula und Andriy Zholob, nachdem sie die Erlaubnis von The Clash erhalten hatten, den Text des 43 Jahre jungen Punkrock-Hits umgeschrieben und ihre Version am vergangenen Donnerstag und Freitag in einem Studio in Lviv aufgenommen, wenige Tage bevor das russische Militär Raketen auf die Stadt abfeuerte, die zu einem Zentrum für vertriebene Bürger geworden war. Der Song wurde direkt darauf im fernen Los Angeles von dem Musikproduzenten Danny Saber, welcher bereits mit David Bowie, den Rolling Stones oder eben Joe Strummer gearbeitet hat, abgemischt. Passend zur aktuellen Situation in der Ukraine enthält der neue Text Zeilen wie „The iron age is coming, the curtain’s coming down“, „Kyiv calling to the Nato zone / Forget it, brother, we can’t go it alone“ oder “Phony Putinmania has bitten the dust” und soll eine moralisch aufbauende Botschaft des Widerstands verbreiten sowie andere Länder um Hilfe aufrufen. Passend dazu zeigt das Video Aufnahmen von Freunden, Familienangehörigen, Kollegen und Freiwilligen Helfern, die einige der jüngsten Anschläge in Städten von Charkiw bis Kiew dokumentieren.

Auch die Musiker von Beton beteiligen sich auf ukrainischer Seite an den Kriegsanstrengungen. Andriy Zholob (Gitarre, Gesang) arbeitet auch als Orthopäde und behandelt Kriegsopfer und Soldaten, während Bohdan Hrynko (Schlagzeug, Gesang) und Oleg Hula (Bass, Gesang) aktuell Teil der Territorialverteidigung sind und damit bereit, sich dem Widerstand anzuschließen, wenn sie dazu aufgefordert werden. In „normalen“ Zeiten ist Hrynko Architekt und Hula Miteigentümer einer Firma, die Ton- und Lichttechnik für Konzerte und Festivals liefert.

„Viele ukrainische Musiker befinden sich jetzt auf den Schlachtfeldern oder in der Territorialverteidigung“, so Zholob gegenüber dem „Guardian„. „Sie haben ihre Gitarren gegen Gewehre getauscht. Wir hoffen, dass dieses Lied den Geist der Ukrainer und unseren Widerstand gegen die russische Aggression zeigt. Wir freuen uns, dass es in der ganzen Welt als Symbol der Solidarität und Hoffnung gespielt wird.“ Weiter führte Zholob gegenüber dem „NME“ aus: „The Clash waren eine unserer Inspirationen, als wir uns in den Punkrock und die Musik im Allgemeinen verliebten. In ihrer Musik gibt es keinen Snobismus oder Prätentiosität, sie hatten etwas zu sagen und äußerten ihre Meinung gegen den menschlichen Zorn.“ Der Song verkörpere „all das, und wir sind sehr glücklich, dass wir diesen ikonischen Klassiker in unsere eigene Hymne mit neuer Bedeutung und neuem Leben verwandeln können.“ 

Der ursprüngliche Song wurde 1979 von Gitarrist Mick Jones und Joe Strummer, dem 2002 verstorbenen Sänger und Texter von The Clash, geschrieben (und wenig später auf dem gleichnamigen Album veröffentlicht), während die Band in einer Zeit internationaler Instabilität um die Welt reiste und Konzerte gab. Eine Zeit, die geprägt wurde von besorgniserregenden Ereignissen wie dem Reaktorunfall im US-Kernkraftwerk Three Mile Island, der Geiselnahme im iranischen Teheran oder der Ölkatastrophe von Ixtoc I im Golf von Mexiko. Zurück im heimischen Großbritannien wuchs der öffentliche Unmut über die politische Macht von Margaret Thatcher und die Auswirkungen der Energiekrise. Ausgehend von all dem Chaos, das er um sich herum spürte, schrieb Strummer daraufhin Zeilen, die bewusst an das alte BBC-Radio-Rufzeichen erinnern sollten, aber ebenso Anklänge an eine bevorstehende dystopische Zukunft lieferten: „London calling to the faraway towns / Now war is declared and battle come down / London calling to the underworld / Come out of the cupboard, you boys and girls / London calling, now don’t look to us / Phony Beatlemania has bitten the dust..“

Beton, die sich selbst als „Punk-Hardcore“ bezeichnen, spielen seit mehr als einem Jahrzehnt gemeinsame Konzerte vor allem innerhalb der Ukraine sowie in dieser Zeit auf einigen der führenden ukrainischen Festivals, darunter dem Zaxidfest oder dem Tarasova Gora Festival, und geben zu, dass sie anfangs eher ein „Scherz“ denn eine ernstzunehmende Band waren, seit 2019 jedoch mehr und mehr Anerkennung für ihren kraftvollen Sound gewannen. So warf auch ihr letztes Album, „Members Only“ aus dem vergangenen Jahr, einen ernsteren Blick auf die Probleme, mit denen sich die Ukraine vor der Invasion konfrontiert sah, darunter Polizeigewalt, der Aufstieg der Komsumkultur und Arbeitslosigkeit. Auch wenn sich das Land und deren Popkultur in der Vergangenheit nicht eben im Fokus der westlichen Welt befand, so bildet Punk Rock auch in der Ukraine einen wichtigen Bestandteil der dortigen Kulturszene und aktuell ein kleines Ventil, um der Wut angesichts der russischen Aggression Ausdruck zu verleihen.

„Wir haben keinen Zweifel an unserem Sieg, wir sind stolz darauf, Ukrainer zu sein und spüren die Unterstützung von Musikern im Ausland. Das bedeutet uns sehr viel“, meint Zholob, der auch Mitglied von FURM ist, einem von Bürgern geführten Netzwerk tausender Menschen aus vielen Berufen, das mehr als dreißig Organisationen in der gesamten Ukraine miteinander verbindet. Seine Aufgabe ist es, die territoriale Integrität wiederherzustellen und die Souveränität der Ukraine zu stärken, um sie auf eine mögliche Zukunft als EU- und Nato-Mitgliedstaat vorzubereiten. Zudem werden alle Spenden an die FURM für die explizit nichtmilitärische Arbeit der Bewegung im Bereich der Kommunikation und der Unterstützung von humanitären Partnernetzwerken und -organisationen verwendet. 💙 💛

NACHTRAG (21.03.2022):

Ich selbst bin durch einen Facebook-Post des geschätzten britischen Singer/Songwriters Billy Bragg auf diesen Song aufmerksam geworden, konnte jedoch, da ich zwar ein paar Sprachen, jedoch leider weder Russisch noch Ukrainisch spreche, auch nach einiger Google-Suche recht wenig über jene Band namens „Beton“ (abseits von Namensvettern aus der Slowakei) in Erfahrung bringen. Ein weiterer Post von Bragg, dem man seit Jahr und Tag weder politischen Aktivismus noch eine bewundernswert aufrechte Haltung absprechen kann, machte jedoch auch mich stutzig. Der 64-jährige Musiker teilt darin ein Foto der Band…

…sowie folgende Erklärung:

„Yesterday evening I posted a clip of the Ukranian band Beton performing their rewrite of ‚London Calling‘. According to reports, the song ‚Kyiv Calling‘ was approved by the Clash, with funds raised going to the Free Ukraine Resistance Movement.

After a few hours of discussing the lyrics of the song and whether Joe Strummer would approve of the rewrite, a number of people drew my attention to a series of photographs on the band’s Facebook page showing members of the band wearing t-shirts based on the Ramones circular logo. 

The word ‚Ramones‘ at the top of the logo had been replaced with the word ‚Banderas‘ and although all of the names within the circle were not visible, the one that was clearly read ‚Stepan‘. The photos dated from a year ago.

This is deeply troubling. Stepan Bandera was a far-right Ukranian politician who collaborated with the Nazis during the occupation of Ukraine and whose followers were complicit in the Holocaust. That he did these things in the name of Ukranian independence from the Soviet Union has led some present day far right nationalists to adopt his image in their decade long struggle with Russia. 

The knock on effect of this has been to allow Putin to smear all those who want a democratic Ukraine free from Russian influence as neo-nazis. The lionisation of Bandera explains his attempt to legitimize the invasion as a campaign of ‚denazification‘, despite the fact that when, during the 2019 Ukrainian elections, all of the major far right Ukrainian parties formed a unified party for the national election, they gained just 2.15% of the vote and failed to secure a single seat in the national parliament. Compare that with the 2009 EU parliament election, where the BNP won 6% of the vote. 

I left a message on the band’s Facebook page asking them to explain why they were wearing t-shirts that appeared to support Bandera, but after 24 hours, I’ve had no response, so I’ve deleted my post. 

We can argue about the meaning of ‚London Calling‘ and what Joe Strummer would or wouldn’t have said about the lyrical changes, but we can be damn sure that he would not have allowed his song to be utilised by a band that expressed their support for fascists.“

Das machte mich, der zwar vieles mag und eine freie Meinungsäußerung ebenso schätzt wie einen gesunden, zielgerichteten Diskurs, jedoch weder radikalen Arschgeigen noch irgendwelche Nazis auf diesem bescheidenen Blog bekannter als ohnehin (leider) bereits machen möchte, ebenfalls zum Nachdenken. Sollte ich also den Post löschen? Oder trotz alledem stehen lassen?

Nun, ich habe mich – aktuell – für letzteres entschieden. Denn so zweifelhaft die Gesinnung der ukrainischen Band auch sein mag (Wer möchte, der darf sich über den oben erwähnten Stepan Bandera mal etwas belesen. Oder über das Regiment Asow. Oder über die Machenschaften, die einen wie Vitali Klitschko in das Bürgermeisteramt Kiews gehoben haben – in keinem Konflikt ist eben alles schwarz und weiß, gut und böse…), so wichtig ist dennoch dessen Botschaft. Eben jene, dass dieser sinnlose, Menschenleben zerstörende Angriffskrieg auf die Ukraine aufhören muss – besser gestern als morgen. Und wenn sich Joe Strummer dafür dreizehn Mal im Grab umdrehen mag, dann soll’s das wert gewesen sein. Andererseits beweist dieser Nachtrag mitsamt seinen zusätzlichen Informationen eben auch, dass es stets lohnt, genauer drauf zu schauen, Sachen zu hinterfragen und stets auf der Hut zu sein, da eben – und gerade im Zuge dieses Krieges, welcher zu einem Großteil nicht nur über Waffen, sondern auch über mediale Wege geführt wird – nicht alles so einfach, leicht überschaubar und für Außenstehende begreiflich ist, wie es im ersten Moment scheint… Namaste. ✊

NACHTRAG (22.03.2022):

Heute Nachmittag veröffentlichte die Band ein Statement, in welchem die sich zwar von Rassismus und Faschismus distanzierte, aber Bandera aber auch als ukrainischen Helden und Symbol des Widerstands würdigte: „In dieser Nacht hatten wir einige Angriffe, in denen unserer Band Faschismus und Nazismus vorgeworfen wurde. Vor allem wegen unserer T-Shirts mit Stepan Banderas Namen. Stepan Bandera ist für viele Ukrainer ein Held, ein Symbol des Widerstands gegen die russische Besatzung, ein Symbol des Maidans. Er verbrachte auch viele Jahre als Gefangener in einem Konzentrationslager der Nazis. Wir verstehen und wir verurteilen, dass manche Menschen einige Gräueltaten in Banderas Namen verübt haben.“ Dann führten Beton ihre Verbindung zu The Clash aus: „Wir haben den Track aufgenommen, weil wir The Clash und ihre Haltung zum Widerstand und gegen Unterdrückung lieben. Wie sie sind wir antifaschistisch und antirassistisch. Wir wollen in einem demokratischen, kriegsfreien Land leben, in dem jeder, gleich welcher Rasse und welches Glaubens, willkommen ist. Jeder, der unsere Lieder hört, wird sehen, dass wir über Widerstand, Konsumismus und Freiheit schreiben. Wir singen über betrunkene Autofahrer und gemeine Oligarchen. Wir haben keine Zeit für extremistische Politik.“ Ob dieses Statement überzeugende Argumente liefert, sollte jede(r) freilich selbst entscheiden. Fest steht jedoch, dass Banderas Person auch in der Ukraine als sehr umstritten gilt. Während er im Osten des Landes überwiegend als NS-Kollaborateur und Kriegsverbrecher angesehen wird, wird er im Westen der Ukraine wegen seinem Kampf für eine freie Ukraine als Nationalheld verehrt. In einem Artikel des MDR wird Bandera zum Beispiel von dem US-Historiker und Yale-Professor Timothy Snyder als ein Anhänger der „Idee der faschistischen Ukraine“ bezeichnet... Schlussendlich läuft’s wohl vor allem die innere und äußere Wahrnehmung hinaus.

Rock and Roll.

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