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Das Album der Woche


Yeah Yeah Yeahs – Cool It Down (2022)

-erschienen bei Secretly Canadian/Cargo-

Karen O steht auf der Bühne und spuckt eine Fontäne aus Bier in die Luft. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet dieses Bild das Cover von „Meet Me In The Bathroom“ ziert, Lizzy Goodmans Buch über das New Yorker Rock-Revival zu Beginn der Nullerjahre – und damit die Yeah-Yeah-Yeahs-Frontfrau zur Gallionsfigur dieser Szene erklärt. Neben all den Strokes‘, Interpols und LCD Soundsystems war Karen Orzoleks Band vielleicht nie die beste, aber zumeist die faszinierendste und ungreifbarste. Ein Art-Punk-Trio mit einem provokanten, nimmermüden Derwisch als Sängerin, deren bis heute größter Song – aller offensiven Attitüde zum Trotz – ein zärtliches Liebeslied namens „Maps“ ist. Nicht nur aufgrund dieses famosen Widerspruchs waren Karen O und ihre Yeah Yeah Yeahs seinerzeit ein spannendes Ereignis, schließlich klang die gebürtige Südkoreanerin und gelernte New Yorkerin damals, vor zwanzig Jahren, als klebe sie den Lederjackenjungs der Strokes-Generation, deren Post-Punk-Revival, der Einfachheit halber, auch ihre eigene Band zugerechnet wurde, Kaugummi in die sorgsam zurechtgelegten Schüttelfrisuren: wild und unwahrscheinlich, simpel und roh im Sinne des großstädtischen Zeitgeists – und eben doch verdammt eigen. Der wohlmöglich größte Unterschied zu vielen ihrer Revival-Kolleg*innen war, dass sich durch all die stilistischen Hakenschläge nie eine gerade Erblinie entlang zu The Velvet Underground, den Talking Heads, Joy Division oder wem auch immer zurückführen ließ. Zwei Dekaden sind seit dieser bewegten Zeit an der amerikanischen Ostküste vergangen und trotz einer kleinen Auszeit, welche vor allem Karen O dazu nutzte, um ihre Kreativität eher in andere Projekte (etwa ein Soloalbum oder ein gemeinsames Projekt mit Alles-Produzent Danger Mouse) zu lenken, sind die Yeah Yeah Yeahs nicht nur weiterhin aktiv, sondern noch immer künstlerisch relevant. Weil nach wie vor keines ihrer Alben wie das andere tönt, weil sie immer wieder aus einem neuen Kokon schlüpfen, ohne ihre alte Seele zurückzulassen.

Eine Wandelbarkeit, die gerade ob der personellen Konstanz dahinter überrascht: Nicht nur haben es Karen Orzolek, Nick Zinner und Brian Chase über zwei Jahrzehnte miteinander ausgehalten, auch hinter den Reglern sitzt für „Cool It Down“ wieder TV On The Radios Dave Sitek, wie bei allen vier Platten zuvor. Das nahezu pure Elektro-Pop-Soundbild der neuen Platte erinnert dabei am ehesten an das dritte, 2009 erschienene Album „It’s Blitz!„, zielt jedoch nicht mehr auf die Tanzfläche, sondern lässt Synth-Gletscher im Majestätstempo über den Boden schleifen. Der Opener „Spitting Off The Edge Of The World“ nutzt zusätzlichen Gesang von Mike Hadreas (alias Perfume Genius), breitwandige Synthiemelodien zwischen M83, Velvet Underground und Twin Shadow und einen um den Globus hallenden Beat, um erst seinem Titel gerecht zu werden und dann vom Weltrand aus ins All zu schießen. „Mama, what have you done? / I trace your steps / In the darkness of one / Am I what’s left?“, fragt Orzolek, und es ist gleichzeitig eine Anklage an die ältere Generation im Angesicht der Klimakrise als auch das völlig zeit- und raumlose Zweifeln einer Verlorenen. „Lovebomb“ erstarrt unter tiefem Ein- und Ausatmen zur Ambient-Skulptur, bevor die Frau mit der immer noch so unheimlich einnehmenden Stimme im famosen „Wolf“ ihren Kate-Bush-Moment feiert: ein absolut erhabenes Stück Musik, das zunächst bei Abba entliehene Leuchtsignale durch einen verschneiten Wald aus mammutbaumhohen Synth-Streichern schickt, nur um dann abrupt zu enden.

An dieser Stelle beginnt der lebendigere Mittelteil eines ansonsten außergewöhnlich ruhigen – und mit lediglich acht Songs in einer guten halben Stunde recht kompakten – Albums. Unter einem Club-Piano-Loop und griffigen Hooks beschwört „Burning“ Feuer, Rauch und Kometen – die Klimakrise rückt hier oftmals ins Zentrum der neuen Stücke, und dass diese Welt so einige Brandherde aufweist, beweist nicht nur das ausdrucksstarke Cover-Foto. Doch „Cool It Down“ kann’s nicht nur gesellschaftskritisch und verbreitet gleichsam, zwischen all der Hilflosigkeit und dem Zorn, auch Gefühle von Aufbruch, Neubeginn und Optimismus: „Different Today“ macht in etwa da weiter, wo die Band vor 16 Jahren mit „Turn Into“ schon einmal war. „That’s where we dance to ESG“, erklärt das ausgelassene „Fleez“, welches sich als durch die Kunsthalle groovender Funk-Post-Punk-Hybrid auch akustisch vor den Legenden aus der South Bronx verneigt. Warum es solche Auflockerungen hier nicht noch häufiger gibt, ist wohlmöglich einer der wenigen Vorwürfe, die sich das Album auf hohem Niveau gefallen lassen muss. Dennoch kauft man den Yeah Yeah Yeahs noch immer nahezu alles ab: Sie bilden weiterhin das Totem einer gleichzeitigen Unnahbarkeit und Aufrichtigkeit, wirken wie freundliche Aliens, die sich kaum in Schubladen stecken lassen, bei denen man aber auch nie Angst haben muss, in fiese, ironische Stolperfallen gelockt zu werden. Die Albernheit war dem Dreiergespann schon immer ernst, weswegen es trotz aller musikalischen Hochklasse etwas irritiert, wenn diesem frostig-humorlosen Art Pop eine solche fehlt. Doch wenn im finalen „Mars“ das Eis taut und Orzolek eine zweiminütige geflüsterte Gute-Nacht-Geschichte für ihren kleinen Sohn vorträgt, wissen wir: die Yeah Yeah Yeahs sind auch deshalb noch eine der relevantesten Bands ihrer Indie-Generation, weil sie sich nicht vollends gegen das Erwachsenwerden wehren – auch wenn das beste Midlife-Crisis-Alter und die Tatsache, dass sich die 43-jährige Musikerin 2009 für den Soundtrack zu Spike Jonzes Verfilmung des Anti-Erwachsenwerden-Kinderbuchs „Where The Wild Things Are“ (dt. „Wo die wilden Kerle wohnen“) verantwortlich zeichnete, etwas anderes vermuten lassen.

Das Leben ist endlich und alle Wesen sind nichts als Sternenstaub – wenn die kurzweilig geratene Platte, der man neun Jahre nach dem letzten Langspieler „Mosquito“ durchaus das „Comeback“-Label anheften darf, mit solchen Nachtgedanken ihr Ende findet, fragt man sich schon, ob man es da mit einer halbstündigen Stippvisite zu tun hatte oder mit einem Aperitif. Immerhin: „Weniger Drama als bei dieser Platte gab es nie im Studio“, sagt Karen O. „Im Gegenteil: Das Studio war sogar eher eine Zuflucht vor all dem Drama da draußen.“ Das Drama da draußen, es dürfte auf absehbare Zeit kaum weniger werden, und weil die Band in solchen Zeiten scheinbar am besten funktioniert, wären weitere Aufnahmen sicher nicht abwegig. Vielleicht sogar welche mit etwas mehr Feuer unterm Hintern, schließlich glänzt der Punk der frühen Jahre vor allem durch eines: Abwesenheit. Andererseits: druff jeschissen! Oder wie Karen O es selbst ausdrückt: „Cool zu sein war mir immer wichtig. Außer in der Liebe.“

Rock and Roll.

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Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier wieder einige der Videoneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

Nine Inch Nails – Came Back Haunted

came back haunted

„Came Back Haunted“, der erste Song aus dem am 3. September erscheinenden neunen Nine Inch Nails-Album „Hesitation Marks“ hat nun auch ein amtliches Musikvideo bekommen. Und Regie führte hier kein Geringerer als David Lynch, mit dem NIN-Frontmann Trent Reznor bereits seit den Neunzigern befreundet ist. Kein Wunder also, dass man bei den verstörenden Bildern an selige „Lost Highway“- oder „Twin Peaks“-Zeiten denken muss…

 

 

 

Yeah Yeah Yeahs – Despair

Yeah-Yeah-Yeahs

Einmal ein Musikvideo auf dem des Empire State Building drehen – davon träumen wohl viele Künstler… Für Karen O, Nick Zinner und Brian Chase, unter dem Bandnamen Yeah Yeah Yeahs seit Jahren wohl eine der musikalischen New Yorker Vertonungsinstitutionen, wurde dieser Traum – übrigens als erste Band überhaupt – nun Wirklichkeit. Im Video zu „Despair“, der nächsten Single des aktuellen Albums „Mosquito„, folgt Regisseur Patrick Daughters der Band vom der diskokugelbeschienenen Club über Subwayfahrten bis aufs Dach des Empire State Buildings, wo die Yeah Yeah Yeahs ihrem melancholischen Song den euphorisch betanzten Ausklang geben. Schöne Bilder, schöner Song.

 

 

 

Stars – Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It 

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Nicht weniger Lebensfreude dürfte auch der neuste Videobeitrag der kanadischen Indiepopper Stars versprühen. In „Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It“, welches vom im vergangenen Oktober erschienenen Album „The North“ stammt, ist eine Menge Dragqueens bei den Vorbereitungen für eine Modenschau zu sehen. I’m easy like Sunday morning…

 

 

 

Dear Reader – Took Them Away

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Südafrika stand ja in den vergangenen Tagen und Wochen mehr als einmal im Fokus der medialen Weltöffentlichkeit – Stichwort: Oscar Pistorius, Stichwort: Nelson Mandela, Stichwort: Staatsbesuch von Barack Obama. Wer mehr über die Geschichte und das Lebensgefühl des Landes am südlichen Ende des afrikanischen Kontinents erfahren möchte, der sollte sich „Rivonia„, das aktuelle Album von Dear Reader, zu Gemüte führen. Darin spürt Frontfrau Cherilyn MacNeil, welche wiederum seit Jahren in Berlin lebt, den Geschichten und Traditionen ihrer südafrikanischen Heimat nach – und das hört und fühlt man auf dem durchaus tollen und faszinierenden Album dann auch, im besten Sinne…

Zu „Took Them Away“, laut MacNeil der Schlüsselsong auf „Rivonia“, lässt sich seit wenigen nun auch ein Musikvideo im weltweiten Netz finden. Regisseur Rob Savage wird dazu wie folgt zitiert: “The video tells the story of a young girl who misinterprets something she sees and inadvertently causes tragedy to ensue. We wanted the visuals to have a theatrical quality, taking place in a black void representing her over-dramatized view of the events, almost as though the action was taking place on an empty stage.”

 

 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Yeah Yeah Yeahs – Mosquito (2013)

Yeah Yeah Yeahs - Mosquito (Cover)-erschienen bei Polydor/Universal-

Niemand kann behaupten, nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein…

Immerhin feiern die Yeah Yeah Yeahs, jenes sehr New York’sche Trio um Frontfrau Karen O, in diesem Jahr das dreizehnte Jubiläum ihres Bestehens. Und was war das damals, Anfang des neuen Jahrtausends, für ein Getöse um all diese jungen, aufstrebenden Bands aus den Künstlervierteln des „Big Apple“: The Strokes, TV On The Radio, The Hold Steady – all diese hippen, frischen, aufregenden Bands drohten England, dem Mutterland von Pop’n’Rock, plötzlich den Rang abzulaufen (ein im Grunde unnötig angeheizter Wettstreit, der jedoch dem ständigen Neuerungsgedanken der Musikszene nur dienlich sein konnte). Wer angesagt und dabei sein wollte, den zog es in den kommenden Jahren konsequent nach Brooklyn oder Williamsburg, wo fortan Mieten und neue Proberäume fröhlich hochgezogen wurden. Gitarrist Nick Zinner, Schlagzeuger Brian Chase und ihre charismatische Frontchanteuse Karen O waren als – mindestens – Langzeit-New Yorker natürlich mittendrin im Geschehen. Und die drei hätten zu dieser Zeit auch kaum einen besseren Startplatz finden können, schließlich stießen bereits ihre ersten, 2001 beziehungsweise 2002 veröffentlichten EPs (die „Yeah Yeah Yeahs“ EP und die „Machine“ EP) auf dermaßen neugierige Ohren, dass ihr 2003 auf den dürstenden Musikmarkt geworfenes, von TV On The Radio-Chefsoundtüftler David Andrew Sitek produziertes Debüt „Fever To Tell“ quasi nur ein indie-öffentlichkeitswirksamer Start-Ziel-Siegeszug werden konnte. Zu recht? Nun, allein Songs wie „Date With The Night“, „Cold Light“ oder „Y Control“, in denen die Yeah Yeah Yeahs den Punkrock mit all seinem Schweiß, Dreck und Rotz von den schäbigen Miefclubs und Garagenproberäumen direkt auf die mittelgroßen Bühnen von Los Angeles, Berlin oder Tokyo transportierten, sollten für sich sprechen. Ganz nebenbei zeigte sich Miss O wie selbstverständlich auch von ihrer verletzlichen Seite – und brachte mit „Maps“ einen dieser großen Dreieinhalbminüter an den Start, deren zeitloser Intensität man wohl nie überdrüssig wird. Überhaupt: Karen O – er muss ihr wohl im halb koreanisch- (Mutter), halb polnischstämmigen (Vater) Blut liegen, dieser beinahe sekundenschnelle Wechsel von fauchendem Biest zu introvertiertem Liebchen. Und sollte man sich je fragen, wo der kreisende Stilzeiger der Yeah Yeah Yeahs gerade steht, so muss man sich nur den aktuellen Look der 35-Jährigen anschauen. Waren zum Debüt noch punk’sche Lederkluft, Schlabbershirt und zerrissene Jeans angesagt, so wurde Karen Os Look immer verspielter, schriller, mutiger – ja: selbstbewusster. Denn von Album zu Album wuchsen die innere wie äußere Sicherheit der Yeah Yeah Yeahs stetig, verwandelte sich Karen O von der rotzenden Rockröhre zur stilsicher den Trends vorauseilenden Indie-Ikone, die sich gern auch auf musikalischen Nebenschauplätzen abseits ihrer Hauptband betätigte (etwa beim Soundtrack zur Spike Jonze-Kinderbuchadaption „Where The Wild Things Are“ oder beim gemeinsamen Covern des LedZep-Klassikers „Immigrant Song“ mit Trent Reznor und Atticus Ross, welches auf dem Soundtrack zu „The Girl With The Dragon Tattoo“ zu finden ist). Und: ja, dies sollte erwähnt werden, denn mit diesem Wissen ergeben die Nachfolger zum weltweit mehr als eine Million Mal über die Ladentische gewanderten „Fever To Tell“ erst richtig Sinn… Schlich sich die Band mit dem 2007er Zweitwerk „Show Your Bones“ noch heimlich aus den Punkschuppen und öffnete ihren Stil langsam für mehr Eingängigkeit und Vielfalt, wurde bereits auf dem 2009 veröffentlichten „It’s Blitz!“ ausgiebig mit Synthesizern und großen, fiesen Diskokugelhymnen experimentiert. Dem bedauerlichen Fakt, dass dabei für einen Moment ebenso der Gitarrenvirtuose Nick Zinner wie auch Karen Os ohnehin beständig faszinierende Textkunst in den Hintergrund gedrängt wurden, darf man wohl zugute halten, dass sich die Yeah Yeah Yeahs stets auf die Bandfahnen geschrieben haben, Stillstand oder Wiederholungen tunlichst zu vermeiden. Löblich, allemal.

YYYs Promo #1

Und auch das neue, vierte Album „Mosquito„, bei dem neben den beiden Stammproduzenten Nick Launay und David Andrew Sitek erstmal Ex-LCD Soundsystem-Chef James Murphy hinter den Reglern saß, weicht nicht vom Kurs des stetigen Neuerungswillens von Karen O & Co. ab, denn auch hier steckt hinter beinahe allem noch ein zweiter, größerer Hintergrundgedanke. Das fängt bereits beim Coverartwork an, das wohl auch in der Endabrechnung 2013 zum gleichsam Hässlichsten wie Faszinierendsten zählen wird, was in diesem Jahr ein Plattencover „zieren“ durfte: die Grafik des südkoreanischen, in Los Angeles lebenden Künstlers Beomsik Shimbe Shim, kurz „Shimbe“ genannt, zeigt ein herzzerreißend schreibendes Baby, das gerade noch von einem grellgrünen Brei genascht hat, und dessen Fuß sich nun im Griff eines Moskitos befindet, der soeben zum fiesen Stich in den kleinkindlichen Allerwertesten ansetzt. Darunter der Schriftzug der Band, der nicht zufällig an den des Ekel-Kultfilms „Garbage Pail Kids“ erinnert. Von Karen O stammen die Ideen, Karen O beaufsichtigte die Ausführung, Karen O und ihre Jungs hatten das letzte Wort. Und so absurd dieses Frontgebilde anmuten mag, so herrlich muten die die 48 beiliegenden Musikminuten an. „Fallen for a guy, fell down from the sky / Halo round his head / Feathers in a bed / In our bed, in our bed / It’s sacrilege, sacrilege, sacrilege, you say“ – Knallt der Opener „Sacrilege“ dem Hörer noch unvermittelt sündige Textzeilen zu Indierockgitarren und einem mächtigen Gospelchor vor den Latz, hält das darauf folgende „Subway“ bereits direkt unter einer gotischen Kathedrale – schlurfende Beats und herrlich mulmige Melancholieschwälle inklusive. Doch auf Gitarrenwände sollte man sich auf „Mosquito“ nicht allzu sehr einschießen, denn auch hier setzen die Yeah Yeah Yeahs ihren unbedingten Willen zum Experiment fort, mischen mal gemäßigte („Always“), mal derbe Elektronikwände („Under The Earth“) in ihren Bandsound, oder bitten in „Buried Alive“ Rapper Kool Keith (oder dessen alter ego Dr. Octagon) ins Studio – ein Versuch, der leider nur mäßig gelungen ausfällt, und umso mehr an jene Rap-meets-Punk-Gehversuche der Neunziger Jahre erinnert. Dass die Yeah Yeah Yeahs tatsächlich noch Punk können, zeigt das von Gitarrist Zinners „Area 51“-Besuch inspirierte „Area 52“ (sic!), dass rotzfrech riffend aus dem Boden gestampft wird, und bei dem Karen O lautstark fleht: „I wanna be your passenger / Take me as your prisoner! / I wanna be an alien! / Take me please, oh alien“. Dass bei allen Gegenläufen manche Songs einfach nur richtig gut sein wollen (und können!), zeigt „Despair“. Und dass sich das Trio stets mindestens ein großes Stück fürs Ende aufhebt, beweist „Wedding Song“, welches in fünf Minuten flirrend leicht gen Himmel aufsteigt. „In flames I sleep soundly / With angels around me / I lay at your feet / You’re the breath that I breathe“ – Karen Os Stimme begleitet uns hinfort, bis von Fern nur noch das selige Läuten der Kirchenglocken zu vernehmen ist…

Yeah-Yeah-Yeahs-Pressebild-2013-5

Auch mit ihrem vierten Album „Mosquito“ gelingt es den Yeah Yeah Yeahs zwar nicht, ein zwingend kohärentes Album fertig zu stellen, jedoch fragt sich der Kenner der Vorgänger und Bandhistorie berechtigtermaßen, ob dies je die Absicht des Trios war. Denn wie schon in der Vergangenheit machen Karen O, Nick Zinner und Brian Chase nichts anderes, als ein Potpourri aus Stilen und Einflüssen zu einem großen Ganzen zusammenzufassen. Und auch wenn „Mosquito“ beileibe kein zeitloses Album sein mag, so ist es doch umso zeitgemäßer, selbstbewusster und unterhaltsamer. Die Yeah Yeah Yeahs schaffen damit etwas, was New York-Rockwellen-Zeitgenossen wie den Strokes mittlerweile abhanden gekommen scheint: sie bleiben als Band stilsicher zeitgemäß, ohne sich in Retro-Schleifen zu wiederholen (beim neuen Album von Julian Casablancas & Co. mag zwar irgendwo eine Band anwesend sein, sie tritt jedoch reichlich seelenlos auf). „Mosquito“ ist schlussendlich wie ein spätsommerlich schwüler Abend in New York: brodelnd, faszinierend, anziehend, abseitig und gefährlich. Mit Hochhäusern und Türmen und Schluchten und fiesen, kleinen Moskitos. Nicht jeder Song sticht hier – aber wenn, dann tut’s so schön höllisch weh. Niemand kann behaupten, nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein…

 

Szene aus "Sacrilege"

Da einem großen Song meist auch ein großes Video nicht schaden kann, darf Schauspielerin Lily Cole in den bewegten (respektive: bewegenden) Bildern zu „Sacrilege“ als äußerlich unschuldige femme fatale allen (!) Bewohnern einer bigotten US-Kleinstadt den Kopf verdrehen. Prädikat: großartig.

 

Für alle, die tiefer in den Klangkosmos und Backkatalog der Yeah Yeah Yeahs eintauchen möchten, hat ANEWFRIEND einen bewusst subjektive, knapp zweistündige Werkschau der besten Stücke von 2002 bis 2013 zusammengestellt, welche ihr euch anhand der nachfolgenden Tracklist gern nachbasteln dürft:

YYYCD 1

1.  Maps

2.  Y Control

3.  Modern Romance

4.  Sacrilege

5.  Down Boy

6.  Heads Will Roll

7.  Isis

8.  Sealings

9.  Sheena Is A Punk Rocker

10. Subway

11. Machine

12. Cold Light

13. Miles Away (John Peel Session)

14. Date With The Night

15. Despair

16. Countdown

17. Gold Lion

18. Cheated Hearts

19. 10×10

20. Runaway

21. Wedding Song

 

YYY #2CD 2

1.  Little Shadow

2.  Turn Into

3.  Tick (live session version)

4.  Let Me Know (demo)

5.  Hyperballad (live)

6.  Diamond Sea (iTunes Live Session)

7.  Hysteric (acoustic version)

8.  Cheated Hearts (iTunes Live Session)

9.  Runaway (iTunes Originals version)

10. Maps (iTunes Originals version)

 

Song 11 (CD 1) – von der „Machine“ single (2002)

Songs 1-3, 12, 14 (CD 1) – von „Fever To Tell“ (2003)

Songs 13, 16 (CD 1) – von der „Maps“ single (2003)

Songs 17, 18 (CD 1) + 2 (CD 2) – von „Show Your Bones“ (2006)

Songs 6, 20 (CD 1) + 1 (CD 2) – von „It’s Blitz!“ (2009)

Songs 5, 7, 19 (CD 1) – von der „Is Is EP“ (2007)

Song 8 (CD 1) – vom „Spiderman 3“ Soundtrack (2007)

Song 7 (CD 2) – von der Deluxe Edition von „It’s Blitz!“ (2009)

Songs 4, 10, 15, 21 (CD 1) – von „Mosquito“ (2013)

Song 4 (CD 2) – von der „Gold Lion“ single (2006)

Songs 6, 8 (CD 2) – von der „iTunes Live Session“ (2006)

Songs 9, 10 (CD 2) – von der „iTunes Originals“ Session (2009)

 

 

Und da wohl jeder Artikel über die Yeah Yeah Yeahs ohne das tränenreich tolle Video zum Evergreen „Maps“ unvollständig erscheinen würde, gibt’s hier das Video…

(Hintergrundgeschichte: Karen Os damaliger Freund Angus Andrew sollte beim Videodreh anwesend sein. Als dieser jedoch nicht erschien und die Band das Video in dessen Abwesenheit drehen musste, brach die Sängerin vor laufender Kamera – songdienlich – in Tränen aus… „Wait… they don’t love you like I love you“)

 

…sowie die nicht minder feinen Kamerawerke zu den Singles „Heads Will Roll“…

 

…und „Y Control“:

 

Rock and Roll.

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