
Am internationalen Weltfrauentag (an alle Machos da draußen: selbiger wird am 8. März begangen) machten auch in diesem Jahr so einige Memes und Symbolbilder in den sozialen Netzwerken die Runde, in denen auf die weiterhin ungleichen Machtverhältnisse der verschiedenen Geschlechter aufmerksam gemacht wurde. Gern geteilt wurde dabei die lange Liste all jener Dinge, die sich Frauen für die Gleichberechtigung wünschen würden, unter anderem Chancengleichheit im Berufsleben und die Bekämpfung der Gender Pay Gap. Auf der anderen Seite stand die eine Sache, die Frauen stattdessen – bestenfalls und doch sehr oft – am Weltfrauentag bekommen: Rosen. Wie passend also, dass die Punkrocker von MARCH kurzerhand einen ganzen Strauß der altmodischen Kavaliersgeste abzufackeln gedenken. Auf dem Cover ihres zweiten Albums “Set Loose”, welches passenderweise am 20. März erschien, züngeln die Flammen zwar erst an einigen Knospen, doch in den elf Songs macht sich einiges an revolutionärem Lauffeuer-Potential breit. Ein Pulverfass mit deutlichem Hardcore-Einschlag, das es in sich hat. Punknputtel is slightly pissed.
„Die Platte ist ein Mantra, das eigene Feuer rauszulassen. Jeder hat dieses Glühen, das großartige Dinge in Gang setzen kann, wenn wir ihm freien Lauf lassen – das uns aber auch von innen ausbrennen kann, wenn nicht.“ (Fleur van Zuilen)
Im Opener “On High Heat” stürmt das 2013 gegründete niederländisch-belgische Quartett noch ohne Rücksicht auf Verluste nach vorn, bis Frontfrau Fleur van Zuilen, deren shoutendes Reibeisen-Gesangsorgan mit Leichtigkeit zwischen Screamo und cleanem Chorus zu wechseln versteht, im Refrain mit tiefsinniger Melodik konstatiert: “Two days is all I need to burn this to the ground”. Das möchte man auch gar nicht anzweifeln, denn was van Zuilen hier an Energie vom Stapel lässt, kommt der puren Live-Ekstase, mit der MARCH neben den Größen der Riot-Grrrl-Bewegung keineswegs verblassen, schon ziemlich nahe. Glücklicherweise verliert auch der Nachfolger zum 2016er Werk „Stay Put“ (welches im Rückspiegel doch recht brav tönte) nicht an Strahlkraft, was vor allem an der bewussten Portionierung der Ausbrüche liegen mag. Melodischere Distillers-Momente, wie etwa in “Challenger”, das fast entspannt zwischen Hellacopters und AC/DC soliert und Brody Dalle vor dem inneren Auge in den Proberaum der Runaways schiebt, stehen gleichberechtigt neben polternden Motörhead-Kniefall-Krachern wie “Born A Snake” oder den Sleaze-Chören von “She’s A Hurricane”. Anstelle also bei kompromissloser Knüppelei im Stile der Clowns – siehe “Fear Of Roses” – zu bleiben, profitiert die Struktur ungemein von all den unverschämt eingängigen Mitgröhl-Hooks, den dynamischen Melodiepfützen und den sich bedacht auftürmenden Instrumentalwände dazwischen.
Aber vor allem geht es dem Vierergespann aus dem niederländischen Breda, zu dem noch Gitarrist Hermance Van Dijk, Bassist Jeroen Meeus und Schlagzeuger Thomas Frankhuijzen gehören, um etwas. So ist “Challenger” an van Zuilens Lieblingsfilm “Death Proof” angelehnt, in dem sich eine Gruppe von Frauen mit kalter Schnauze an einem fiesen Macho-Arschloch rächt. “Fear Of Roses” widmet sich den Ängsten und Möglichkeiten jedes Einzelnen, “She’s A Hurricane” metaphorisiert mit dramaturgischer Finesse den zurückschlagenden Ausbruch einer Frau als Naturgewalt und “Start Again” besinnt sich auf klassische Systemkritik. Auch der Boden dieses knirschenden Pulverfasses wurde also mit den feinsten Mitteln verleimt – da dürfte die anstehende Detonation sogar die Wände der isoliertesten Punker-Quarantänestationen ins Wanken bringen. Bis MARCH, wie das Gros ihrer Musiker-Leidensgenossen auch, irgendwann endlich wieder auf Tour gehen dürfen, bleibt “Set Loose” (zu welchem man hier ein Track-By-Track-Interview findet) zwar ein Album, das das Rock’n’Roll-Rad nicht neu erfinden mag, jedoch ein feines Pflaster für die geschundene Punkerseele bildet. Angetrieben von der Wut auf das patriarchale System verpacken Fleur van Zuilen und Co. ihren dennoch optimistisch tönenden Crossover dabei etwas weiträumiger als Schwestern im Geiste wie die Petrol Girls oder War On Women und verfügen dabei über einen gelungenen 33-Minuten-Mix aus feministisch geprägten Botschaften und launiger Punk-Salven-Riffmeisterschaft.
Woher diese Vergleiche mit Distillers-Vorsteherin Brody Dalle und Konsorten kommen, macht vor allem „Reaper’s Delight“ deutlich. Klar, das mit Stoner Rock flirtende Riff bricht auf „Set Loose“ ein wenig aus dem erwarteten Korsett aus und erinnert an etwas milder gestimmte Cancer Bats, und doch steckt ordentlich Wucht in dem Brecher, dessen Geisterbahn-Musikvideo, obwohl bereits im Januar veröffentlich, kaum besser zu Halloween passen könnte…
Rock and Roll.