Der Wahlerfolg von Boris Johnsons konservativen Tories bei den britischen Parlamentswahlen vor zwei Tagen mag kein allzu prächtiges Ergebnis für internationale Demokratie (und ganz sicher keines für die Verbesserung sozialen Verhältnisse im Vereinigten Königreich) sein. Oder wie „Spiegel“-Redakteur Jörg Schindler sehr treffend in (s)einem Kommentar schrieb: „Die eigentlichen Verlierer sind Anstand, Aufrichtigkeit und Integrität.“ Vermutlich hatte ein Großteil der Briten einfach genug vom nun schon jahrelangen Brexit-Chaos dies- wie jenseits des Ärmelkanals, und hat nun den populistischen Blondschopf, ehemaligen Bürgermeister von London sowie Außenminister im britischen Kabinett, der im Juli die reichlich glücklose Theresa May im Amt des Premierministers beerbte, mit einer fast schon beängstigend großen Machtfülle ausgestattet. Wieso sollten die politischen Aussichten auch anderswo rosiger aussehen als bei uns mit den rechtskonservativen Spaltungshasspredigern der AfD oder in den US of A, wo ein dummdreister Reality-Show-Geschäftsmann seit nunmehr fast drei Jahren vom Weißen Haus aus die Geschicke seines Landes bestimmt… Dark times ahead? Hellyeah!
Gut denkbar also, dass die Schotten die britische Parlamentswahl als erneuten Anreiz sehen werden, ein weiteres Referendum hin zur Unabhängigkeit von London und vom United Kingdom anzustreben – das letzte im Jahr 2014 fiel ja bereits recht knapp aus.
Damals, vor vier Jahren, gab es einige schottische Bands und Künstler, die sich im Zuge ebenjener Bevölkerungsabstimmung politisch stark machten (etwa bei Konzertreihen wie „A Night for Scotland“). Neben international erfolgreichen Indierock-Bands wie Franz Ferdinand oder Frightened Rabbit, den Glasgower Postrock-Paten Mogwai, der Folk-Ikone Eddi Reader oder der Schauspielerin und Comedian Elaine C Smith zählten dazu auch Stanley Odd.
Für das seit nunmehr zehn Jahren bestehende, vielköpfige Alternative-HipHop-Kollektiv mit Mitgliedern aus Schottland, Norwegen oder Deutschland zählen politisches Engagement und eine klare Meinungskante ebenso zu den einenden Grundpfeilern wie ihr musikalisches Konstrukt aus Live-Instrumenten, Beats, Gesang und den Rhymes von Frontmann Solareye (aka. Dave Hook) im breitesten Edinburghian Scot-Akzent. Wer also mit alledem kein (Verständnis)Problem habe sollte, dem sei etwa die tolle Gänsehautnummer „Son I Voted Yes„, anno 2014 auf dem bisher letzten, fünften Longplayer „A Thing Brand New
“ erschienen, welches sich thematisch Schottlands jüngstem Unabhängigkeitsreferendum widmet, ans HipHop-affine Hörerherz gelegt. Oder eben, aus gegebenem aktuellen Anlass, das 2016, eine Woche, nachdem die Bevölkerung des UK für den Brexit stimmte, veröffentlichte „It’s All Gone To Fuck“. *micdrop*
“It is amazing to see the country at its most politicised and engaged in generations. The number of people inspired by the debate and the possibilities for positive change that an independent Scotland offers is something that should be celebrated. This referendum is a chance to look at new models and ask questions of how our political system operates; to address issues of poverty and social inequality; and to recognise the importance of public services like the Post Office and the NHS.“
(Dave „Solareye“ Hook zum schottischen 2014er Unabhängigkeitsreferendum)
Rock and Roll.