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Zu kurz gekommen… Standstill


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Was machen eigentlich Standstill? Nun… nicht mehr viel (mehr dazu gleich). Und im Grunde scheint’s auch kaum einen zu interessieren – was bei genauerem Hineinhören in den Backkatalog lediglich im Ansatz verständlich erscheint…

Denn zumindest in den Anfangstagen bewegte sich die Band aus der katalanischen Metropole Barcelona stets recht nah am musikalischen Zeitgeist, hatte etwa auf dem 2001 erschienenen Debütalbum „The Ionic Spell“ lautstarken Emocore und einige deftige (Post-)Refused-Reminiszenzen im Köcher oder wusste im nur ein Jahr darauf veröffentlichten Nachfolger „Memories Collector“ mit nicht wenigen satten Riffs und Rhythmen zu überzeugen, welcher während dieser Zeit auch Post-Hardcore- und Alternative-Rock-Kapellen wie At The Drive-In, deren Phönix-aus-der-Asche-Nachfolgern Sparta oder Thursday wild durcheinander gewürfelte Moshpits zwischen El Paso, Köln oder Tokyo bescherten. Mit dem nächsten, 2004 in die Indie-Plattenläden gestellten selbstbetitelten Langspieler wagten Standstill einen ebenso offensichtlichen wie mutigen Richtungswechsel, denn Frontmann Enric Montefusco entschied sich, fortan nicht mehr auf Englisch zu texten und singen, sondern in seiner Muttersprache Spanisch. Wem die Band also bisher mit ihrer fortwährenden Suche nach klanglichen Experimenten, mit ihrem strikten ¡No!“ zum – uffjepasst, naheliegendes Wortspiel! – kreativen Stillstand (hier haben wir übrigens einen weiteren Bezug zum Refused-Meilenstein „The Shape Of Punk To Come„) ein paar Dinge zuviel fürs gefällige Nebenbeihören wagte (oder schlichtweg der spanischen Sprache nicht mächtig war), der war wohl spätestens ab diesem Zeitpunkt komplett raus aus dem Standstill’schen Kosmos.

300x300Der Teil der Indie-Fanbase, der der katalanischen Band auch danach die treue Stange hielt, durfte sich an ausgeprägtem Abwechslungsreichtum, ausgetüftelter Percussionarbeit (bei manch einem Song – …And You Will Know Us By The Trail Of Dead gleich – gar mit zwei Schlagzeugern!) oder auch mal recht sparsamer Instrumentierung, die immer öfter Ausflüge in spanische Folklore-Gefilde wagte, erfreuen. Und an einer Stimme, die mehr ausstrahlte als eben nur puren Exotenbonus – in der Tat findet man solch ein eindringliches, durch Mark, Bein und Seelenstränge tönendes Gesangsorgan wie das von Enric Montefusco höchst selten (ich selbst möchte hier einen Vergleich zu Declan de Barra von den ebenfalls viel zu früh aufgelösten Clan Zú ziehen). Diese Entwicklung nahm auch auf den weiteren, zwischen 2006 und 2013 erschienenen Alben „Vivalaguerra„, „Adelante Bonaparte“ und „Dentro de la Luz“ ihren Lauf – die explosiven Post-Hardcore-Momente wurden seltener, dafür ließen Standstill immer öfter ihre Kompetenzen für experimentelle Klangkulissen sowie post-rockige und melancholisch-folkloristische Songgebilde aufblitzen. Nach jahrelangen Touren, die die Band zwar auch ins europäische Ausland, nach Frankreich, Belgien, die Niederlande oder Deutschland führten, jedoch immer auch – leider, leider – nah am finanziellen Minimum zurückließen, spielte das Quintett im Oktober 2015 eine letzte Show im Apolo in Barcelona – und ließ nach diesem Heimspiel, welches glücklicherweise für die Nachwelt festgehalten wurde (und jedem wärmstens empfohlen sei), den Vorhand fallen…

Seitdem sind nun schon ganze fünf Jahre vergangen. Was die einzelnen Teile von Standstill heute so treiben? Nun, zumindest Ex-Frontmann Enric Montefusco ist glücklicherweise der Musik treu geblieben und hat in den vergangenen Jahren mit „Meridiana“ (2016) und „Diagonal“ (2019) zwei Alben veröffentlicht, welche musikalisch den zuletzt mit Standstill eingeschlagenen Weg hin zu traditionelleren spanischen Folk-Gefilden recht konsequent weiter gehen, während sich die Texte – nebst persönlichen Anklängen – mal recht kritisch, mal verdammt melancholisch mit dessen katalanischer Heimat beschäftigen (wer mehr wissen mag, der findet hier ein Interview mit dem Musiker aus dem vergangenen Jahr). Nichtsdestotrotz lohnt es sich auch eine halbe Dekade nach dem (vorläufigen) Ende von Standstill, dem faszinierenden, vielseitigen Klangkosmos der Spanier zu verfallen. *hach*

 

Einen recht guten Einblick in einem jenen Klangkosmos kann man sich etwa anhand eines knapp einstündigen TV-Konzerts verschaffen, welches Standstill im Zuge ihres 2006er Albums „Vivalaguerra“ spielten (wen als nicht dem Spanischen Mächtigen die Texte interessieren: den Song „Victor San Juan“ gibt es auch einzeln und mit englischen Untertiteln)…

 

…oder dem aufs Nötigste reduzierten Folk von „Adelante Bonaparte (I)“ (vom 2010er Doppel-Werk gleichen Titels) lauschen (oder eben ein wenig auf dem YouTube-Kanal der Band stöbern):

 

Ebenso lohnenswert sind zweifellos auch die beiden Solo-Alben von Enric Montefusco, denn stimmlich kann einen der 43-jährige hagere katalanische Musiker mit dem markanten Vollbart auch im Alleingang gefangen nehmen…

 

 

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: David Ros – „Take A Walk On The Wild Side“


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Foto: Facebook

Passiert wohl nicht nur mir ab und an: Da lässt du bei irgendeinem x-beliebigem Privatsender die Werbeunterbrechung durchlaufen, und urplötzlich erhascht – inmitten der drölfzigsten Reklame für Pizza, Abführmittel, Inkontinenzhöschen oder Zahnprothesenhaftcreme – tatsächlich ein Song deine Aufmerksamkeit…

So vor einigen Wochen bei der Werbung für das neuste Modell einer spanischen Automarke, welche wiederum längst zum Konzern eines großen deutschen Autobauers gehört, passiert. Die musikalische Untermalung, die mich da meine Lauscher spitzen ließ, war eine Coverversion von Lou Reeds „Take A Walk On The Wild Side“ (das Original stammt vom 1972 veröffentlichten Solo-Werk „Transformer„). Kannte ich noch nicht. Also mal eben Dr. Google konsultiert, der mir den Namen David Ros ausspuckte. David who?

Mit ein klein wenig Recherche weiß das weltweite Netz auch da ein paar mehr Infos: Ein (zumindest hierzulande) recht unbekannter Singer/Songwriter aus Barcelona, der zwar bislang mit eigenen Veröffentlichungen geizt („He is currently preparing an album of intimate songs and impressive melodies accompanied by his band.“ – wie hier zu lesen ist), in seiner spanischen Heimat vor einigen Jahren bereits in der ein oder anderen TV-Musik-Castingshow (unter anderem bei „La Voz“, der dortigen Ausgabe von „The Voice“) aufgetreten ist, und in der Vergangenheit – nebst seiner markant rauen Stimme – auch mit der ein oder anderen weiteren tollen Coverversion für Beachtung sorgte (etwa von „Use Somebody“ von den Kings Of Leon, dem Oasis-Evergreen „Live Forever“ oder dem durch Adele bekannt gewordenen Bob-Dylan-Schmachtfetzen „Make You Feel My Love„). Fazit: So macht Reklame auch für mich einmal Sinn.

 

 

Rock and Roll.

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Vorn süß, hintenrum ironisch – mehr Illustrationen von Naolito


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Vor einiger Zeit fand der spanische Zeichner Nacho „Naolito“ Diaz bereits hier auf ANEWFRIEND Erwähnung, als der katalanische Illustrator, Jahrgang 1987, sich im Zuge seiner Reihe „Villains Need Love“ bereits die durchaus berechtigte Frage stellte, ob eigentlich auch bekannte Film-, Serien- und Comic-Bösewichte ab und an eine Knuddeleinheit nötig haben.

Nun hat passionierte T-Shirt-Designer Naolito erneut zugeschlagen, und präsentiert mit gewohnt süßen Themen-Reihen  wie „Before And After“, „Cute Characters“ oder „Pop Culture“ Illustrationen, die im ersten Moment zwar niedlich erscheinen mögen, es in Punkto doppeltem Sinn und Ironie einmal mehr faustdick hinter den kunterbunt gezeichneten Ohren haben…

 

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(via Facebook)

 

Rock and Roll.

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Auch Bösewichte brauchen Liebe – Nacho Diaz‘ Knuddel-Illustrationen von Gut & Böse


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Jede gute Geschichte – ob nun auf der großen Leinwand, in der heimischen Flimmerkiste, im Computerspiel oder ganz klassisch im Buch – besteht ja zunächst einmal aus Gut und Böse, aus dem tapferen Helden (oder der Heldin) sowie seinem oder ihrem herzlosen Gegenspieler. War immer so, wird immer so sein (wobei natürlich einige wenige Ausnahmen freilich gern genommen werden).

Doch wer hat sich da noch nie gefragt, ob die Bösewichte nicht auch einmal ’ne Portion Liebe dringend nötig haben? Vielleicht wären viele (Leinwand)Geschichten weitaus unblutiger ausgegangen, hätte der Held seinem Gegenspieler einfach mal eine Umarmung gegeben…

Aus dieser Überlegung stammt auch die nette Idee des spanischen Zeichners Nacho „Naolito“ Diaz„Villains Need Love“:

„Pop culture characters are always really fun to work with, everyone knows them very well, so it’s extremely satisfying to find a clever idea that let us see them in a different light.

Villains are usually the most interesting characters. Most of the time they are the way they are because they had a hard time in the past, so I thought… Would they be different with some love in their lives? Would they still be these grumpy guys we love? That’s how ‚Villains Need Love‘ started.

Once I started re-imagining them, I couldn’t stop drawing grumpy villains being loved by their antagonists. I never thought on how many charismatic villains are out there, I’ve drawn over 50 so far! It ended up being a passion project with what I think is a beautiful message.

In the process, I realized that while some of the villains are bad for the sake of being bad, others just had a really hard time in the past or were in the wrong place at the wrong time, so a little love might actually fix some of them!“

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Aus der wirklich ebenso kreativ wie süß umgesetzten Idee möchte Diaz via Kickstarter nun auch ein Buch machen. Und obwohl es noch mehr als zwei Wochen bis zum Ablauf der Aktion sind, hat der seit 2009 aktive katalanische Illustrator und T-Shirt-Designer aus Barcelona sein mit 5.000 Euro festgesetztes Finanzierungsziel bereits mehr als doppelt übertroffen.

 

Hier eine Auswahl von Nacho Diaz‘ Zeichnungen:

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Rock and Roll.

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Aus gegebenem Anlass…


Bildquelle: Facebook

Bildquelle: Facebook

Wie geht man mit der Nachricht eines Flugzeugabsturzes um? Stillschweigend zur Kenntnis nehmen? Traurig sein? Mitgefühl mit all den Menschen haben, die von einer Sekunde zur nächsten ihre Liebsten verloren haben? Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten.
Freilich passieren Unglücke wie das der Germanwings-Maschine 4U9525, die heute von Barcelona nach Düsseldorf unterwegs war, wo sie gegen Mittag, wohl mit leichter Verspätung landen sollte, jedoch tragischerweise in Südfrankreich abstürzte, immer und immer wieder. Sie lassen sich nicht vorhersagen, und wohl kaum verhindern. Denn nichts ist hundertprozentig sicher, nichts und niemand ist perfekt. Da spielt die Airline ebenso wenig eine Rolle wie das Flugzeug oder der Ort des Unglücks. Und natürlich sterben auch anderswo in der Welt tagtäglich Menschen, deren Lebensumstände weitaus weniger privilegiert waren und sind, die noch nie ein Flugzeug von Innen gesehen haben oder es je werden. Auch das sollte man bei aller Tragik nicht vergessen.

Doch selbst der Mahner mit erhobenem Zeigefinger darf sich nie anmaßen, Menschenleben gegeneinander aufzuwiegen. Nie.

Nein, Unglücke lassen sich nicht verhindern. Der eine sieht in Augenblicken wie diesen die bitterböse Fratze des Schicksals in den leeren Wolken, der andere wirft die „falsche Zeit, falscher Ort“-Phrase ins Feld. Auch da darf sich Jeder seinen eigenen Reim drauf machen, und wemauchimmer dafür danken, dass er selbst – so blöd sich das an einem Tag wie heute auch lesen mag – bisher immer heil heruntergekommen ist. (Ist es egoistisch oder vermessen, für einen weiteren Sonnenaufgang zu danken?)

Insofern sich aus Ereignissen wie diesem überhaupt etwas Positives herausziehen lässt, dann ist es doch, dass unser aller Leben endlich sind. Und: ja, der eigene Tod lässt sich – insofern man keine Sehnsucht danach verspürt – schwerlich planen. Man muss nicht einmal in ein Flugzeug steigen (denn die sind der Statistik nach noch immer das sicherste Fortbewegungsmittel). Auch auf der Autobahn, im Supermarkt oder an der nächsten Straßenecke kann das eigene Leben von jetzt auf gleich vorbei sein. Das Tragischste ist am Ende wohl auch, dass sich die 150 Todesopfer nicht von ihren Liebsten und Nächsten, von ihren Familien und Freunden verabschieden konnten, dass beiden Seiten kein letzter gemeinsamer Augenblick vergönnt war.

Daher: Begreift, dass unser aller Leben aus tausenden einzelner kleiner Augenblicke bestehen, von denen keiner je wieder zurückkommt – im Schönen wie im Schlechten. Alles kann jederzeit enden, zumindest für dieses eine Leben. Haltet euch eure Nächsten und Liebsten nah und missgünstige Menschen ebenso so fern wie möglich wie Momente des Bedauerns und der Reue. Und auch, wenn sich all das liest, als heute unser stets salbungsvoll kirchenonkelmäßige auftretende Bundespräsident Joachim Gauck diese Zeilen mit einer Träne im Knopfloch verfasst – sie stammen von mir. Musste einfach raus, in diesem Moment. Denn die Botschaft unterm Strich könnte wichtiger kaum sein…

 

Rock and Roll.

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