Der Mann auf dem Bild ist der viel zu früh, viel zu tragisch verstorbene Singer/Songwriter Elliott Smith – klare Sache, erkennt man. Doch wer hätte gedacht, dass das Baby von damals heute ein selbst von der „VOGUE“ gefeierter Rockstar ist? Ist tatsächlich so, handelt es sich doch um Arrow de Wilde, ihres Zeichens Tochter von Schlagzeuger Aaron Sperske (Father John Misty, The Pernice Brothers) und Fotografin sowie Regisseurin Autumn de Wilde (die sich zu Zeiten des obigen Schnappschusses, um die Jahrtausendwende, für einige von Elliott Smiths Artworks und Musikvideos wie „Son Of Sam“ verantwortlich zeichnete). Die heute 22-jährige Arrow ist Frontfrau der 2015 gegründeten LA-Rocker Starcrawler.
Mein erster Gedanke: Die gruselige dürre Horror-Uschi vom Dachboden des ersten „[REC]“-Streifens (und hiermit sei bitte explizit das spanische Original gemeint!) hat’s nach draußen geschafft und im sonnigen L.A. eine tieftönende Glamrock-Band gegründet…
Ist natürlich Quatsch. Dennoch mag einen die groß gewachsene, mit „schlaksig“ noch mild umschriebene Statur von Frontdame Arrow De Wilde gut und gern das Fürchten lehren. Und die Musik, die die Tochter von Star- und Szene-Musikfotografin Autumn De Wilde (die in der Vergangenheit unter anderem Größen von Beck, Fiona Apple, die White Stripes, Wilco, die Raconteurs bis hin zu Elliott Smith vor die Linse bekam) mit ihrer Band Starcrawler auf dem selbstbetitelten, im vergangenen Jahr erschienenen Debütwerk durch die Lautsprecherboxen jagt? Klingt, „als hätten die Cramps mit Joan Jett im Schlepptau die B-52’s im Proberaum überfallen“ (meint etwa der „Musikexpress„). Oder wie ein zwischen somnambul und Sonnenstich pendelnder Mix aus Ozzy Osbourne, den Runways, Misfits, Yeah Yeah Yeahs und Patti Smith. Klar wäre das Quartett aus dem Los-Angeles-Viertel Echo Park, wo Arrow De Wilde ihre drei milchbübigen Mitstreiter einst auf dem Schulpausenhof rekrutierte, gern so manisch, bissig und gefährlich wie einst Iggy Pop und seine Stooges, oder meinetwegen – um auch ein weibliches Role Model ins Feld zu führen – wie Brody Dalle und ihre seligen Distillers. Dafür baden die zehn Glam’n’Punk’n’Roll-Songs des Debütalbums, welches übrigens von einem gewissen Ryan Adams mit reichlich fachmännischem Retro-Chic produziert wurde, jedoch zu genüsslich im Pop. Da können de Wilde und Band-Nesthäkchen-Gitarrist Henry Cash noch so sehr ihre Liebe zu Oralsex und der Stadt der Engel besingen, pausbäckigen Hass ausspeien, juvenile Tränen vergießen und verkünden: „I don’t wanna be anything but me. I don’t wanna be cause I will do what I want.“ Da kann man noch so viele prominente Fans und Fürsprecher von Dave Grohl (Foo Fighters) über Shirley Manson (Garbage) bis hin zu Elton John vorweisen und auf der Bühne manische an das „Der Exorzist“-Mädchen (oder eben „[REC]“) gemahnende Posen und Verrenkungen aufs Parkett legen. Es bleibt düster scheppernder Pop. Der jedoch? Unterhält.