Alex Lahey – The Answer Is Always Yes (2023)
-erschienen bei Liberation-
Alex Lahey wurde in ihren bisherigen dreißig Lebensjahren wohlmöglich bereits recht oft mit dem unschön-finalen Wort „Nein“ konfrontiert. So beschreibt sie selbst, wie sie schon früh ihr Außenseitertum spürte und es sich für sie als queeres Migrantenkind so anfühlte, als sei die Welt einfach nicht für sie gemacht. Verwunderlich ist es dennoch nicht, dass ihr drittes Album nun den Titel „The Answer Is Always Yes“ trägt, schließlich hat Laheys Musik die Umarmung anderer verlorener Seelen schon immer über die eigenen Tauchgänge ins Jammertal Selbstmitleid gestellt. So verwies etwa der ziemlich genau vier Jahre zurückliegende Vorgänger „The Best Of Luck Club“ auf empathische Kneipengespräche in dessen Aufnahmeort Nashville. Und obwohl die neuen zwei Handvoll Songs den glasklaren Upbeat-Indie-Rock-Sound der ersten beiden Alben ein wenig hinter sich lassen, zeigt sich bei „The Answer Is Always Yes“ das offene Ohr für andere Menschen bereits im Entstehungsprozess, da die Australierin hier zum ersten Mal externe Songwriter integrierte, unter anderem den umtriebigen Iren Jacknife Lee (U2, Snow Patrol, Editors). Ja-Sagen bedeutet für Lahey eben nicht dumpfes Abnicken, sondern ständige Weiterentwicklung und Vorwärtsbewegung, und vor allem den unbedingten Willen, allen Widrigkeiten zum Trotz das Beste aus dieser so oft so absurden Welt und diesem unvorhersehbaren Irrgarten namens „Leben“ zu machen. Ihr unkomplizierter Indie-Pop-Rock vermittelt diese Beharrlichkeit trotz tendenzieller Kantenglättung mithilfe von roher Emotionalität, ohne dabei die dunkleren Momente des Daseins unbeachtet im Schatten stehen zu lassen.

Zu Beginn der knapp 35 Plattenminuten strahlt die Sonne Melbournes jedoch noch herrlich wolkenfrei durch die Platte. Zwar schneidet eine Laufsteg-fertige St.-Vincent-Gitarre durch die Handclap-Strophen des eröffnenden „Good Time“, doch bläst der Refrain jedes windschiefe Dach wieder gerade. Ganz ähnlich wie bei der eh dauerarschcoolen Annie Clark könnte man in manchem Moment fast meinen, dass Alex Lahey die Sonnenbrille längst auf der Nase festgewachsen sei. Und überhaupt: Die Hooks bleiben auch 2023 das Herzstück des Songwritings der Aussie-Indierockerin, dessen Einfachheit man nie mit Banalität verwechseln sollte – damit würde man vielsagenden Zeilen wie “Everyone is a bit fucked up / But they think they’re okay”, welche das Album wohl nicht ganz ohne Grund eröffnen, auch einfach unrecht tun. Apropos Tiefgang bei genauerem Hinhören: das an Wet Leg erinnernde „They Wouldn’t Let Me In“ etwa behandelt kurz vor Schluss schlaglichtartig, wie ihre Teenager-Zeit von Ablehnung und Ausschluss geprägt war – und bildet den daraus gewachsenen Frust mit knorrigem Post Punk samt Sprechgesang, Gang-Of-Four-Riffs und borstigem Bass ab, der sich jeder Auflockerung verweigert. Nicht das einzige Mal, dass „The Answer Is Always Yes“ seine erlösenden Ausbrüche hinauszögert: Das Emo-Storytelling von „The Sky Is Melting“ baut sich Schicht für Schicht auf und entfesselt seine ganze melodische Wucht erst am Ende nach einem Piano-dominierten Intermezzo. Die Laut-Leise-Dynamik versteht auch das akustisch beginnende „Permanent“, wenn es in der zweiten Hälfte auf kathartische Weise den Strom anstellt. In solchen weniger konzisen Songs beweist die Musikerin auch ohne radikale Stilbrüche die Dehnbarkeit ihrer Pop-Formel. Zudem dürfte der Flair-Verweis auf den My Chemical Romance’schen Song „Summertime“ in “Makes Me Sick” höchstens all jene verwundern, die Laheys vor einiger Zeit für den australischen Radiosender triple j eingespielte fantastische Coverversion des MCR-Gassenhauers „Welcome To The Black Parade“ sträflichst verschlafen haben.

In „Congratulations“ wiederum singt sie zu voll aufgedrehtem Fuzz und dezentem Grunge-Gestus über zwei ihrer Ex-Freundinnen, die beide unabhängig voneinander in kurzer Zeit heirateten, und die von dieser Neuigkeit ausgelösten Gefühlstumulte. „I’m doing just fine without you“, heißt es da – ob nun sarkastisch oder aufrichtig, das bleibt analog zu den formulierten Glückwünschen unklar. Und Zeilen wie „If I don’t care, then why do I / Still think about you all the time?“ verdeutlichen, dass die Urheberin sich selbst, aller triefenden Ironie zum Trotz, nicht so sicher ist. Zum Leben gehört eben auch die Erkenntnis, dass selbiges nicht immer rosig verläuft. An anderer Stelle gibt es jedoch weder Kompromisse noch Missverständnisse: „You’ll Never Get Your Money Back“ äußert schon im Titel verdammt eindeutige Worte, bevor feinste Indie-Disco-Gitarren loslegen, und das auf den Punkt gespielte „Shit Talkin'“ kotzt sich in der wohlmöglich eingängigsten Hook des Albums über Lästermäuler aus. Doch jeder Hauch von Misanthropie ist verschwunden, sobald die passionierte Menschenfreundin im triumphalen Titelstück-Closer zu Saiten-Krach und sich auftürmendem Schlagzeug das Glas erhebt – als würde sie noch immer an jenem Tresen in Nashville sitzen und verständnisvolle Schulterklopfer mit denjenigen austauschen, die solche genauso wie sie selbst gebrauchen können: “I just want a good time / Don’t care how, but I know everybody needs it”. Amen. Eine ehemals punkrockende deutsche Kapelle sang einst recht gleichsam trefflich: „Und grad deswegen: Auf das Leben!„ Also noch ein Bier und noch eine Geschichte? „The anwer is always yes.“
Rock and Roll.