Archiv der Kategorie: Ausflugstipp

Das Album der Woche


Listener – Time Is A Machine (2013)

Time Is A Machine (Cover)-erschienen bei Tangles Talk Records/Alive-

Ich kann mir nicht helfen. Immer wieder muss ich bei dieser Band an den rasenden Roadrunner und den nimmermüden Kojoten denken…

Und irgendwie ergeben diese Assoziationen bei Listener auch durchaus einen Sinn: Auf der einen Seite der Band aus Fayetteville, Arkansas steht Dan Smith. Das Sprachrohr drischt ab und an in die Saiten seines Basses und spuckt seine im US-amerikanischen Underground HipHop geschulten, höchst ernsten Rhymes und Verse mit einer solchen Manie und Intensität ins Mikro, dass dem Zuhörer im kleinen Kellerclub schon mal Hören und Sehen vergehen kann. Auf der anderen Seite scheint Christin Nelson vergleichsweise in seinem tiefsten Inneren zu ruhen. Der optisch – mit fülliger Statur, langem Bart, nahender Haupthaarplatte und bohrendem Blick – an Produzenten-Legende Rick Rubin erinnernde Gitarrist steht seinem charismatischen Front-MC sprichwörtlich zur Seite und versorgt den Rest der ungewöhnlichen Soundkulisse mit allem, zu dem Smith im Eifer des Wortgefechts nicht mehr kommt.

Listener #3Dabei ging Dan Smith das Projekt namens „Listener“ 2002 ursprünglich auf Solopfaden an, ließ ein Jahr darauf mit „Whispermoon“ das erste albumgewordene Listener-Baby auf die Musikwelt los und begab sich auf die „Tour of Homes“ kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten und Europa, im Zuge derer er mal in Cafés, aber auch in Kunstgallerien, alten Fabrikhallen und WG-Wohnzimmern spielte – eben immer da, wo man Interesse, ein wenig Handgeld sowie Kost und Logie bot. Und: 2005 lernte Smith bei eben einer dieser Shows in Las Vegas, Nevada den Multiinstrumentalisten Christin Nelson kennen, den er zwei Jahre später dazu bewegen konnte, sich ihm anzuschließen. Noch im selben Jahr – also: 2007 – veröffentlichte das Duo das Album „Return To Struggleville„, welches bereits in großen Zügen andeutete, wozu Listener für die Zukunft fähig sein könnten: Knapp 40 Minuten verteilt auf elf Songs, die sich praktisch jeder Kategorisierung entzogen und ebenso den Geist den Punkrock atmen wie den den HipHop und den von Songwritertum und Lofi-Country. Scharf angeschnittene E-Gitarrenriffs, gepaart mit allerlei Soundsamples, pumpendem Schlagzeug und billigen Akustikgitarren? Alles dabei! Dazu drischt Dan Smith seine beständig zwischen Wut, Nachdenklichkeit, Melancholie, Sozialkritik und Kampfansage pendelnden Wortsalven mit einer solchen Intensität in die Ohrmuscheln, dass der überrumpelte Hörer einfach gar nicht anders kann, als zuzuhören. Immer wichtig, immer innovativ, immer wendig und besonders – und der großartige, 2010 erschienene Nachfolger „Wooden Heart“ setzte all das sogar auf einem noch höheren Level fort. Dem tourerprobten Duo gelangen es darauf, ihre Songs noch austarierter zu gestalten und so mit noch mehr gezielter Wucht und Emotionalität zu füllen. Wer genau hinhört, kann unter den elf Klangperlen kleine Herzenshits ausmachen, die sich unter anderem mit Bläsern (man lausche dem großen „Falling In Love With Glaciers“!) an den Bandsound von Modest Mouse ranschmeissen, dabei jedoch ihre Eigenständigkeit nie aus dem Fokus verlieren – und im Nachhinein auch einen Fingerzeig aufs neue und aktuelle Album „Time Is A Machine“ erkennen lassen. Denn zu den tausend Möglichkeiten, die sich Smith und Nelson bereits zu Zeiten von „Wooden Heart“ erarbeitet hatten, kam im vergangenen Jahr noch mindestens eine weitere dazu: Durch den Einstieg von Schlagzeuger Kris Rochelle haben die beiden nun Blick, Kopf und Hände frei für einen noch größeren Sound – was für Listener zwar keineswegs die Abkehr vom geliebten Direktkontakt mit dem gebannt an Smiths Lippen hängenden Publikum im Kellerclub bedeuten mag, jedoch eine Richtung, die sich – personalbedingt – bisher rar im bandinternen Klangspektrum machte: Post Rock. Gefahren? Bei einer Band wie Listener, die zur eigenen musikalischen Verortung – halb aus Spaß, halb im Ernst – erst selbst das Etikett „Talk Music“ erfinden musste, praktisch gleich Null…

Listener #1

Und dementsprechend groß hört sich „Time Is A Machine“, in der Bandhistorie mal als Album Nummer vier, mal bereits als Nummer sieben geführt, bereits zu Beginn an. „Eyes To The Ground For A Change“ prescht mit kraftstrotzend aufmuckenden Gitarren und polterndem Schlagzeug die staubige Landstraße gen Süden entlang, während Smith energisch klar stellt: „On a pack of oranges and the open road I keep my eyes to the ground for a change / We can all be free if that’s what we wanna be / But I will always be that way“. Im gleichen Tempo hechelt „Good News First“ längs der mexikanischen Grenze entlang, bevor der Hörer bei „Not Today“ eine trügerische Ruhe verspüren darf: „If the sun turns to a shooting star, and leaves us with nothing much to say / This is not a fear trap, you can’t pass a test you don’t take / If you go looking you’ll find it when it goes quiet behind your eyes – passend zur lyrischen Vorahnung der Apokalypse verwandeln sich die bedächtig hallenden Gitarrenakkorde alsbald in ein wahres postrock’sches Inferno aus GitarreSchlagzeugBass, welches nach viereinhalb Minuten – gefühlt – viel zu früh verglüht. Auch die folgenden Songs „Tornado“ und „I Think It’s Called Survival“ machen ihren Titeln alle Ehre und zeigen Listener als Band, die Hunger auf Punkrock-Fahrtwind hat, während sich die Stimme von Smith ein ums andere Mal überschlägt. In „Everything Sleeps“ ruft der scheinbar um mehrere Tage Schlaf gebrachte Frontmann wieder die Geister des Post Rock auf den Plan, greift in der Two Gallants-Galgenpartie „These Are Wrecking Balls Inside Us“ in einer seiner seltenen Atempausen zur Trompete  und ruft im abschliessenden „It Will All Happen The Way It Should“ noch einem wie kurz vorm Heraustreten aus der Studiotür „Just hold on / There’s a way out / It’s all happening the way it should“ zu – ein Schulterschluss mit dem Teufel Schicksal, bevor die Band die vorangegangenen 25 Minuten erst infernalisch vor den Baum fährt, nur um kurz vor dem Aufprall mit bedächtig ausfedernden Gitarrenakkorden sanft auszuklingen. Anders und unerwartet? Immer wieder…

Listener #2

Smith, Nelson und Rochelle fügen mit dem innerhalb einer (!) Woche gemeinsam mit Produzent Jon O’Brien (u.a. Young The Giant, Moosetache) im kalifornischen Tustin aufgenommenen „Time Is A Machine“ der Listener-Diskographie ein Album hinzu, dass viele Qualitäten in sich vereint: Euphorisch und euphorisierend, dramatisch und intensiv, mitreißend und melancholisch, voller Spaß und Ernsthaftigkeit. Dabei bauen Listener alte Stärken aus, fordern die Aufmerksamkeit des Hörers mit Haut und Haar und treiben im Kollektiv Rockmusik an ihre Grenzen. Das größte Ass im Ärmel der Band ist und bleibt jedoch immer noch Dan Smiths Art des manischen Sprechgesangs. Sobald dessen Stimme sich überschlägt, an- und abschwillt, an wilden Kapriolen bastelt und in voller Versfahrt potentielle Sätze und Punchlines fürs nächste Tattoo rausprügelt, dann weiß man: jetzt gerade liegen Listener richtig. Jetzt gerade sind Listener richtig gut. Dass „Time Is A Machine“ mit acht Songs in 30 Minuten (erneut) viel zu kurz ausfällt? Jammern auf hohem Niveau… Und: Hey, wenn man so will, dann haben Dan Smith und Co. mit „Time Is A Machine“ somit das wohl kürzeste und ungewöhnlichste Post Rock-Album des Jahres in die Regale gestellt! Im elften Jahr der Bandgeschichte üben sich Listener in der Manifestierung ihres Rufs als höchst eigenständige Band und der Erweiterung ihres musikalischen Horizonts, an dessen Ende es doch immer weitergeht. Auf das „Wie“ darf man gespannt sein… Nur eines steht fest: Auch in Zukunft wird selbst dem Roadrunner von Dan Smiths Wortsalven schwindelig werden – der Kojote hat die Jagd längst aufgegeben… Allein auf weiter Flur.

 

Hier kann man sich „Time Is A Machine“ in voller Länge anhören…

(Auf der Bandcamp-Seite der Band gibt’s übrigens die grandiosen Albumvorgänger ebenfalls im Stream…)

 

….und sich hier die Videos zu „Wooden Heart“ (verständlicherweise vom gleichnamigen Album)…

 

…und „Falling In Love With Glaciers“ ansehen:

 

Allen Freunden der intensiven Livemusik, der sich aufstellenden Nackenhaare und der ganz besonderen Momente inmitten einer schweißgebadeten Menge sei empfohlen, sich Listener an einem der in Kürze deutschlandweit stattfindenden Konzerttermine live, bunt und laut zu gönnen:

14.08.2013 / Hafenklang, Hamburg
24.08.2013 / Musikbunker, Aachen
27.08.2013 / FZW, Dortmund
28.08.2013 / Jugendhaus West, Stuttgart
29.08.2013 / Brotfabrik, Frankfurt
30.08.2013 / Privatclub Berlin, Berlin
31.08.2013 / Sound of Bronkow, Dresden
01.09.2013 / Kinos im Andreasstadel, Regensburg
03.09.2013 / Ex-Haus, Trier

(Wer mag, darf mich voraussichtlich im Aachener Musikbunker begrüßen… Nur mal so.)

 

Wer da noch überlegt, der kann anhand dieser Konzertimpressionen getrost alle Bedenken zu Grabe tragen:

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Villagers live in der Muziekgieterij, Maastricht, 30. April 2013: von Ängsten, Ufern und Möglichkeiten


Villagers

Schön blöd, wer den 30. April zuhause verbracht hat, immerhin wurden dem potentiell Unternehmungswilligen ausreichend Alternativen geboten: in Amsterdam (oder in jeder anderen holländischen Stadt) hätte man sich unters ausgelassen feiernde Oranje-Fußvolk mischen können, um den alljährlichen „Koninginnendag“ und die Amtsübergabe von Königin Beatrix an ihren Sohn Willem-Alexander feucht-fröhlich zu begießen. In Madrid (oder einer von tausenden Public Viewing-Lokalitäten) durfte man – je nach Sympathie – wahlweise den verdienten (!) Einzug meines BVB ins Finale der diesjährigen Champions League bejubeln oder den schleichenden Niedergang der spanischen Fussballdominanz betrauern – wobei das gestrige Halbfinalrückspiel wohl für Schwarz-gelb in den letzten Minuten noch einmal an unnötiger Dramatik zugelegt haben mag (und sich damit nahtlos in die Riege memorabler Bewegnungen mit Dortmunder Beteiligung in dieser Saison einreiht). Verglichen mit diesen Ereignissen von internationaler Tragweite mag der Auftritt der Villagers in der Maastrichter Muziekgieterij nahezu unscheinbar anmuten. Dabei war dieser höchst formidabel…
Anfangs fällt natürlich die stete Diskrepanz zwischen dem unscheinbaren, schüchtern-nüchternen Bubi-Äußeren von Sänger Conor O’Brien und dessen charismatisch ausstrahlender Bühnenpräsenz in Aug‘ und Ohr. Der aus Irland stammende Singer/Songwriter betritt zunächst allein und nur mit seiner Akustikgitarre bewaffnet die Bühne, und bereits nach den ersten sachten Akkorden von „Cecelia & Her Selfhood“ schweigt das komplette Publikum, lauscht gebannt jeder Zeile, die die Lippen des 29-Jährigen verlässt, und lässt das spärliche Klirren von Gläsern an der angrenzenden Bar beinahe wie Detonationen erscheinen. Nach diesem Stück begibt auch der Rest der mittlerweile – neben Bandleader O’Brien – aus Cormac Curran (Keyboard), James Byrne (Schlagzeug), Tommy McLaughlin (Gitarre) und Danny Snow (Bass) bestehenden Villagers zur ihren Instrumenten, um sich mit einer reduzierten Version von „Nothing Arrived“, zweifellos eines der Highlights des aktuellen, zweiten Villagers-Albums „{Awayland}„, Schritt für Schritt warm zu spielen. Denn, abgesehen einmal vom fragilen Kleinod „My Lighthouse“, nimmt sich die Band bei den folgenden Stücken weitaus weniger zurück und lässt unter anderem das beschwingte „The Pact (I’ll Be Your Fever)“, den Endzeitenabgesang „Judgement Call“, „The Waves“, welches in einer Reduktion weg von der Elektro-Calypso-Albumversion daherkommt (gen Ende jedoch auch live in einer Art musikalischer Kakophonie ausartet), oder die Wiedergeburtsmär „Earthly Pleasure“, bei der O’Brien in Manie zwischen Gesang und wirrer Sprech-Stotterei hin und herspringt, aufs begeistert applaudierende Publikum los. Seine Mitmusiker halten sich dabei effektiv im Hintergrund, während Conor O’Brien an Mikrofon und Akustischer in seinem Element scheint und ohne große Ansagen Song für Song, welche insgesamt das Hauptaugenmerk aufs aktuelle Album „{Awayland}“ legen, jedoch auch die Favoriten des noch von O’Brien größtenteils allein eingespielten Debüts „Becoming A Jackal“ nicht außer Acht lassen, für sich durchlebt, durchleidet, durchbarmt & -fleht – und diese Emotionen beinahe Eins zu Eins ans noch immer bedächtig lauschende Publikum weitergibt. Und diese Stimme, diese Stimme – wen’s kalt lässt, der darf sich gern die Grundeigenschaft „aus Stein“ in den Lebenslauf schreiben! Mit einer erneut manischen Variation von „Ship Of Promises“ beenden die Villagers ihr reguläres Set, bevor O’Brien – zunächt erneut solo und akustisch – für „That Day“ zurückkehrt, die restlichen Musiker bei „In A Newfound Land You Are Free“ wieder dazustossen und das etwa 80-minütige Konzert mit einer famosen Darbietung von „Becoming A Jackal“ zum Abschluss bringen. „So before you take this song as truth / You should wonder what I’m taking from you / How I benefit from you being here / Lending me your ears / While I’m selling you my fears“ – Sollte Herrn O’Brien die Vertonung seiner Ängste auch auf der Bühne immer so fulminant gelingen, so kann man darf nur erwidern: könnte schlimmer sein, gern und jederzeit wieder!
Klar, die Erwartungen, die vor drei Jahren bei Erscheinen des Debüts auf Conor O’Briens schmächtige Schultern gelegt wurden, waren keinesfalls die kleinsten – als die britische Songwriter-Hoffnung wurde er gefeiert, als „neuer Conor Oberst“ ausgerufen (was aufgrund des gleichen Vornamens wie der Bright Eyes-Frontmann und der geteilten Nähe zu tiefen Emotionen naheliegend erscheinen mag, insgesamt jedoch plakativ und lächerlich anmutet)! Doch der Musiker aus Dublin baute sich einen fünfköpfigen Band-Schutzwall um sein Baby namens „Villagers“, legte mit „{Awayland}“ auf Albumlänge die qualitative Messlatte noch eine Stufe höher, und bestätigt auch auf der Konzertbühne jegliche Vorschusslorbeeren. Die Villagers liefern ab, unterhalten mit ihren ausufernden – ja: nicht selten uferlosen! – Kleinoden zwischen Verlangen, Verlust, Vergehen, Neubeginn, Sehnsüchten und Aufbegehren, die zu Hoffnungsschimmern am Horizont in einem Meer aus melacholischen Weltbetrachtungen baden, bei unglaublich gut abgemischter Akustik (was in den ehemaligen Fabrikhallen der Muziekgieterij freilich keine Selbstverständlichkeit darstellt und hier somit einfach erwähnt werden muss!) vortrefflich. Ein feiner Abend, ein feines Konzert – und trotz aller anderen historischen Ereignisse außerhalb war wohl jeder einfach froh, dabei gewesen zu sein…

 

Bebilderte Impressionen gefällig? Die gibt es hier:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

(alle Konzertfotos: ANEWFRIEND)

 

Wer sich vor einem ausdrücklich zu empfehlenden Besuch eines Villagers-Konzerts selbst noch fix ein Bild von den Qualitäten der Band machen möchte, der kann sich hier die 17-minütige „Live at Attica“-Session von Conor O’Brien & Co. zu Gemüte führen:

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , ,

Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier einige der Videoneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

Mumford & Sons – Whispers In The Dark

Mumford & Sons - Szene aus "W.i.t.D."

Zu behaupten, dass die vier Briten von Mumford & Sons derzeit auf der Sonnenseite des Musikgeschäfts durch die Welt reisen, ist zweifelsohne alles andere als Übertreibung. Ihr zweites Album wurde bei den Grammy-Awards kürzlich als „Album des Jahres“ ausgezeichnet (und setzte sich damit gegen nicht eben schlechte Werke von den Black Keys, Jack White oder Frank Ocean durch), die aktuellen Konzerte sind durchgängig ausverkauft, Sänger Marcus Mumford hat sich gar in Hollywood eingeheiratet und arbeitet momentan gemeinsam mit Justin Timberlake (!) am Soundtrack des neuen Coen Brüder-Films „Inside Llewyn Davis“. Läuft? Läuft!

Und auch wenn das Video zu „Whispers In The Dark“, der nächsten Single des Erfolgsalbums „Babel„, evozieren mag, dass die vier Mumfords sich außerhalb ihrer Pflichttermine (aka. Konzerte und Studioaufenthalte) kaum sehen (können) – alles Quatsch, Marcus Mumford, Winston Marshall, Ben Lovett und Ted Dwane sind natürlich Buddies by heart. Und: das Video enthält einen kleinen Gastauftritt der Damen von Haim, welche ja in der letzten Zeit – und das nicht nur hier auf ANEWFRIEND – zu einer der größten Hoffnungen für 2013 erklärt wurden: die drei Schwestern treten als Rock’n’Roll-Stylistinnen von Banjo-Spieler Winston Marshall auf.

 

 

 

Biffy Clyro – Biblical

Biffy Clyro - Szene aus "Biblical"

Und auch das schottische Trio von Biffy Clyro kann momentan kaum über Erfolglosigkeit klagen. Das kürzlich erschienene Doppelalbum „Opposites“ wurde von Fans wie Kritikern – trotz seiner nicht zu leugnenden Opulenz – fast durchgängig überschwänglich aufgenommen, und die Band drauf und dran, nun auch das US-amerikanische Rockpublikum für sich zu vereinnahmen – was ja auch passen würde, immerhin entstand „Opposites“ im sonnigen Santa Monica, Kalifornien.

Und das neue Video zu „Biblical“ weiß, wie bereits seine Vorgänger, wieder mit cineastischen Szenen zu überzeugen. Sänger Simon Neil erhält darin immer wieder einen mysteriösen Anruf auf dem Telefon seines Motelzimmers, stürmt heraus – und setzt damit eine Kette tragischer Ereignisse in Kraft, an deren Ende er sich wieder auf dem Bett des Motelzimmers befindet. Alles geht von Neuem los – Murmeltiertag in der Version von Mon the Biff

 

 

 

Dear Reader – Down Under, Mining

Szene aus "Down Under, Mining"

Der erste Vorbote zum neuen Album der Band von Frontfrau Cherilyn MacNeil war auf ANEWFRIEND bereits vor einigen Wochen zu hören. Bevor „Rivonia„, das dritte Album von Dear Reader, am 5. April in die Plattenläden kommt, kann man sich nun „Down Under, Mining“ als liebevoll in Szene gesetztes Scherenschnitt-Video zu Gemüte führen…

 

 

 

Mire Kay – Reverse

Still aus "Reverse"

Was macht eigentlich die schwedische all-female Post Rock-Band Audrey gerade? Nun, seit dem zweiten, 2008 erschienenen Album „The Fierce and the Longing“ liegt die Band – offiziell – auf Eis. Deshalb braucht man jedoch nicht auf neue Musik von ihnen zu verzichten, denn Emelie Molin und Victoria Skoglund, immerhin zwei Viertel von Audrey, veröffentlichen (ebenfalls) am 5. April „A Rising Tide Lifts All Boats„, das Debütalbum ihrer neuen Band Mire Kay. Wer mag, kann sich schon jetzt einen Vorgeschmack in Form der ersten Single „Reverse“ holen, dessen Video in einem alten Gemeinderaum in Stockholm aufgenommen wurde. Solange sich der Frühling noch nicht gänzlich zum Bleiben entscheiden kann, sind Stücke wie dieses hier doch die nahezu perfekte Spaziergangsuntermalung, werden einem der kalte Wind durch graue Wolken ins Gesicht bläst…

 

 

Mehr gefällig? Klar! Das Duo bietet mit „Beat“ auch einen weiteren Song des Debüts, welches der vor zwei Jahren veröffentlichten EP „Fortress“ nachfolgt, zum Stream und freien Download an…

 

…und kommen im April und Mai für einige Konzerte in deutsche Gefilde:

 

10.04.2013 – DE – Hamburg – Hasenschaukel
11.04.2013 – DE – Leipzig – Kaffic
12.04.2013 – DE – Erfurt – Franz Mehlhose
14.04.2013 – DE – Berlin – Ackerstadtpalast
05.05.2013 – DE – Hamburg – Aalhaus
05.05.2013 – DE – Köln – Wohngemeinschaft
10.05.2013 – DE – Frankfurt/Main – Zoom

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Maastricht rockt (wenn auch selten)! – so war das „Bruis at the Docks“…


Bruis At The Docks

Da kandidiert Maastricht doch tatsächlich gemeinsam mit den umliegenden holländischen, belgischen und deutschen Regionen (zusammengefasst unter dem Terminus „Euregio Maas-Rhein“) als Europäische Kulturhauptstadt 2018! Sowas… Denn seien wir einmal ehrlich: was hat das limburgische Städtchen, das sich da so beschaulich im Dreiländereck räkelt, denn kulturell zu bieten? Okay, die etwa eintausendjährige Stadtgeschichte, der von zwei Weltkriegen nahezu verschont gebliebene historische Stadtkern, die vielen Kirchen – all das mag für Touristen recht interessant sein. Okay, die jährlich stattfindenden André Rieu-Festspiele mögen zu ziemlich jedes Rentnerherz höher schlagen lassen, denn immerhin ist der bräsig dauergrinsende Violinist, neben dem Weltklasseschwimmer Pieter van den Hoogenband, der wohl bekannteste Sohn der Stadt. Aber was hat Maastricht denn aus rein musikalischen Gesichtspunkten derzeitig für jemanden unterhalb der Rentenschwelle zu bieten? Genauer: jemandem, der eben nicht dem ansässigen internationalen Studentenmob in die zwei, drei 08/15-Diskotheken der Stadt und Region folgen mag? Gut, da gäbe es sicherlich eine handvoll Jazz-Kneipen, die ab und an zum stilvoll abgehangenen Easy Listening einladen. Aber sonst? Meist tote Hose!

Da ist es doch umso schöner, wenn der nach gehobener gitarrenlastiger Unterhaltung dürstende Musikfreund im Rahmen des derzeitig etwa halbjährlich stattfindenden „Bruis“-Festivals die Gelegenheit bekommt, wenigstens für ein paar Stunden innerhalb Maastrichts seinem „Rausch“ zu frönen, auf mehreren Bühnen Konzert um Konzert mitzunehmen und einige neue Eindrücke zu gewinnen. Und während die letzte Festivalausgabe noch an einem Sommerwochenende draußen unter freiem Himmel stattfand, gab es nun das „Bruis at the Docks“ unterm Fabrikdach sowie im Zelt. Verteilt auf zwei Tage bekamen die Besucher der örtlichen Muziekgieterij in der Timmerfabriek 18 Musikformationen geboten, welche im stündlichen Wechsel das bewusst recht schmucklose Ambiente beschallten. Und da das „Bruis“ nun eben weder das traditions- und namenhafte „Glastonbury“ noch das „Roskilde“ ist, wurden vor allem holländische und belgische Bands eingeladen, sich in diesem Rahmen vorzustellen, und das Line-up um international bekannte Bands wie I Am Kloot, Fidlar oder The Van Jets ergänzt. Dass für mich am Ende eine Band aus dem niederländischen Utrecht das wahre Samstagshighlight war (und somit gar die von mir heiß geliebten I Am Kloot ausstach), dürfte nur für die Gesamtqualität des „Bruis at the Docks“ sprechen…

Doch von Anfang an: mit einem 40-Stunden-Job im Rücken war es mir leider nicht möglich, mit dem Freitag auch den ersten Tag des „Bruis at the Docks“ mitzunehmen. Und da I Am Kloot (ich erwähnte es bereits: seit Jahren heiß geliebt) erst am darauf folgenden Samstag auf den Bühnenbrettern stehen sollten, entschied ich mich für ein relativ entspanntes Eintagesticket. Als wir um etwa 15.30 Uhr an der lediglich einen kurzen Fußmarsch von Maastrichts Stadtzentrum entfernten Timmerfabriek ankamen, war der zweite Festivaltag bereits in vollem Gange. Das erste Konzert-Bier in der Hand, sahen wir dem aus Utrecht stammenden Quartett Mister And Mississippi beim Soundcheck zu. Klingen interessant, die drei jungen Herren und eine Dame? Klingen vielversprechend! Ein Intro mit zwei Mini-Schlagzeugen, vom Geigenbogen gespielter E-Gitarre (Jimmy Page! Sigur Rós!) sowie heftig angeschlagener Akustischer! Mehrstimmiger Harmoniegesang, der mal an die Fleet Foxes gemahnte, oft an die jungen Geschwister von Mumford & Sons, und noch häufiger an die Isländer von Of Monsters And Men! Weiblich-männlicher Wechselgesang, der mich gar an Zeiten erinnerte, als Damien Rice und Lisa Hannigan noch gemeinsam Balsam um Hörerohren strichen (und das ist – aus meiner Tastatur – als großes Kompliment zu verstehen)! Mister And Mississippi – das selbstbetitelte Debütalbum ist seit wenigen Wochen auf dem Markt, den Namen sollte man sich verdammt noch eins merken!

Dass es die darauf folgenden Formationen angesichts dieser Vorlage schwer haben würden, mich noch mehr zu beeindrucken, ist durchaus verständlich. Doch nichtsdestotrotz wurde man als Zuschauer weiterhin glänzend unterhalten. Egal, ob nun von den belgischen Sir Yes Sir, die mit einer höchst affektiert agierenden Rampensau von Frontmann und Melodien à la dEUS zu glänzen wussten, oder dem an die Fleet Foxes oder Grizzly Bear erinnernden, seit 2010 bestehendem Folker-Sextett Dan San (ebenfalls aus Belgien), welches zwar musikalisch in eine ähnlich wohlige Kerbe schlug wie Mister And Mississippi, dabei jedoch etwas weniger Eindruck hinterließ. Dass Headphone (auch aus Belgien!) große Radiohead-Fans sind, dürfte außer Frage stehen. Dass ihre Songs genau dann, wenn sie Thom Yorke & Co. mit dezenten elektronischen Einschüben klanglich nacheifern (stylistisch etwa zwischen „The Bends“ und „Hail To The Thief“), dürfte ebenso klar sein. Denn bei Versuchen, sich mit Songs der zwei bereits erschienen Alben etwa in Richtung der Lederjackenrocker vom Black Rebel Motorcycle Club zu bewegen, wurde es dann doch etwas arg beliebig. A propos beliebig: BRNS aus – ja, ratet mal! – Belgien richteten sich mit zwei kompletten Schlagzeugen, einem massiven Keyboard und einer Gitarre im Halleninneren ein, begannen eindrucksvoll druckvoll, legten funky Beats über in Höhen schwingenden Gesang über Gitarrenfiguren über Elektronikloops, ließen Schlagzeugrhythmen einander doppeln – an den besten Stellen erinnerte all das an eine Fugazi-Ausgabe der Foals, meisten rauschte all das in seiner Hektik einfach nur am Ohr vorbei. Und wurde erst im letzten Song wieder großartig, als die vierköpfige Band noch einmal alles aus sich herausholte. Mein Wunsch: BRNS sollten versuchen, die live zur Schau gestellte Wucht auch auf ihre Alben zu transportieren, denn das aktuelle „Wounded“ klingt dann doch arg enttäuschend austauschbar. A propos beliebig, Teil zwei: The Van Jets sind: gitarrenorientierte Partyunterhaltung mit extrem hohem Fremdschämfaktor, einem albernen Frontmann, einem noch alberneren Bassisten. Langweilig, ereignisarm – zumindest für mich. A propos beliebig, Teil drei: Sungrazer machen mit ihrem Psycheldelic-Stoner Rock bereits seit 2009 die heimischen Niederlande unsicher. Ihr Problem, bei aller technischer Perfektion: sie kommen damit mindestens 15 Jahre zu spät… Und, zu meinem leichten Entsetzen: beliebig, Teil vier: John Bramwell und Band hätten zwar aus I Am Kloots ausgezeichnetem Sechs-Alben-Backkatalog, und damit aus den Vollen schöpfen können, doch irgendwie spielte die aus dem englischen Manchester stammende Gruppe, trotz – zumindest nach Außen – ausgezeichneter Stimmung mit ihren Pubrock-Weltumarmungshymnen tendenziell am beständig quatschenden Publikum vorbei und erreichte nur in wenigen Momenten – wie etwa bei „Hold Back The Night“ oder der Zugabe „Proof“ – wirklich die Hörerherzen. Und, welch‘ Sakrileg: mein persönliches Lieblingsstück „From Your Favourite Sky“ stand zwar auf der Setlist, klang jedoch nur bei Soundcheck kurz an! Da wäre für und von I Am Kloot deutlich mehr drin gewesen… Leider.

Da uns nach über acht Stunden Musik nicht mehr der Sinn nach dem Skateboard-Punkrock von Fidlar stand, traten wir um kurz nach Mitternacht den Heimweg an. Fazit: „Bruis at the Docks“ war eine rundum feine Sache. Und gerade in einer nicht eben als Konzerthochburg verschrieenen Stadt wie Maastricht eine gelungene Abwechslung… Gern wieder!

 

Zum Schluss noch ein Konzerttipp, denn am 30. April legen die zu recht hochgelobten Villagers, die auf ANEWFRIEND mit ihrem zweiten Album „Awayland“ unlängst das „Album der Woche“ ablieferten, einen Tourstop in den Hallen der Maastrichter Timmerfabriek ein. Unbedingt ansehen! Ich bin definitiv dabei.

 

Hier kann man sich den Song „Running“ vom kürzlich erschienenen Mister And Mississippi-Debütalbum anhören und bei Gefallen auch kostenfrei herunterladen…

 

…oder sich einen Sessions-Mitschnitt des Stückes „Northern Sky“ zu Gemüte führen…

 

…und das Video zum I Am Kloot-Song „Hold Back The Night“, welcher ein der wenigen Highlights des leider recht mittelmäßigen Festivalauftritts war, ansehen:

 

 

Natürlich hat ANEWFRIEND auch wieder die ein oder andere optische Festivalimpression für euch parat:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

(alle Fotos: ANEWFRIEND)

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Rocks and Rolls and Danish Dynamite? So war das Roskilde Festival 2012!



1971 gegründet und damals noch unter dem Namen SOUND FESTIVAL stattfindend, ruft ein kleiner, verschlafener Ort auf der dänischen Insel Seeland alljährlich Festivaljünger aus Skandinavien, Europa und der ganzen Welt zusammen, um gut eine Woche lang dem Erleben von mehr oder minder lauter, lebensfroher und tanzbarer Musik, dem gemeinsamen – meist feuchtfröhlichen – Feiern sowie dem Beisammensein in Zeltstädten bei Dosenravioli und Campingkocher zu frönen. In besten Zeiten invadierten 115.000 Musikbegeisterte das ländliche, etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Kopenhagen entfernte Roskilde, 2012 waren es, auch den Sicherheitsbestimmungen nach dem tragischen Zwischenfall 2000 geschuldet, bei der 42. Ausgabe immerhin gut 77.000.

Und beim Blick auf das Line-Up überraschen solche Zahlen kaum: Rock in allen Spielarten, Pop, Metal, elektronische Klänge, Bluegrass, Blues, Reggae, Singer/Songwriter… – für praktisch jeden war auch in diesem Jahr etwas dabei. Und wer nicht vorrangig der auftretenden Bands und Künstler wegen da war, der konnte auf dem nicht eben kleinen Gelände dem bunten Treiben der vor allem aus Dänemark kommenden Besucher,  von denen etwa 20% aus dem Ausland anreisten, beiwohnen.

Doch genug zur Historie und zu Allgemeinplätzen. Hier nun das, was mir von Roskilde 2012 in Erinnerung geblieben ist, in Form eines kleinen Festivaltagebuchs:

 

Tag 1 (Dienstag, 3. Juli 2012):

Die Reise beginnt in der sächsischen Provinz uns führt mich und meine zwei Begleiter (zum Ende des Festivals werden wir zu fünft sein, die anderen zwei stoßen später von Schweden aus zu uns) per Road Trip und mit sorgfältig ausgewählter Musik bei durchgängig freien deutschen Autobahnen bis nach Rostock. Da wir weit vor Abfahrt der Fähre zum dänischen Gedser ankommen, bleibt noch Zeit, um der unterbeschäftigten Imbissfrau bei Fischbrötchen, Bulette, Kaffee und Rostocker Pils ein wenig Gesellschaft zu leisten und Trost zu spenden.

Bei untergehender Sonne und mit einer Horde portugiesischer Schüler an Bord laufen wir beinahe pünktlich auf die Ostsee aus und kommen im Dunklen in Gedser an Dänemarks Küste an. Den Weg nach Roskilde zu finden ist nicht schwer: wir müssen einfach nur immer den Hauptstraßen geradeaus folgen. Gegen 23.30 Uhr kommen wir am Festivalgelände Roskildes an, müssen jedoch noch einen kurzen Trip in die „Innenstadt“ der Gemeinde unternehmen, um dänische Kronen für den Autostellplatz zu besorgen. Nachdem dies erledigt und das Auto abgestellt wurde, heißt es, sich die offiziellen Festivalbändchen am Arm festzurren zu lassen und nach einem geeigneten Zeltplatz für die kommenden Tage Ausschau zu halten. Letzteres stellt sich jedoch als Kraftakt von kaum vorstellbarer Schwere heraus, da das Gelände bereits am vergangenen Samstag geöffnet wurde und bereits so ziemlich alle Plätze belegt sind (wie wir später bemerken sollten, hatten wir jedoch damit auch Glück um „Unglück“). So wandern wir also, nach über 12 Stunden Anreise, durch spärlich beleuchtete Zeltstädte und vorbei an bereits allerhand Müll, Alkoholleichen und einer Jugend, die scheinbar den Aufstand des Leichtsinns probt. Am hintersten Eck (das sich bezeichnend „Silent Area“ schimpft) finden wir noch ein wenig Platz, beschließen diesen alsgleich zu besetzen und schaffen unter Aufbietung unserer letzten Kraft- und Wachreserven unser Zeug herbei. Als unsere Zelte aufgestellt und die Heringe im Festivalboden verankert sind, beginnen bereits die ersten Vögel den Anbruch des Festivalmittwochs zu begrüßen. Bei aufgehender Sonne stoßen wir gemeinsam mit dem höchst verdienten ersten Festivalbier an und sinken danach erschöpft in unsere Schlafsäcke.

 

Tag 2 (Mittwoch, 4. Juli 2012):

Der erste komplette Tag in Dänemark steht, auf besonderen Wunsch der „besten Freundin“, und da die „offiziellen“ Konzerte erst am nächsten Tag beginnen (vorher konnte, wer wollte, bereits kleineren dänischen/skandinavischen Bands beim Musizieren auf die Finger schauen), unter dem sonnigen Stern eines Sightseeing-Ausflugs in die dänische Hauptstadt, die mit dem Zug etwa 30 Kilometer oder 50 Minuten Fahrt entfernt liegt. Gegen Mittag kommen wir bei besten Temperaturen dort an, laufen vom Hauptbahnhof aus am beliebten „Tivoli“-Vergnügungspark vorbei durch’s Zentrum bis zur Vor Frelsers Kirke, die wir über eine im 18. Jahrhundert gebaute Wendeltreppe besteigen, um uns in 93 Metern Höhe einen Überblick über die etwa 540.000 Einwohner zählende Stadt zu verschaffen. Danach geht’s weiter nach Christiania, welches quasi das „alternative Zentrum“ Kopenhagens darstellt.  Gibt’s doch überall? Nun, besonders an diesem in einem verlassenen und seit 1971 von Hippies besetzten Militärgelände ist, dass der Stadtteil von den Bewohnern zur (mehr oder minder autarken) Freistadt ernannt wurde. Und „Besonderes“ sieht der Besucher, dem Fotografieren unter Androhung von Gewalt strengstens untersagt ist, auf jeden Fall. Oder zumindest mehr offen und frei angebotene bewusstseinserweiternde Substanzen als sonstwo (und ich wohne in den Niederlanden!). Und in beinahe allen Gassen Christiania strömen einem denn auch dementsprechende Gerüche entgegen… Toll hingegen ist es zu beobachten, dass hier Anzugträger und Rastafari im friedlichen Nachmittagssonnenplausch gemeinsam ihr Entspannungstütchen rauchen…

Nach diesem etwas abseitigen Trip geht’s per Wassertaxi weiter zu der Sehenswürdigkeit Kopenhagens: der „kleinen Meerjungfrau“. Gesehen. Abgehakt. Weiter. Nach dem Rückweg zum Hauptbahnhof geht’s zurück nach Roskilde. Ein schöner, entspannter Tag, um Energie für die nächsten vier kraftraubenden Tage im musikalischen Herzen Dänemarks zu sammeln.

 

Tag 3 (Donnerstag, 5. Juli 2012):

Der erste offizielle Konzerttag beginnt für die Einen von uns (wir sind mittlerweile zu fünft) mit den aus dem heimischen ehemaligen Karl-Marx-Stadt stammenden Kraftklub, für die Anderen mit The Shins. Ich entscheide mich für letztere Band…

Doch alsbald beschleicht mich in der Mitte des Auftritts das Gefühl, dass ich doch besser die Chemnitzer Neo-Sprech-Rock-Hipster hätte wählen sollen, denn irgendwie kommen James Mercer und Band nicht recht aus der Hüfte, was sich auch auf die dementsprechend mäßige Stimmung im Publikum auswirkt. Was soll’s. Dann halt zuhören und im Hinterkopf noch die Planung für die nächsten Tage durchgehen.

Weiter geht’s danach ins Gloria, eins von insgesamt sieben (!) Venues auf dem Festivalgelände, und zusammen mit der Orange Stage (der Hauptbühne) wohl das in seiner Gestaltung und Akustik beste, um dem Songwriter Sam Amidon zu lauschen. Ist nicht aufregend, das Ganze, jedoch sehr, sehr schön…

Auf der eben erwähnten Orange Stage betreten mit Robert Smith und seinen nicht minder gealterten Mitmusikern The Cure die Hauptbühne und werden diese für die nächsten gefühlt 50 Stunden nicht mehr verlassen. Stoisch und beinahe ohne Publikumsinteraktion (doch wer hätte das beim größten Trauerklos des Musikbusiness auch erwartet?) ziehen die Goth-/Wave-Rocker ihr Ding durch, spielen sich – beileibe nicht unvirtuos – durch den gewaltigen Backkatalog, lassen immer mal wieder Evergreens wie „Just Like Heaven“, „Lovesong“ oder „Lullaby“ mit einfließen, und wandeln gegen Ende gar auf Pink Floyd’schen Soundscape-Spuren. Mammutauftritt einer Band mit großer Spielfreude, und gegen Ende lassen sich Smith’s Lippen sogar das ein oder andere Lächeln entlocken – sensationell. Und die Geduld der Zuschauer wird bereits am ersten Tag geprüft…

Wir jedenfalls halten’s der Langatmigkeit wegen nicht bis zum Ende aus (und dabei ist „Disintegration“ eins meiner All-Time-Fav’s!) und statten Perfume Genius noch einen kurzen Besuch ab. Fazit: armer, schüchterner Kerl, traurige Songs, klagendes Stimmchen. Man reiche ihm einen warmen Kakao!

 

Tag 4 (Freitag, 6. Juli 2012):

Am Morgen werden wir vom Regen geweckt. Unbeugsam öffnen sich die Himmelsschleusen und verwandeln einen Großteil des Festivalgeländes sowie der Zeltstadt in eine müllbedeckte Schlammlandschaft. In unserem hintersten Eck des Zeltplatzes haben wir das Glück, noch Wiese als Untergrund zu haben, welche einen guten Teil der Nässe rasch aufnimmt und uns ein „Absaufen“ erspart. Mein Begleiter und ich (von ihm stammt auch ein guter Teil der Festivalfotos, welche er ANEWFRIEND großzügigerweise zur Verfügung stellte) entschliessen uns, das Festivalkino als trockenen Ort aufzusuchen. Gespielt wird gerade „Play“, ein schwedischer Film mit dänischen Untertiteln, dessen Handlung sich wohl vor allem über die Dialoge erschliesst. Wir sprechen leider keine der beiden Sprachen. Und können uns bei den Stellen, bei welchen das anwesende Publikum lacht, nur ungläubig anschauen. Die Stelle mit dem scheißenden asiatischen Jungen einmal außen vor…

Gegen Nachmittag legt sich der Regen so langsam und ein kurzer Abstecher zu Baroness, welchem im Odeon spielen, steht auf dem Plan. Ordentlich, die Jungs. Ordentlich laut. Werden wohl zurecht (hoch)gelobt. Ich bin angefixt.

Weiter geht’s zu Gossip an die Orange Stage, und da noch Plätze direkt vor Bühne frei sind, entschliessen wir uns für dieses Erlebnis. Und das ist es durchaus: ruckzuck finden wir uns in einem ausgelassen feiernden und tanzenden schwul-lesbischen Moshpit wieder und sehen einen Band, die ordentlich rockt und ganz zu meiner Freude auf einen Großteil der Elektronik- und Synthie-Spielereien der letzten Studioalben verzichtet. Frontwuchtbrumme Beth Ditto gibt die sympathische Rampensau und darf wohl, insofern man bei ihr noch Vergleiche benötigt, als eine barfuss tanzende und Drinks kippende „Adele in Rock“ gesehen werden. Auf ihren Alben mögen Gossip dem Punk abgeschworen haben, jedoch nicht auf der Bühne. Tolle Show, perfekte Festivalband. Und mindestens für „Standing In The Way Of Control“ sollte jeder Indie-DJ Dittos voluminösen Arsch küssen.

Nach einer Verschnaufpause und einem Rundgang entlang der vielen Festivalstände, ein welchem man Snacks, Fast Food, Drinks, Shirts und ähnliches erstehen kann, geht’s zur besten Spielzeit wieder zur Orange Stage, auf welcher der Ex-White Stripe sowie Teilzeit-Raconteur und -Dead Weather Jack White und seine aus sechs (!) bildhübschen (!!) und höchst talentierten (!!!) Damen bestehende Backing Band groß aufspielen. Natürlich, rein stimmlich ist es bei dem aus Detroit, Michigan stammenden Musikvirtuosen nicht weit her, doch hat man sich einmal an sein Organ gewöhnt, erschließt sich sein gleichzeitig vor- und rückwärts gewandter Klangkosmos auf wundersame Weise, an deren beiden Enden White scheinbar mit seiner Gitarre verwachsen scheint. Wie sonst könnte er ihr solch‘ große Klänge entlocken? Der Mann lebt den Blues nicht, nein, er ist Blues! Insgesamt bietet er einen gut zweistündigen Querschnitt durch sein nicht eben geringes Schaffen, sei es anhand von Songs der White Stripes, der Raconteurs oder aus seinem kürzlich veröffentlichten Solodebüt „Blunderbuss„, an dessen Ende das beinahe orgiastische gefeierte (und auch irgendwie unvermeidliche) „Seven Nation Army“ steht. Stadionatmosphäre beim Festival. 60.000 – und du mittendrin. Geil.

Mein Begleiter besteht nach diesem Höhepunkt noch auf einem kurzen Abstecher zu Gentleman & The Evolution. Ich kann Gentleman nicht ausstehen. Dieser Auftritt ändert daran nichts: ein Pothead, der in gefaktem Englisch mit jamaikanischem Einschlag plakativ über das „ach so arme“ Afrika schwadroniert, zur „Love“ aufruft und im hip-rheinischen Köln residiert. In welcher Welt passt das zusammen? Zumindest nicht in meiner. Manche mögen’s. Ich definitiv nicht.

 

Tag 5 (Samstag, 7. Juli 2012):

Tag fünf ohne Dusche stellt mit seinen vielen sehenswerten Konzerten und dementsprechend vielen Überschneidungen den Haupttag des Festivals dar. Die von mir fest eingeplanten Dry The River müssen, der Bündelung von Kräften und mittäglichen Stärkung wegen, flachfallen.

Zuerst werden kurz First Aid Kit bestaunt: schöne, weise Stimmchen haben sie, diese beiden schwedischen Schwestern. Gefällt, ist mir aber zu festivaluntauglich. Weiter also zu Alison Krauss & Union Station (die Stimme der Dame mag dem Einen oder der Anderen eventuell aus dem Film „O Brother Where Art Thou?“ bekannt sein), welche wohlmöglich einen gelungenen Auftritt hinlegen, jedoch auch die erste Gähnphase einläuten. Doch das soll sich mit der nächsten Band schleunigst ändern: die für diesen Festivalsommer wiedervereinigten Refused haben ihr Kommen angekündigt! Und Dennis Lyxzen & Co. bieten eine lautstarke, energetische Show, die sich gewaschen hat, so einige Trommelfelle zum Summen und den Circle Pit vor der Bühne zum Ausrasten bringen! Ich bin wieder gefühlte zehn Jahre jünger und nach „New Noise“ und am Ende des Auftritts glücklich, die Jungs einmal gemeinsam gesehen zu haben. Tolle Frontsau, der Lyxzen, immer wieder.

Zurück an der Orange Stage und zur besten Zeit betritt dann der Highlight-Act der diesjährigen Roskilde-Ausgabe die Bühne: Bruce Springsteen & The E Street Band. Und er bringt ähnlich viele E Street Band-Musiker mit ins orangene Halbrund, wie noch wenige Wochen zuvor im Berliner Olympia-Stadion (ANEWFRIEND berichtete). Unnötig zu erwähnen, dass der Boss auch diesmal eine perfekte Show liefert (die Tracklist könnt ihr hier bestaunen) und für die wohl ausgelassenste große Meute des ganzen Festival sorgt. Als er bei einem Song einen Teil der wenige Stunden zuvor an selber Stelle aufgetretenen The Roots zu sich auf die Bühne holt, teilen sich zeitweise über zwanzig (!) Musiker die wohl musikalischsten Bretter Dänemarks. Nach gut drei (!) Stunden und dem Isley Brothers-Cover „Twist and Shout“ ist Schluss. Drei Stunden! Bei einem Festival! Grandios. Und ich bin völlig fertig. Das zweite Boss-Konzert in meinem Leben, beide innerhalb weniger Woche, beide ähnlich perfekt.

Nach einer Portion Köttbullar als Stärkung nach einem langen Festivaltag und dem lärmig-launigen Aufritt von Sivert Höyem geht’s zurück zum Zeltplatz. Paul Kalkbrenner kann man auch noch in mehreren Kilometern Entfernung an seinen Tellern schrauben hören…

Hier noch ein Mitschnitt vom Auftritt mit The Roots:

 

Tag 6 (Sonntag, 8. Juli 2012):

Unser letzter Festival-Tag steht ganz im Zeichen der nahenden Abreise (die Fähre zurück nach Rostock geht um 2 Uhr nachts), dem Packen, dem Lecken des doppelten Sonnenbrands sowie der durch das tagelange Tragen von Gummistiefeln verursachten Schürfwunden.

Noch einmal werden die müden, matten Festivalbesucherhäupter von einer ordentlichen Sonnenbrise verwöhnt.

Auf dem Plan stehen nur noch die gegen Abend spielenden Alabama Shakes, zu denen wieder leichter Nieselregen einsetzt, sowie Björk (bei der jedoch keiner von uns erwartet, das Ende des Auftritts zu erleben). Und die Erwartungen erfüllt sie denn auch. Die… nun ja… überaus extrovertierte Isländerin betritt mit einem Damenchor und einem DJ, der gut und gern ihr Sohn sein könnte, und gekleidet in ein Kostüm, welches eine Mischung aus Ölpest, Band- und Wattwurm darstellt, die Bühne und erhebt zu eigenartigsten Bewegungen sogleich ihr gewöhnungsbedürftiges Organ. Nein danke. Nicht meins. Unser Gepäck befindet sich eh bereits verstaut im Auto. Wir machen uns auf die Rückreise.

 

Tag 7 (Montag, 9. Juli 2012):

Glücklich, gerockt, erledigt, sonnengebräunt und durch kommen wir gegen Mittag wieder im heimatlichen Sachsen an. Sonne? Scheint.

 

Fazit:

Positiv fällt bei aller Größe (rein gebiets- sowie besuchermäßig) sofort die vergleichsweise gute Organisation ins Auge. Ausreichend Waschplatze, stets bestmöglich entleerte und saubere Dixie-Klos, Personal, welches ein Gros des Mülls bereits während des Festivals versucht aufzusammeln (ein Kampf gegen Windmühlen, der dennoch in Ansätzen unternommen wird), im Ernstfall immer jemand mit orangener Weste in der Nähe. 30.000 freiwillige Helfer sollen sich laut Aussagen gemeldet haben. Spitze! Super außerdem die meist überaus entspannten Ordner vor und um die Bühnen herum, die die Festivalbesucher im Bedarfsfall – und der trat logischerweise sehr oft ein – immer mit einem Becher voll Wasser versorgten und mit ihren freundlichen Mienen sehr zur guten Laune (zumindest war’s bei mir so) beitrugen. Kompliment! Wäre bei deutschen Festivals wohl undenkbar, wo sich teutonisch-strenge Atzen wie die heimlichen Herrscher des Geländes aufspielen.

Auch toll war die – bei aller Feuchtfröhlichkeit – durchweg entspannte Atmosphäre unter den Festivalbesuchern. Kein Stress, nur Chillen und Musik.

Negativ waren definitiv die vielen kleinen, meist asiatischen Pfandbechersammler, die während der Konzerte in einer Tour um die Beine der Festivalbesucher herumschlichen (und das selbst im größten Gedränge!), und bei denen man fürchten müsste, dass sie einem die eigenen Testikel aus der Unterhose klauen, sollten sie eine Pfandmarke darauf entdecken…

Negativ war manchmal auch die (zu?) große Besucherzahl, welche das eine oder andere Konzert aufgrund des großen Andrangs zu einer weniger entspannten Angelegenheit machte, sowie die langen Laufwege. Da beides jedoch wohl von vornherein klar und doch sehr subjektiv empfundene Dinge sind, bleiben diese Sachen außen vor.

Erschreckend waren – vor allem gegen Ende des Festivals – die riesigen Müllberge sowie der elendige Anblick des Hauptteils der Zeltstadt. Da bezahlen doch tatsächlich einige Menschen gut 250 Euro Eintritt, um sich inmitten von Müll, Schlamm, Urin- und Kotgestank eine Woche lang komplett abzuschießen? Industrienationen und ihre Luxusprobleme…

Nichtsdestotrotz war’s toll. Vielen Dank noch einemmal an meine vier Begleiter, ohne euch hätt’s nicht einmal halb so viel Spaß gemacht!

Eine feine Woche, auch wenn ich im nächsten Jahr definitiv ein klein(er)es Festival bevorzugen werden. Tusind tak, Denmark! Tusind tak, Roskilde!

Und da bei aller Mühe, die ich mir bei den Beschreibungen gegeben habe, alle Worte ohne Bilder wenig wert sind, hier noch einige Eindrücke vom diesjährigen Roskilde:

(alle Fotos: ANEWFRIEND + R. Mehnert) 

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Rock and Roll.
Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Rocks and Rolls and Danish Dynamite…


Die Fussball-EM mag vorbei sein, Ruhe bekomme ich wohl – selbstgewählt –  trotzdem keine. Die Festivalsaison ruft, allem Regen und sonstigem Unwetter zum Trotz, endlich wieder…

In diesem Jahr werden die dänischen Nachbarn beim Roskilde und eins der größten Festivals in Europa unsicher gemacht! Wird gut? Wird gut! Wer spielt? Die spielen:

Bis dahin, Berichte demnächst an dieser Stelle. Haltet Augen und Ohren offen, bleibt ANEWFRIEND treu!

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , ,
%d Bloggern gefällt das: