Song des Tages: Muff Potter – „Ich will nicht mehr mein Sklave sein“


Foto: Promo/Bastian Bochinski

Im Jahre 2009 – nach immerhin 16 gemeinsamen Jahren – offiziell aufgelöst, spielten Muff Potter im August 2018 überraschend beim antifaschistischen Festival Jamel rockt den Förster, im Anschluss gab die 1993 in Rheine und Münster gegründete Deutschpunk-Band ein paar Tourdaten bekannt. Sieben Shows im Januar 2019, kaum Werbung, keine weitere Verpflichtungen, eigentlich keine große Sache.

Dachten sie zumindest, denn nun brach beinahe die Hölle los: Sämtliche Shows waren binnen Minuten ausverkauft und mussten in größere Hallen verlegt werden. Es gab zwar keine Interviews, keine aktiven Social-Media-Kanäle, keine neue Musik, aber offenbar – nach all der langen Zeit – eine große Muff-Potter-Sehnsucht da draußen. Auch bei den Musikern selbst, das wurde schnell immer klarer. Ebenso klar war dem Quartett allerdings, dass ihnen Muff Potter zu wichtig ist, um „ewig die Nostalgiekuh zu melken“. Wohl auch deshalb wird es in Kürze zum ersten Mal seit 2009 wieder ein neues Album von Muff Potter geben, die nach dem Ausstieg von Gitarrist Dennis Scheider im Juli 2021 auch ein neues Bandmitglied in ihren Reihen begrüßen durften und unmittelbar danach Felix Gebhardt (Home Of The Lame, Hansen Band, auch schon Potter-Tourgitarrist) als dessen Nachfolger vorstellten. Mit dem im August 2022 erscheinenden „Bei aller Liebe“ hat die legendäre Indie-Rock-band nicht nur sich selbst, sondern ebenso ihre Liebe zur Musik wiederentdeckt. Mit Emphase, Dringlichkeit und bissiger Zeitgeist-Diagnostik gelingt Muff Potter, wie man bereits liest, eine überwältigende Neupositionierung. Und aus selbiger lassen Nagel und Co. nun den ersten Song hören.

Warm und voll, lediglich mit leichter Melancholie positioniert sich „Ich will nicht mehr mein Sklave sein“ dabei irgendwo zwischen Power Pop, Indie und Punk Rock – so ungefähr haben Muff Potter, die ihren Sound selbst stets als „Angry Pop Music“ beschrieben, auch zu Zeiten von „Von Wegen“ (2005) und „Steady Fremdkörper“ (2007) öfter geklungen, ihren Alben mit Rückendeckung des Majorlabels Universal. Doch nicht nur im Text klingt etwas Befreites, Ungezwungenes mit – spätestens mit dem rock’n’rolligen Gitarrensolo macht der Song klar, dass er sich nicht in Vorlagen pressen lassen will. Inhaltlich geht es gegen Selbstoptimierung und Selbstausbeutung – ein Themenkosmos, den Sänger Thorsten „Nagel“ Nagelschmidt zuletzt auch schon mit seinem jüngsten, 2020 erschienenen Roman „Arbeit“ bearbeitet hatte. Treffend analysiert Nagelschmidt im neuen Song, wie der Kapitalismus auch hinter der Illusion von Selbstbestimmtheit noch die Fäden zieht und Verzweiflung sät: „Auch die lange Leine ist noch eine / Schlag hier alles kurz und klein / Ich will nicht mehr mein Sklave sein.“

Im dazugehörigen Musikvideo von Regisseur Steph von Beauvais mühen sich die vier in einfarbige Overall gekleideten Potters in einer alten Turnhalle mit Retro-Flair an geradezu preußischen Leibesübungen ab. Erst mit Hilfe eines Zaubertranks und ihrer hervorbrechenden musikalischen Leidenschaft brechen sie aus dem Hamster- beziehungsweise Rhönrad aus.

„Ich will nicht mehr mein Sklave sein“ ist damit nach längerer Zeit der erste neue Song der Band und gleichzeitig ein Vorgeschmack auf das bereits angekündigte neue, größtenteils live eingespielte Album „Bei aller Liebe“, welches am 26. August beim bandeigenen Label Huck’s Plattenkiste erscheint und schon vorbestellt werden kann. Die Platte war seit Dezember 2019 in mehreren Sessions auf dem Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde entstanden, im April 2020 hatte eine erste Session bereits den Song „Was willst du“ hervorgebracht, der mit seinem zweifelnden Ton und Text eine Band auf dem Weg zurück zu sich selbst zeigte. Zudem werden Muff Potter im Herbst auch auf Tour gehen, die Termine findet ihr weiter unten. Damit wären sie denn mal so richtig wieder da – Willkommen zurück, ihr Potters!

Rock and Roll.

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