
Der Dezember ist die Zeit des Jahres, in der wir – zumindest in „normalen“ Jahren, in denen unsere Leben und die Nachrichten nicht von Pandemie, Kontaktbeschränkungen und Schutzimpfungen bestimmt werden – von Festlichkeit und Weihnachtsstimmung geradezu überflutet werden, sodass es bei dem einen oder der anderen schonmal zu fast schon übertriebenem Frohsinn kommen kann. Diese unerbittliche Friede-Freude-Fröhlichkeit steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass vor allem der letzte Jahresmonat vielen von uns wenig Zeit lässt, in Ruhe Resümee zu ziehen, ein wenig mehr Besinnung Einzug halten zu lassen und so das alte Jahr ins neue zu begleiten…
Da ist es gut, dass es Songwriter wie Adam Duritz von den Counting Crows gibt, die uns mit fragilen, Song gewordenen Schönheiten wie „A Long December“ zurück ins eigene Gleichgewicht bringen. Die durch und durch nachdenkliche Ballade vom zweiten, 1996 erschienen Counting Crows-Album „Recovering The Satellites“ ist zudem ein hervorragender Beweis dafür, dass nur wenige Songwriter ebensolche bittersüß-melancholischen Themen mit so viel seelischer Aufrichtigkeit behandeln können wie Duritz.
In einem Interview erzählte der mittlerweile 57-jährige Frontmann dem „Rolling Stone“, dass der Song durch Besuche bei einem Freund inspiriert wurde, der sich von einem Autounfall erholte (daher etwa die Zeile „The smell of hospitals in winter“). Aber Duritz gab auch zu, dass „A Long December“ trotz des zuweilen düsteren, von Klavier und Akkordeon untermalten Grundtons seine Art war, das eigene weihnachtliche Glas Eierpunsch zur Abwechslung als halb voll zu sehen. „Es ist ein Song darüber, dass man auf sein Leben zurückblickt und Veränderungen sieht“, so der Musiker, „und ausnahmsweise schaue ich nach vorne und denke: ‚Weißt du, die Dinge werden sich zum Besseren wenden – ‚vielleicht wird dieses Jahr besser als das letzte.'“
Wie nicht wenige Stücke in der Frühphase der Counting Crows schwankt auch „A Long December“ zwischen Liebeskummer und Hoffnung, ohne dabei allzu angestrengt oder Ober die Maßen deprimiert zu wirken. Das Bedauern über verpasste Gelegenheiten mag, wie am Ende des Jahres nicht eben unüblich, recht groß sein, aber es wird durch eine Ahnung von Optimismus ausgeglichen, welche ein neuer Jahreskalender unweigerlich mit sich bringt. So wird „das Gefühl, dass es viele Austern, aber keine Perlen gibt“, schnell durch einen Blick auf „die Art und Weise, wie das Licht ein Mädchen umspielt“, ersetzt.
Selbst wenn der Lauf der Zeit – prosaisch betrachtet – Weisheit bringen mag, bedeutet das manchmal im Grunde nur, dass man all die Dinge versteht, die man rückblickend falsch gemacht hat. Wie Duritz singt: “I can’t remember all the times I tried to tell myself / To hold on to these moments as they pass”. Doch Duritz‘ Geschichte endet mit einem zaghaften Anflug von Positivität, wenn der Erzähler beginnt, seine Umgebung an der Westküste der US of A nicht nur als Schauplatz seiner tagtäglichen Alltagsplackerei zu sehen, sondern als einen Ort der Schönheit und der Wunder: “It’s been so long since I’ve seen the ocean … I guess I should.”
Der Song endet damit, dass Duritz einige beschwingte „Na-na-na“-Silben singt, die aus der geradezu weihevollen Hauptmelodie ausbrechen und ihn so klingen lassen, als könnte der Erzähler diesen kalt-grauen, für manch eine(n) unerbittlichen Monat gut überstehen. Ja, vielleicht mag auch „A Long December“ keine allzu frohen Botschaft bringen (und erst recht keine Friede-Freude-Weihnachtsstimmung vermitteln), aber es ist seit 1996 ein vor allem im letzten Jahresmonat gern genommener Hoffnungsschimmer für das neue Jahr. Manchmal ist das das Beste, was wir uns erhoffen können, und manchmal, ja machmal ist es für den Moment bereits genug. We call it a ‚Klassiker‘.
„A long December and there’s reason to believe
Maybe this year will be better than the last
I can’t remember the last thing that you said as you were leaving
Now the days go by so fast
And it’s one more day up in the canyons
And it’s one more night in Hollywood
If you think that I could be forgiven
I wish you would
The smell of hospitals in winter
And the feeling that it’s all a lot of oysters, but no pearls
All at once, you look across a crowded room
To see the way that light attaches to a girl
And it’s one more day up in the canyons
And it’s one more night in Hollywood
If you think you might come to California
I think you should
Drove up to Hillside Manor sometime after 2 AM
And talked a little while about the year
I guess the winter makes you laugh a little slower
Makes you talk a little lower
About the things you could not show her
And it’s been a long December and there’s reason to believe
Maybe this year will be better than the last
I can’t remember all the times I tried to tell my myself
To hold on to these moments as they pass
And it’s one more day up in the canyon
And it’s one more night in Hollywood
It’s been so long since I’ve seen the ocean
I guess I should“
Rock and Roll.