
Musik bewegt sich, wie alles andere auch, ziemlich regelmäßig in sich wiederholenden Zyklen. Was als das „nächste große Ding“, als der „neuste heiße Scheiß“ angepriesen wird, ist am Ende lediglich ein mehr oder minder interessanter Hype-Aufguss von etwas aus den vergangenen Jahren. So könnte man – liebe Freunde der härteren Gefilde – Doom Metal einfach als Black Sabbath-Riffs mit harschem Gesang abhaken. Oder Metalcore als Wiedergänger schwedischen Melodeaths mit Breakdowns und dezentem Blinzeln aufs Poppige. Ja, selbst der auf charmante Art und Weise lo-fi’ige Garage Rock à la The Strokes durfte längst sein Revival feiern. Glam Rock? The Darkness? Ach, reden wir nicht drüber… Und Emo? Auch längst „back in fashion“ gewesen. Jeder namhafte Blog, jede Musikwebsite, jeder fashionable selbstberufene Musikjournalist wurde ganz verrückt wegen jeder neuesten Welle von Bands, die vermeintlich Sunny Day Real Estate oder American Football gehört haben dürften. Der einzige Unterschied zwischen den Neunzigern und heute mag sein, dass sich die meisten dieser „modernen Emo-Bands“ nun auf andere Kapellen berufen. Jimmy Eat World? Nope, im Fall von Dikembe sind es viel eher Brand New.
Natürlich ist man da (vor)schnell geneigt, der vierköpfigen, 2010 gegründeten Band aus Gainesville, Florida (traditionell ja ein recht gutes Punkrock-Pflaster) simples Fanboy-Kopistentum zu unterstellen. Easy job, fair enough. Ganz gerecht wäre das jedoch nicht. So ganz einfach machen’s einem Dikembe aber andererseits auch nicht. Waren bei den zurückliegenden Alben, etwa „Mediumship“ (2014) oder „Hail Something“ (2016), an mancher Stelle auch indierockige Referenzen à la Manchester Orchestra (oder eben den Spurrillen anderer Emo-Revivalisten wie You Blew It!) zu vernehmen, wird der tief knicksende Fingerzeig auf Brand New und deren Spätwerk (man denke an „Daisy“ und Co.) mit dem neusten Album „Muck“ sogar noch offensichtlicher.
Dabei versprechen schon die ersten Töne des Intros “Sink” mit dem anschließend melancholisch rockigen “Wake” – verglichen mit dem vier Jahre zurückliegenden Vorgänger – einen qualitativ enormen Sprung nach vorn. Die Produktion der elf Stücke wirkt sehr druckvoll und ausgefüllt. Dadurch geht natürlich zum gewissen Teil der Lo-Fi-Charme früherer Releases verloren – auf der anderen Seite aber steigert das den Hörgenuss von schlichtweg guten Indierock-Songs, die sich allesamt, nebst eben Brand New, mit Einflüssen aus dem Post-, Emo- und Punkrock rumschlagen. Die erste Single “All Got Sick” dürfte dabei nicht nur aufgrund der ebenso befremdlichen wie aberwitzigen Musikvideo-Visualisierung als Mini-Hit gelten (nun, zumindest in einer besseren Welt) – über 50 bekannte Musikvideos und -filme wurden hier mit einer Refacing-App gehackt. Knackige drei Minuten, die wirklich kaum besser zu füllen sind. Eine mehr als runde Sache, welche sich auch auf die gesamte Spielzeit ausweiten lässt. Dikembe, benannt nach dem ehemaligen kongolesisch-US-amerikanischen Basketballspieler Dikembe Mutombo, legen auf “Muck” in Punkto intensive Grunddynamik ordentlich zu und füllen ihre im Gros gerade einmal drei Minuten kurzen Songs mit allerhand Gewicht und Inhalt. Die Band um Frontmann Steven Grey, der mit Stimme und Intonation Brand New-Sänger Jesse Lacey kaum näher stehen könnte, wirkt deutlich ernster und gewissenhafter – ganz anders als bei früheren Werken, bei denen Spielwitz und -freude oft auch schnell zu sehr übertrieben wurde. “Muck” schafft oft genug den Spagat zwischen Demut und Tiefe, ohne dabei Durchschlagskraft und Lockerheit zu verlieren. Besser sogar: Dikembe machen so nicht nur Spaß, sondern berühren auch. Songs wie “Throat”, “Barely A Sea”, “Living In The Walls” oder “Shame” können da einerseits ganz schön nach vorn rumpeln, besitzen andererseits trotzdem ordentlich emotionalen Tiefgang.
Und obwohl’s wie eine Phrase wirkt, trifft genau das eben auf „Muck“ zu: Musik wirkt immer dann besonders stark, wenn du die Gefühle dahinter einfach packen und für dich authentisch greifen kannst. In Dikembes Fall hat Frontmann Steven Grey all seine Trauer über den Verlust seiner Mutter, all seine Depressionen und sonstigen Dämonen in den Texten und Tönen von “Muck” verpackt und verarbeitet (Touché Amoré – ick hör‘ dir trapsen!). Das 35-minütige Ergebnis kann sich – Parallelen zu Brand New und Co. hin oder her – mehr als hören lassen – und hilft hoffentlich Grey dabei, schnell wieder Sonnenstrahlen zu sehen…
Rock and Roll.