Wenn er in einer Rolle besetzt wurde, war er fast immer „der Andere“. Der Flüchtling, der Amerikaner, der Engländer. So gut wie nie tauchte er bislang hingegen in einer Rolle als klassisches „Mitglied der Gesellschaft“ auf – was er aber ja ist, erzählt Schauspieler und Produzent Tyron Ricketts.
Er ist bei weitem nicht der Einzige, der in einem dringend sehenswerten knapp viertelstündigen Beitrag über seine Erfahrungen mit Rassismus im bundesdeutschen Alltag berichtet. Denn Comedienne Carolin Kebekus hat einen Teil ihrer WDR-Show nach den jüngsten Ereignissen und Protesten rund um den gewaltsamen Tod von George Floyd in Minnesota einfach zum zur Abwechslung gar nicht mal so lustigen „Brennpunkt“ erklärt, nachdem die ARD selbst bislang keinen zu diesem Thema im Programm hatte.
Ein „Brennpunkt“, in dem in Deutschland lebende Menschen mit dunkler Haut 8:46 Minuten lang über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen – so lange, wie der Todeskampf von George Floyd dauerte, der in den USA am 25. Mai durch Polizeigewalt ums Leben kam. Die Hauptmoderation liegt dabei nicht bei Kebekus, sondern bei Shary Reeves, die nicht nur WDR-Moderatorin („Wissen macht Ah!“) ist, sondern auch noch Schauspielerin, Autorin, Produzentin – und ehemalige Fußballspielerin.
Im Filmbeitrag erzählen neben Ricketts weitere Frauen und Männer von ihrem Alltag mit Beleidigungen, Beschimpfungen und sogar Tätlichkeiten. Etwa Grünen-Politikerin Aminata Touré, Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Journalistin Alice Hasters, SPD-Politker und Chemiker Karamba Diaby, Musiker Dennis „Denyo“ Lisk oder Kabarettist und Schauspieler Marius Jung. Starker Tobak – so wichtig, so schaurig *hust* „gut“, so derb on point. Starker Tobak, gepaart mit der – leider nicht eben neuen – Erkenntnis: Wenn es um Rassismus geht, sind die USA doch gar nicht so weit von Deutschland (oder jedem anderen Land dieser Welt) entfernt (was auch dieser wichtige Facebook-Post von Enno Bunger, welchen ihr der Einfachheit halber auch noch mal weiter unten findet, eindrücklich belegt). Nicht erst seit all dem, was da gerade auf der anderen Seite des Atlantiks so viele Menschen zu berechtigten Protesten auf die Straße treibt, sollte jede(r) von uns dringend sich selbst hinterfragen, zunächst vor der eigenen Haustür kehren. Laut werden, Alltagsrassismus im eigenen Umfeld im Keim ersticken, selbstverliebten Hass-Predigern (das geht an euch, ihr blauen Anti-Alternativen!) oder Höcke-Faschisten keine Stimme, keine Beachtung, keinen Millimeter Meinungsraum geben.
Selbst wenn’s sich pathetisch lesen mag, so ist’s doch am Ende ganz einfach: Ein Freund ist ein Freund, gleich welcher Hautfarbe. Auf der anderen Seite ist eben – pardon my French! – ein Arschloch ein Arschloch – auch hier spielen Pigmente keine verdammte Rolle. Klar gibt es für das, was vor allem schwarze US-Amerikaner seit Tagen verstärkt auf die Straßen von Minneapolis, von New York, von Los Angeles und Co. treibt, noch andere, weitaus tiefer gehende und nicht eben in ein, zwei Zeilen er- und begründbare Ursachen geben. Klar habe auch ich weder den Löffel der Weisheit in der Schublade noch das eine Patentrezept parat. Dennoch: Würden wir jeden Menschen als Individuum nur nach dem, was er tut und von sich gibt, beurteilen anstatt nach seinem Äußeren (was ihm – was ein Clou! – zu großen Teilen eben von Geburt an gegeben ist), so wäre die Welt eine bessere, gerechtere, ohne dass sich irgendjemand von uns für ein nettes, ehrlich empfundenes Wort oder Lächeln eine Zacken aus dem Krönchen brechen muss. (Im Zweifel ist sogar kostenlos, ihr griesgrämigen Hobby-Schwaben!) Eine Freundin schrieb heute, dass ihr sechsjähriger Sohn unlängst zu ihr meinte: „Mama, ich verstehe die ganze Welt nicht.“ – Man kann’s ihm von Tag zu Tag immer weniger verdenken. Trotzdem darf jede(r) gern sein (oder eben ihr) kleines Stück dazu beitragen, dass das Morgen ein kitzekleines bisschen besser zu verstehen ist. Wie der große Scott Hutchison einst sang: Make tiny changes. Denn: All is not lost. Probiert’s aus, bitte. Danke. ❤️
Rock and Roll.