Das aus Irland stammende Brüderpaar Richie und Jamie Martin hat sich wohl schon immer für Musik interessiert – so weit, so schon x Male in unzähligen Promotexten zu lesen gewesen. Auch, dass die beiden ihr eigenes Faszinosum auf die frühe Auseinandersetzung mit Plattensammlung und dem durchaus erlesenen Musikgeschmack ihrer Eltern zurückführen, dient in der Tat kaum als Alleinstellungsmerkmal. Und alle, denen der Gedanke an Kassettenbandsalate sowie an bunt und doch mit herzblutener Bedacht durch den Gemüsegarten der Töne zusammengestellte Mixtapes selbst heute noch wohlig-nostalgische Gänsehautschauer über die Epidermis jagt, können wohl nachvollziehen, dass die Martins ebenfalls gern an jene Tage zurückdenken, als Sommerferien und lange Autofahrten durch die irische Landschaft zum Haus ihrer Mutter in Donegal immer von den eigenen Mixtapes begleitet wurden…
Diese nostalgischen Jugendjahre sind in ihrer retrospektiven Erinnerung eingehüllt in die Klänge von Bob Dylan, den Everly Brothers, Van Morrison, Ray Charles oder Simon & Garfunkel. Es dauerte nicht lange, bis die Brüder lernten, selbst Instrumente zu spielen. Richie begann mit der Geige, bevor er als Teenager zur Gitarre wechselte. Sein Interesse führte ihn zum Musikstudium am College, wo er mit verschiedenen Klängen experimentierte. Jamie begann auf den weißen und schwarzen Tasten des Klaviers, bevor er von fast jedem Instrument besessen wurde, das er in die Finger bekam. Seine Liebe zum geschriebenen Wort brachte ihn dazu, Englisch am College zu studieren. Die oberste Prämisse der beiden blieb jedoch stets, gemeinsam Musik zu machen. Man erhebe den Vorhang für Cry Monster Cry!
Zusätzlich sind die Martin-Brüder auch tief in ihrer Heimat verhaftet. So ist es kaum verwunderlich, dass in ihren Songs ein tiefes Interesse an den Traditionen des Geschichtenerzählens in Irland deutlich spürbar scheint. Texte, Melodien und Rhythmen steten dabei gleichberechtigt in einer Reihe. Oft verschmelzen sie in Harmonie miteinander, um gen Firmament jubilierende Klanglandschaften zu erschaffen, während sie andererlieds gegensätzlich und kontrastierend scheinen, um darunter liegende, sanft reibende Spannungen zu erzeugen.
Ihr 2015 erschienenes Debütalbum „Rhythm Of Dawn“ ist dabei – sowohl in künstlerischer als auch in thematischer Hinsicht – ein Werk des Übergangs. Das zyklische Sujet der Platte markiert die Reise von der Nacht in den Tag. Vögel ziehen sich wie ein federner roter Faden durch das ganze Werk und scheinen wie eine Naht in den Stoff der zehn Stücke vernäht. Bei aller Ruhe und Schönklang gelingt es den Brüdern, die sich Zeit nahmen, um mit verschiedenen Sounds zu experimentieren, und neben traditionellen Folk-Instrumenten wie Banjos, Mandolinen und Akustikgitarren auch subtil flirrende Synthesizer, druckvolle E-Gitarren, hypnotische afrikanische Perkussion und Kammerorchester in ihren Sound einbunden, eine offensichtliche Spannung zwischen den melodischen Harmonien und den schwereren, dunkleren Untertönen in den Texten und Klängen, aus denen das Werk besteht, zu erzeugen.
Und diesen Weg geht auch das im vergangenen Jahr veröffentlichte Album „Tides
“ recht konsequent weiter – nur dass das zweite Werk von Richie und Jamie Martin diesmal einen noch dunkleren, noch einnehmenderen Sog erzeugt. Den beiden Dublinern ist dabei eine – im besten Sinne – wunderbar trügerische Alt.Folk-Platte gelungen – und das trotz ihrer kaum als „happy-go-lucky“ zu umschreibenden Grundthematiken (die auch die Pressemitteilung umreißt): „Der vernichtende Schmerz des Verlusts… Selbstzweifel. Probleme mit Depressionen. Siege. Niederlagen. Neue Lieben…“ – All das könnte natürlich der Grundstoff für harten Songtobak sein, glücklicherweise nimmt die Wärme der ohne viel Tamtam geschrieben Stücke den Zuhörer oft genug kumpelhaft in den Arm. Alles in allem ist „Tides“ gleichsam tröstlich wie widersprüchlich, Ebbe ebenso wie die nahende Flut. Hier lässt es sich von ganzem Herzen ebenso gut träumen wie heulen, lächeln wie grübeln.
Zu den Highlights von „Tides“ zählen ohne Zweifel die Songs „Citadel“…
…und „High“…
…oder das Titelstück, welches Richie und Jamie Martin bei dieser Live Session inmitten der fast schon kitschig malerischen Kulisse des Brienzersee, welcher eingebettet zwischen den Emmentaler und Berner Alpen im Schweizer Kanton Bern liegt, zum Besten geben (das Ganze ist wiederum Teil des knapp halbstündigen Kurzfilms „When The Snow Falls I’ll Be Gone„, welcher Cry Monster Cry bei ihrer Reise in die Schweizer Alpen begleitet):
Rock and Roll.