Draußen nähert sich der Winter mit Nebel, Sturm und Frost Tag um Tag ein Stückchen mehr, drinnen wärmt – jedenfalls steht’s zu hoffen – die Behaglichkeit einer dampfenden Tasse Tee oder eines flackernden Kaminfeuers. So in etwa funktioniert „In All Weather“, das neue Album von Josienne Clarke.
Wie der Albumtitel und Zeilen wie „I’ve given him my best years and he’ll never give them back“ schon vermuten lassen, geht es auf dem ersten Soloalbum der Singer/Songwriterin aus dem englischen West Sussex vor allem um eines: Stürmische Zeiten. Umso schöner ist es da, dass Clarke auf ihrem Break-Up-Werk der etwas anderen Art nicht nur deren Last besingt, sondern vielmehr davon, wie man durch schwierige Zeiten steuert, ohne sich dabei selbst zu verlieren.
So beginnt ihr jüngst nicht eben zufällig bei Rough Trade Records (dessen Vordenker Geoff Travis als Fan gilt) erschienenes Album mit „(Learning To Sail) In All Weather“, einer schwermütigen Ode an die eigene Stärke. Wer Clarke nicht schon vorher kannte, etwa von ihrem Projekt mit dem Gitarristen Ben Walker, wird im Instant-Verfahren von ihrer einnehmenden Stimme und deren charismatisch-dunklem Timbre in den Bann gezogen, die an eine Reihe ganz großer Folk-Damen von Sandy Denny über Joan Baez, Joni Mitchell, Gillian Welch oder Beth Gibbons bis hin zu Laura Marling oder Aldous Harding erinnert. Manchmal scheint es deshalb fast so, als würden die sehr filigranen Folk-Arrangements, welche die Worte wie ein harmonisches Meeresrauschen tragen, hinter Clarkes lyrischer und stimmlicher Kraft verschwinden. Gezupfte akustische und sanfte elektronische Gitarren, ein oft genug zurückhaltendes Schlagzeug, Harfen, Blockflöten, ein Rhodes Piano und nur selten elektronische Unterstützung wirken hier wie etwas Besonderes, aus den good ol‘ times. In Zeiten, in denen klassischer Folk oft trendbewussten Ausflügen ins Hipsteresk-elektronische unterliegt, setzt „In All Weather“ so einen Kontrapunkt und klingt in sich angenehm old fashioned.
Einzig in Stücken wie „If I Didn’t Mind“ oder „Slender, Sad & Sentimental“ weichen die vorsichtigen Klänge einem beinahe schon poppigen Folk-Rock-Sound. Der steht Clarkes eingängigem Songwriting, welches ihr wohl nicht grundlos 2015 den „BBC Folk Award“ einbrachte, jedoch ebenso wie der überwiegend ruhige Charakter der Platte. „In All Weather“ wurde auf der Isle of Bute, einer recht einsamen schottischen Insel produziert, auf die Clarke sich zurückzog, um nach ihrem Beziehungsaus ein neues Kapitel zu beginnen und Vergangenes hinter sich zu lassen. Und siehe da: In Songs wie „Host“, das sich nur anfangs besinnlich gibt, bevor die E-Gitarre geräuschvoll im Hintergrund anschlägt und sich Clarkes Sound von Joanna Newsom mehr in Richtung von Belle & Sebastian verschiebt, oder „Dark Cloud“ scheinen die Stürme und brandenden Wellen eines ebensolchen Eilands mitzuklingen. All das macht die Songs so authentisch, wie Folk nur sein kann. Sehr markant ist ihre spielerische Stimmführung, die trotz der großteils melancholischen Machart den Stücken – exemplarisch etwa „Slender, Sad & Sentimental“ – immer wieder ein fröhliches und positives Gewand verleihen und Clarkes gesangliche Größe nochmals in den Vordergrund rücken.
Obwohl die 13 präzise arrangierten, glasklar intonierten Stücke im Durchschnitt zwar nur knapp zweieinhalb Minuten kurz sein mögen (und damit im Grunde die „Radio-DIN“ bravourös erfüllen), scheint in den besten Momenten nichts zu fehlen. Der überschaubaren Spielzeit von 32 Minuten zum Trotz ist es – der Intensität jedes einzelnen Stücks sei Dank – fast eher erschöpfend, dieses vielversprechende erste Solo-Werk am Stück durchzuhören, gleichzeitig jedoch auch schön und bestärkend – Lieder wie das Wetter, Töne wie die See. Wohltuend und bedrückend schafft es Josienne Clarke auf ihrem durchaus kurzweiligen Album, dem Ergebnis eines persönlichen Sturms, einer privaten wie beruflichen Trennung, das weder Tradition noch Moderne negieren möchte, den Hörer zu fesseln und wieder loszulassen, auf zu neuen Ufern…
Rock and Roll.