
Foto: Promo / George Blosser
Blitze leuchten weit oben in den Bergen auf. Sie hallen noch auf der Iris nach, als das ferne Grollen des Donners längst verklungen ist. Dunkle Wolken schieben sich über die Gipfel und Kämme. Sie tragen Regen in sich, den sie über den Hängen ausspucken als würden sie sich übergeben. Aber so ist die Natur in den Bergen. Roh, ungezähmt, gefährlich.
Natürlich ist man bei all dieser buchstabenen Bildmalerei nur ein, zwei Pinselstriche von Caspar David Friedrich entfernt. Und wäre obige Worte Musik, sie würde klingen wie die Songs aus dem Hause Luna Sol: Wuchtiger, dröhnender Rrrrrrock, geboren in der Einsamkeit der Rocky Mountains. Doch Luna Sol sind mehr. Ihr Signature Sound aus dem trockenen Groove des Desert Rock, der sumpfigen Gravitas des Blues und den naturmystischen Legenden verschrobener Bergbewohner trägt auf dem kürzlich erschienenen zweiten Album „Below The Deep“ das Gefühl von etwas Gewaltigem, Übermächtigen in sich, das stets außerhalb der Wahrnehmung lauert. Und wohlmöglich ziemlich verkatert ist…
Drei Jahre nach dem süffigen Luna Sol-Debüt „Blood Moon
“ legt Stoner-Rock-Veteran David Angstrom (Ex-Supafuzz, Hermano) ein Album vor, das so wohl nur in der felsigen Abgeschiedenheit Colorados entstehen konnte und dennoch den Southern Rock seiner ursprünglichen Heimat Kentucky in sich trägt wie Restalkohol im Blut. „Ich liebe Colorado und mein Leben hier, singe immer noch leidenschaftlich gern über die Legenden dieser kleinen Bergdörfer, die ich oft besuche. Diesmal wollte ich aber ein paar meiner Southern Roots und meine Südstaaten-Erziehung exhumieren“, sagt er. Das ist nicht alles, was sich auf „Below The Deep“ verändert hat. Für Shanda und Pat sind Justin Baier (Schlagzeug) und David Burke (Gitarre) in die Band gekommen, außerdem, so Angstrom, „klingen Luna Sol jetzt deutlich mehr, wie er sich das in seinem Kopf immer schon vorgestellt hat. Damit können wir gut leben.“
Angstrom ist einer dieser Künstler, die sehr von ihrer Umgebung geprägt werden. Morgens macht er Yoga in der Stille der freien Natur, trinkt Kaffee und hört Tom Waits, danach fährt er mit seinem alten Truck an der Seite seiner Frau durch die Gegend und sammelt Sagen und Mythen ein wie ein Schrotthändler verrostete Einzelteile. „Außerdem liebe ich Denver und seine Musikszene“, betont er. „Hier kann ich einfach ich sein. Als Künstler, Ehemann, Vater – und als Musik-Nerd!“
David Angstrom ruht in sich. Das merkt man ihm an, das merkt man auch seiner Musik an, bei deren Selbstbeschreibung „High Mountain Southern Kentucky Desert Blues Rock“ sich Luna Sol erst gar nicht großartig Mühe geben, irgendwelche spezifischen Grenzen abzustecken. Was für den einen nach allerlei Stoner-Rock-Klischees tönt, klingt für den anderen frisch wie der morgendliche Bergtau: bratende Rock-Riffs, dicke Grooves, John Garcia-/Mark Lanegan-ähnlicher Gesang, Southern Licks á la Corrosion Of Conformity. Und freilich lugen die üblich-verdächtigen Referenzen von Kyuss über die (frühen) Queens Of The Stone Age bis hin zu Baroness (zumindest deren wilde Lust auf Jam-Sessions) ums Eck. Gibt’s trotzdem die ein oder andere Überraschung auf „Below The Deep“? Klaro! „Along The Road“ beginnt mit einer rückwärtslaufenden Gesangsspur, holt sich eine Orgel und weibliche Gesangsunterstützung von Bassistin Shannon Fahnestock dazu und endet als A-cappella-Gospel. „Man Worth Killing“ ist ein ZZ Top-artiger Blues, extra herrlich crunchy. Mit „Sometimes We Get It Right“ gibt es eine Art Upbeat-Hit mit vielschichtigem Gesangsarrangement. Das fast siebenminütige „Garden Of The Gods“ nimmt sich zurück, wirkt wie eine der großen Grunge-Hymnen der Neunziger (Güteklasse: Alice In Chains). „Halleluja“ ist Southern Rock mit Gospel-Schmiss, „The Dying Conglomerate“ eine als Riff-Furor getarnte Abrechnung mit US-amerikanischen Politikern und bei „Mammoth Cave“ kommt neben der psychedelischen Orgel eine Akustikgitarre dazu. All das gelingt freilich nur, wenn man seine Persönlichkeit in die Musik legt. Oder gleich die der ganzen Sippe: Seine Frau ist am Piano zu hören, seine beiden Kinder singen in einem Song, die engen Freunde David W. Prasse und Jason Groves halfen bei der Produktion.
Zeitlos? Auf der Höhe des Zeitgeistes? Desert Rock aus den Rocky Mountains? David Angstrom wird’s herzlich egal sein. „Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses Leben führen darf. Luna Sol ist da das absolute Tüpfelchen auf dem ‚i‘. Und verhindert“, lacht er, „dass meine Finger einrosten.“. Mission übererfüllt.
(Weitere Infos gefällig? Bei den Kollegen von rockhard.de findet man ein aktuelles Interview mit Luna Sol-Mastermind David Angstrom…)
Rock and Roll.