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Das neue Jahr ist erst gut zwei Wochen jung und hält bereits für all jene, die in den seligen Neunzigern mit Rockmusik aufgewachsen sind, die erste echte Scheißnachricht bereit: Dolores O’Riordan ist tot.
Dolores O’Riordan? Ja, die Frontdame von den Cranberries. Freilich denkt man nun zuerst an deren zwar guten, jedoch auch echt fiesen Ohrwurm „Zombie“. An das dazugehörige Musikvideo, welches innerhalb von fünf Minuten all die Schrecken des Nordirlandkonflikts auf den visuellen Punkt bringt. An die für nicht wenig Hummeltittchen sorgende Version des Songs bei MTV Unplugged, mitgeschnitten am Valentinstag 1995 in der Academy Of Music in Brooklyn, New York. Natürlich wurde die Band aus dem irischen Limerick vor allem mit und wegen diesem Stück berühmt und bekannt, eventuell noch wegen „Linger“ oder „Ode To My Family“ (letzteres ist ebenso wie „Zombie“ auf dem 1994 erschienenen zweiten Album „No Need To Argue“ zu finden, welches sich bis heute mehr als 16 Millionen Mal weltweit verkaufte). Aber speziell für mich war O’Riordan, waren die Cranberries so viel mehr als diese zwei, drei einprägsamen Songs…
Klar, man konnte die Stimme der zierlichen Frontfrau anstrengend, nervtötend und – to put it simple – scheiße finden (und wer in den kommenden Tagen Umschreibungen wie „Rockröhre“ oder „Powerfrau“ in irgendeinem Nachruf findet, darf gern ein paar Euronen fürs Phrasenschwein einfordern). Man konnte dem Anfang der Neunziger ins Leben gerufenen Rock-Quartett gut und gern ebenso deren nicht selten prätentiöse Herangehensweise ans Musikalische zur Last legen wie die Tatsache, spätestens nach dem 1999 erschienenen vierten Werk „Bury The Hatchet“ den eigenen kreativen Zenit merklich überreizt zu haben (der Titel des nächsten, zwei Jahre darauf in die Regale gestellte Albums „Wake Up And Smell The Coffee
“ darf gern symptomatisch für dessen Null-und-nichtig-Aussagekraft stehen und heutzutage nur noch von Eingeschlafene-Füsse-Bands wie Coldplay getoppt werden). Dass Dolores O’Riordan es einige Jahre, nachdem sich die Cranberries zwischenzeitlich auflösten, mit einem ersten, halbwegs gelungenen Solo-Album namens „Are You Listening?
“ (sic!) versuchte? Dass die Band 2012 mit dem sechsten Werk „Roses
“ ein kaum bemerktes Comeback versuchte und erst im vergangenen Jahr auf „Something Else
“ – nennt es mangelnde Kreativität, nennt es „die Nostalgiewelle reiten“, nennt es Geldschneiderei – einige ihrer *hust* „größten Hits“ als Akustikversionen neu interpretierte? Hat man am Rande registriert, und sich irgendwie auch gefreut, dass O’Riordan und ihre drei nicht mehr ganz jungen Jungs (Noel und Mike Hogan sowie Fergal Lawler) immer wieder einen Neuanlauf wagten.
Klar, irgendwie waren sowohl Dolores O’Riordan als auch die Cranberries standfeste Relikte der Neunzigerjahre-Rockszene. Wegen „Zombie“. Wegen Nordirland. Aber auch wegen so viel anderer tolle Stücke, von denen mir spontan „I Just Shot John Lennon„, „Animal Instinct„, „Salvation„, „Promises„, „Ridiculous Thoughts“ oder „Yeats‘ Grave“ in den Sinn kommen.
Als ich vor wenigen Minuten von Dolores O’Riordans überraschendem Tod im Alter von 46 Jahren las, musste ich an all jene Momente meiner Jugend denken, die ein alter Freund – zwei Dumme, eine Erinnerung – nur wenige Sekunden darauf via Facebook – und in Anspielung auf das ewig tolle Titelstück von „No Need To Argue “ – wie folgt auf den Punkt brachte:
„Jedes Treffen in deinem Elternhaus begann mit diesem Song auf der endgeilen Anlage deines Vaters (mit Kirchensound versteht sich). ‚Ich brauche meine Medizin‘ sagte ich immer. Kacke und nu isse nich mehr. Mir dreht sich der Quirl im Magen.“
Ganz klar: Wir alle werden älter, und – ähnlich wie ich mich bei der Nachricht vom Tod Chris Cornells gefühlt habe – sagen unserer Jugend mit jeder dieser Noten ein ums andere Mal Adieu. Eine Träne im Anschlag, die Faust bleibt erhoben. Danke für heilige juvenile Momente, Dolores. Du irische Sirene. Du Rockröhre. Du Powerfrau. Mach’s gut, verdammt.
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Rock and Roll.
„Daffodil Lament“ – immer noch eines der besten Livestücke ever…
Auch toll, natürlich!
[…] andere Spur hinterlassen zu haben – so meine ich einen Touch der vor zwei Jahren (zu früh) verstorbenen Cranberries-Sirene Dolores O’Riordan […]
[…] wäre beeindruckt.“ Wow. Kann ein Kompliment – selbst wenn es lediglich im Namen der 2018 verstorbenen Frontfrau gemacht wurde – noch größer ausfallen? Unzählige Interpret*innen haben sich […]