„Bei Hitlers brennt noch Licht“ – bedrückende Zeilen von Simon Pearce


brennt noch licht

Simon Pearce ist ein in München lebender deutscher Schauspieler, Synchronsprecher und Comedian – deutscher geht’s kaum, möchte man meinen. Und trotzdem wurde Pearce seiner Hautfarbe wegen bereits seit frühester Kindheit mit Themen wie Rassismus oder Intoleranz konfrontiert, wie er kürzlich auch in einem Interview zu seinem neuen Buch „So viel Weißbier kannst gar ned trinken: Wie ich als Schwarzer in Bayern groß geworden bin“ erzählte. Da mag sich die bayrische Landeshauptstadt noch so weltgewandt geben…

Nicht nur deshalb, sondern der aktuellen Stimmungsschieflage in Deutschland insgesamt wegen verfasste Pearce, der die ganze Sache als Comedian glücklicherweise auch mit einem lachenden Auge zu nehmen weiß, bereits Ende 2016 ein Gedicht mit dem Titel „Bei Hitlers brennt noch Licht“, welches leise, leise, jedoch auf bedrückende Art und Weise an die Lyrik Erich Kästners im Vorfeld des NS-Regimes erinnert…

 

Bei Hitlers brennt noch Licht.
Es ist nie ganz erloschen,
nur eine kurze, ruhige Zeit war’s Fenster fest verschlossen.
Nur ab und zu, ganz schüchtern fast, kaum hörbar, ein Gewisper…
Man nahm’s kaum wahr und dachte sich: „Was soll’s? Da ist noch Licht an.“
Bei Hitlers brennt noch Licht – Jetzt treten sie ans Fenster.
Jetzt sieht man sie, jetzt hört man sie …
das sind keine Gespenster.
Ganz stolz und lautstark steh’n sie da, entzünden und krakeelen.
Und ihre Drohung ist ganz klar: „WIR GEHEN WIEDER WÄHLEN!“
Bei Hitlers brennt noch Licht.
Vernunft wo bist Du? Wo?
Komm‘ raus und hilf … und schalt‘ es aus.
… sonst brennt es lichterloh.

 

 

Natürlich sind Themen wie Rassismus, Intoleranz, beschränktes Denken und Dummheit kein explizit bajuwarisches Problem. Im Gegenteil: sieht man sich die vorerst amtlichen Wahlergebnisse an, so wird die AfD in meiner alten sächsischen Heimat mit besorgniserregenden 27 Prozent stärkste Kraft.

*hust*

Ich entschuldige mich nun bereits im Voraus für mein Fehlen an Contenance, aber: Geht’s noch?!? Ich verstehe ja, dass ihr – sorry, aber das kommt von Herzen – Trottel und Vollpfosten, die ihr „der Merkel“ eins auswischen wollt, nun eure Chance gekommen saht, aber hat sich auch nur ein Drittel von euch Wutsparlämpchen einmal das total verquere Wahlprogramm der AfD durchgelesen? Mal ehrlich (und: ja, euch bleibt in diesem Fall meine Polemik nicht erspart): verstehendes Lesen – funktioniert das überhaupt bei euch? Ja? Hm… Ihr wolltet doch mit euren vier zu zwei Kreuzen geformten Strichen bestimmt nur „ein Zeichen setzen“, habe ich recht? Wenn demnächst wieder irgendwelche Flüchtlingsheime brennen oder stramme Hinterlandskameraden mit ihren blank polierten Köpfchen zum Fackelumzug ansetzen, dann war das „ja alles nicht so gewollt“, stimmt’s? Natürlich, ist schon klar – es ging ja bei dieser Wahl um Frisuren, Drei-Tage-Bärte, um stylische, Vertrauen erweckende Schwarz-weiß-Bilder und Urlaubsfotos. „Wohlfühl-Mutti“. „Protest-AfD“. Um einen „Denkzettel“

Und obwohl ich weiß, dass dies am Ende in vielen Fällen die Falschen treffen würde, und mir mein Herz bei im Grunde pauschalen Aufforderungen wie dieser blutet, so bitte ich doch all jene, die in den nächsten vier Jahren einen Trip in so schöne, eigentlich in vielfacher Hinsicht lohnenswerte Städte wie Leipzig oder Dresden planen oder geplant haben: Bitte seht davon ab. Nehmt euch meinetwegen Berlin oder Hamburg, meinetwegen auch Köln oder Stuttgart oder welche deutsche Stadt auch immer vor. Lasst Sachsen mal rechts liegen. Die Menschen da scheinen aktuell ganz andere Problemchen zu haben und mit einem Ausländeranteil von sage und schreibe knapp vier Prozent bereits überfordert zu sein. Wer sich Brett-vorm-Kopf-Maximen wie „Fremde sind gut, solange sie Fremde bleiben“ schon so zu Herzen nimmt, der verdient es leider nicht anders, als für die kommenden vier Jahre mit all den Gaulands, Petrys, von Storchs, Weidels oder Höckes in seiner eigenen braunen Gesinnungssoße zu schmoren. Soll sich doch einer wie Alexander Gauland „unser Volk“ und „unser Land“ unweit der polnisch-tschechischen Grenze zurück holen (das hat ja schließlich vor knapp 80 Jahren schon einmal so prima funktioniert) und im sächsischen Hinterland, gemeinsam mit all jenen Gestrigen, die meinen, „auf der Strecke geblieben“ zu sein, seinen Stolz auf deutsche Soldaten und aufs „deutsche Vaterland“ ausleben. Ganz ehrlich: Haltet den Boykottieren den Spiegel vor und lasst sie ihre häßliche Schaum-vorm-Mund-Fratze einmal selbst zu Gesicht bekommen. Bastelt Schilder auf denen steht: „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei AfD-Wählern!“ – auch das war ja anno dazumal ein Ding von all jenen, von denen sich die AfD-Spitze – wohl aus guten Gründen – nicht klar distanzieren möchte.

Ich schreibe hier klar und entschieden, dass die AfD für mich lediglich einen Haufen von hasserfüllten, gestrigen, profilierungsgeilen Möchtegern-Politikern darstellt. Dass keiner von ihnen „dumm“ ist und der Großteil einen Doktortitel inne zu haben scheint, macht die ganze Sache keineswegs besser (ob sich hier Querverweise zu zweifelhaften „Persönlichkeiten“ wie Hermann Göring oder Joseph Goebbels, darf jeder gern selbst entscheiden). Auch Äußerungen seitens Herrn Gaulands am gestrigen Wahlabend, dass man in den kommenden vier Jahren die amtierende Bundeskanzlerin „jagen“ wolle, verbieten sich – da lasse sich weder Opas stattliche 78 Lenze noch die Euphorie des Wahlergebnisses als Entschuldigung gelten. In einer Demokratie, die die AfD ja im Wahlkampf mehrfach vehement auch für sich eingefordert hat, „jagt“ man keine Menschen – weder metaphorisch, noch verbal, noch politisch, noch sonstwie. Punkt.

Sollten irgendwem meine – freilich recht deutlichen – Zeilen nicht ins Gemüt passen, so würde ich mich freuen, wenn er, sie oder es diesem Blog fortan fern bleibt. Man gestehe mir die Wut zu, die manch einer dieser „Protest-Wähler“ beim Setzen seiner zwei Kreuzchen hatte – auch wenn ich, das gebe ich an dieser Stelle Frank und frei zu, nach langer und reichlicher Überlegung nicht gewählt habe. Die Wege stehen euch freilich frei: Entzieht diesem Blog euer „Like“, löscht ihn aus eurer Lesezeichenliste, „entfreundet“ mich gern auf Facebook (falls ihr mich da persönlich drin haben solltet). Oder – und das muss ein Mensch in einer Demokratie ab können – sucht das konstruktive Gespräch mit mir.

Noch einmal, in aller Deutlichkeit: Die AfD steht für mich vor allem für drei Dinge: gestrige Gedanken, verachtenswerten Populismus und Hass. Und gerade Hass – beziehungsweise negative Gefühle gegenüber alles und jedem – bringt keinen von uns voran, sondern Politiker wie Gauland, Weidel und Co. zunächst einmal nur in den Bundestag (wo sie sich in den kommenden vier Jahren – so bleibt zu hoffen – parteiintern aufreiben werden). Vor vielen Jahren wurde schon einmal „Protest“ gewählt und Hass geerntet. Und obwohl ich fest daran glaube, dass sich Geschichte wiederholt, so hoffe ich doch, dass es dieses Mal nicht so sein wird…

Peace. Over and out.

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

6 Gedanken zu „„Bei Hitlers brennt noch Licht“ – bedrückende Zeilen von Simon Pearce

  1. beste freundin sagt:

    Danke für dieses Gedicht! Ich werde mal sehen, ob ich es im sächsischen ländlichen Raum gewinnbringend unter das Volk mischen kann, ohne eins auf die Haube zu bekommen…ich schreibe dies mit einem sarkastischen Lächeln und selbst dieses bleibt mir, bei genauer Überlegung, im Hals stecken…
    ABER: Es gibt auch Menschen in Sachsen, welche die AfD NICHT gewählt haben! Beim Verfassen des Boykott-Teils hast du diese wohl vergessen? Geht man von der gesamtdeutschen Wahlbeteiligung von 76,1 % aus, haben 2,59 Mio Sachsen gewählt, davon 1,89 Mio NICHT die AfD. Sofern du noch in Sachsen gemeldet bist, hätte deine Wahl die Schraube noch ein klitze-kleines Bisschen nach oben gedreht. „Kleinvieh macht auch Mist.“, hat meine Oma immer gesagt…
    Am Rande bemerkt, haben die Wähler in den Städten, zu deren Boykott du aufrufst, das sächsische Ergebnis der AfD „gedrückt“…
    Immerhin: Der sächsiche Himmel zeigt sich vom Wahlergebnis sehr betroffen: Es gießt schon den ganzen Vormittag wie aus Eimern…
    Viele Grüße!

    • Heyho, beste Freundin, wollte mit meinem Kommentar natürlich keineswegs all jene diffamieren, die die Nicht-Alternative eben NICHT gewählt haben – das miese Gefühl in Bauch, Kopf und Herz ging explizit gegen all jene, die das getan haben (und das waren in machen Regionen bis an zu 40 Prozent!), sowie an die Partei selbst. Und du hast wohl recht: mancherorts sollte/darf man gern zwischen Stadt und Land (slash Kaff) differenzieren. Aber darum ging’s auch weniger, die Statistiken überlasse ich gern andere. Vielmehr musste bei mir etwas raus, und deshalb steht eben da, was da steht… Danke in jedem Fall für deinen Kommentar! With hope in my heart – Rock and Roll.

  2. beste freundin sagt:

    Ok, habe den Tag entlang noch über Gedicht und Text nachgedacht…um es kurz zu formulieren und bei dem Bild zu bleiben: „Wer soll denn das Licht ausmachen im braun gestrichenen Zimmer, in braunen Gegenden, wenn keiner mehr kommt?“ Schlaf gut!

  3. Sieghart Großweißmann sagt:

    Keine Sorge, die Mohammedaner und Koraner werden alle Lichter in Deutschland auslöschen. Die interessiert auch kein Name oder Gespenster von Gestern, hauptsache Tod. Glaubst du nicht? Guckst du Koran.

    • Folgendes sei zugegeben: Ich habe ein paar Tage mit mir gehadert und gerungen, ob ich einen Kommentar wie diesen in einem zwar bereits gute zwei Jahre zurückliegenden, jedoch immer noch so gemeinten Artikel (schließlich hat sich an der Grundsituation keineswegs etwas zum Besseren geändert) zulasse…
      Nun, ich tue es. Gerade schon, weil hier innerhalb von lediglich 29 Wörtern all das, was ich in – zugegebenermaßen – weitaus mehr Sätzen anno 2017 zur Schau stellen wollte, recht anschaulich gemacht wird: Die mit populistischer Proll-Wortwahl dargelegte Dummheit, aus welcher brauner Hass ebenso spricht wie Weltfremdheit und kleingeistige Angst. (Sowie freilich ebenso wenig Feingefühl für deutsche Rechtschreibung und Grammatik.) Von mir erntet so eine Person, die sich den Titel „Mensch“ erst durch harte Arbeit an den eigenen Einstellungen zurück verdienen muss, vor allem eines: Mitleid. Auch dafür, dass hier „Mohammedaner“ und „Koraner“ fleißig wortschöpfend erfunden werden, dieser „Sieghart“ (bei dem das „Großweißmann“ wohl der eigenen glatzköpfigen Untersetztheit wegen eher ein Familientitel baren Wunschdenkens ist) jedoch letzten Endes den Koran (in welchem ICH übrigens bereits gelesen habe) wohl ebenso oft in den Händen gehalten hat wie den Duden.
      Schlussendlich gilt für uns alle: Leben. Und, Obacht: leben lassen. Dass zwischen all den guten Menschen auch das ein oder andere formvollendete vollpfostige Arschloch steckt? Geschenkt. Dass ich euch Schwarzmaler und mindergebildeten „Protest-Wähler“ (aus welch’ anderem Grund sollte man Kreuze am Rande der AfD setzen?) von Herzen verlache? Versteht sich von selbst. War so, bleibt so. Deshalb Props und Dankeschön für diesem Kommentar.

      Namasté.

  4. […] morgen, bitte! File under: Wie mag man selbst behandelt werden? In jedem Fall: So nicht. Zwar mag dieser Post bereits vier Jahre zurückliegen, doch leider ist jedes verdammte Wort, dass ich anno 2017 in die […]

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