Olli Schulz – Feelings aus der Asche (2015)
-erschienen bei Trocadero/Indigo-
Also, bringen wir’s hinter uns: „Wenn es um Olli Schulz geht, ist man immer schnell in der Defensive. Was, dieser Kasper da aus dem Fernsehen, der noch alberner als Joko und Klaas zusammen ist? Böhmermanns nerviger Sidekick aus der Radiosendung? Genau der. Und der macht Musik? Ja, damit hat er angefangen, damals in Hamburg, das kann er richtig gut. Jetzt ist Schulz 40, hat sich aufs Fernsehen eingelassen, auf Business-Meetings, auf Quoten, Likes und Boulevard. Ausgerutscht und auf die Fresse gefallen ist er nicht, aber es war wohl knapp.“ – um gleich vorweg aus der Plattenkritik von Spiegel Online-Autor Andreas Borcholte zu zitieren. Fakt ist: Olli Schulz, gebürtiger Hamburger, Wahlberliner und Jahrgang 1974, ist ein Plappermaul und enthusiastischer Mutaufreißer, der bei seinen Konzerten auch schon mal den Redeanteil zu Lasten seiner nie selten formidablen, hintersinnigen Songs verschiebt. (Meine Lieblingsanekdote stammt übrigens immer noch aus der Zeit von Schulz‘ Debütalbum „Brichst Du mir das Herz, dann brech‘ ich Dir die Beine!„, als der selbstberufene Liedermacher und Comedian – in Personalunion, selbstredend – als Busfahrer und Showanheizer für die stets wunderbaren Weakerthans unterwegs war und es sich bei seinem Auftritt im Dresdner „Beatpol“, der damals, 2003, noch „Starclub“ hieß, durch verhaspelte Äußerungen derart mit Teilen des anwesenden Publikums verscherzte, dass Schulz bis heute einen großen Konzertbogen um die sächsische Landeshauptstadt zu machen scheint… aber das nur am Rande.) Und freilich mögen Viele Schulz vor allem als blödelnden Lulatsch aus „Circus HalliGalli“ kennen, als dessen Alter Ego „Charles Schulzkowski“, der auf der Berlinale – ohne Rücksicht auf Verluste oder falsche Scham – auch schon mal einen über den Durst trinkt, als „Bibi McBenson“ (seltsam ulkig auf Tonträgerkonserve), als „Schulz in the Box“ (seine Show auf Pro Sieben) oder als Radio-Counterpart zu Jan Böhmenmann („Sanft & Sorgfältig“ auf Radioeins). Doch all das läuft bei Oliver Marc Schulz seit Jahr und Tag nur am Rande, denn der Mann brennt am Ende des Tages – und das schon seit Kindheitstagen – stets nur für eines: die Musik. Und da hat der *hust* Singer/Songwriter (oder lasst uns beim „Liedermacher“ bleiben) in den letzten zwölf Jahren schon Beachtliches vorzuweisen: drei Alben mit dem Bandanhang „und der Hund Marie“ (das war im Grunde nur sein Kumpel Max Schröder, der danach vor allem solo sowie als Schlagzeuger von u.a. Tomte oder Die Höchste Eisenbahn in Erscheinung trat) sowie zwei Soloalben, von denen das letzte, „SOS – Save Olli Schulz
„, 2012 erschien. Und Schulz weiß genau, wie er Medien und Freunde sinnhaften Liedgutes gleichsam zufrieden stellen kann, denn neben rausgeschossenen Ulksongs wie „Mach den Bibo“, dem „Rangel Song“ oder „Verhaftet wegen sexy“ (mit Bernd Begemann) hat der Typ immer – und mit den Jahren: immer öfter – klasse Tiefgründiges auf Platte zu bieten. Ein Spagat, der am Ende nicht jedem gefällt? Natürlich. Aber jedem gefallen zu wollen, das war sicherlich noch nie Olli Schulz‘ Stärke…
Nun also legt der 40-Jährige sein sechstes Album „Feelings aus der Asche“ vor, bei dem logischerweise erst einmal das Wortspiel des Titels ins Auge fällt. Und gleich da – und noch bevor man einen einzigen (neuen) Ton gehört hat – wird Olli Schulz die potentielle Hörerschaft schon in zwei Lager spalten: die einen finden’s lustig und hintersinnig und auf den Punkt und haben im Januar schon einen Kandidaten für den „Albumtitel des Jahres“, die anderen schwadronieren von „Bemühtheit“ und Kriteln etwa an der zwanghaften Einbindung von Anglizismen herum. Scheiß‘ der Hund drauf! „Ich zähl‘ bis Zehn und halt‘ die Luft an / Und warte ab, was gleich passiert / Du musst dich nicht wundern, die Funken werden bunt sein / Es ist mein Herz, das explodiert“ – der Opener „So muss es beginnen“ legt ebenso beschwingt und gut los wie bereits seine Vorgänger auf Schulz‘ früheren Alben. Und auch „Phase“, zurecht die erste Single von „Feelings aus der Asche“, macht als eingängiger Dreieinalbminüter über ein gleichsam ruhe- wie rücksichtsloses, Männer und Energie vertilgendes Mädchen, von dem sich selbst der stolzeste Adonis besser fern halten sollte (was natürlich kaum gelingt), gut weiter. Der kundige Schulz-Hörer fühlt sich auch auf dem neuen Album schnell zuhause, denn so viel hat sich beim Liedermacher mit dem Schnoddermundwerk natürlich nicht verändert. Auch 2015 ist Olli Schulz ein feinfühliger Beobachter der Welt um ihn herum, der es trefflich versteht, Alltägliches in Worte und Melodien zu packen, und selbst dem grausten Grau noch etwas Farbe und Würde zu verleihen (etwa nachzuhören bei „Mann im Regen“, bei welchem man den nasskalten Wind beinahe im eigenen Gesicht spüren kann, während eine milde Herbstdepression durch das Lied schleicht). Ähnlich groß geraten der düstere Piano-Barstampfer „Boogieman“ oder Schulz‘ sehr persönliche, bittersüße Beziehungsabrechnungen „Das kann hässlich werden“ und das abschließende Titelstück „Feelings aus der Asche“ (mit an- und abschwellendem minutenlangem Intro, einem kurzen Gastbeitrag der ebenfalls in Berlin ansässigen Singer/Songwriterin Kat Frankie und Olli Schulz‘ wohl bislang bestem Text, den man hier am liebsten in Gänze zitieren würde). Etwas ungewohnter ist wohlmöglich nur die pathetische Rückspiegelschau von „Als Musik noch richtig groß war“, welche man so wohl eher bei und von Schulz‘ Musikkumpel Thees Uhlmann vermutet hätte (am Ende aber auch kaum verwunderlich, erschien das Debüt „Brichst Du mir das Herz…“ doch vor Jahren bei Uhlmanns Label Grand Hotel Van Cleef). Und: Für Witze und offensichtlich Humoriges bleibt auf „Feelings aus der Asche“ erstmals seltsam wenig Platz, dafür schickt der 40-jährige Musiker auf „Passt schon!“ den Hörer mit der plakativen Einleitung „Ich will eure Hunde sehn! / Schmeißt eure Hunde in die Luft!“ ganz bewusst auf die falsche Fährte, nur um sich dann drei Minuten lang durch eine grandios bitter-wahre Abrechnung mit dem Unterhaltungsgeschäft und gesellschaftlichen Zeitgeist zu singsprechen: „Tja, das kommt davon, wenn du nix gelernt hast / Dann biste ’ne Ratte“. Wer sich 2015 einen albernen Spaßsong vom Musik machenden Entertainer wünscht, der muss schon auf den Album-Bonustrack „10 Biddels“ zurückgreifen, der wohl nicht ganz unbewusst nur als Zugabe in Erscheinung tritt. Dem Rest bietet Olli Schulz einen guten Teil seiner bislang besten Songs, von denen einzig „Kinder der Sonne“ und „Dschungel“ etwas abfallen, und die in den bekannten Berliner „Hansa“-Studios unter Zuhilfenahme von Produzent Moses Schneider (u.a. Tocotronic, Beatsteaks, Turbostaat) oder Gisbert zu Knyphausen (am Bass, manchmal etwas Backgroundgesang) entstanden.
Sicherlich mag Schulz auch 2015 ein wenig zwischen den Stühlen stehen. Er ist weder so überdreht witzig und lauthals ironisch wie etwa Rainald Grebe oder so tiefgründig melancholisch wie Gisbert zu Knyphausen. Olli Schulz steht irgendwo dazwischen, im Spagat zwischen TV-Ulknudel und ernstzunehmendem Liedermacher, der – Achtung, Phrase! – „das Herz“, typisch norddeutsch, “ auf der Zunge trägt“ und nicht selten brillante Worte für seinen wie unseren Alltagstrott findet, während er zeigt, dass man stets bereits sein sollte, alles Schöne wie Bittere im Leben und auf der Welt mit ein wenig Humor zu nehmen. Somit ist „Feelings aus der Asche“ zwar kein Album, das sich anbiedert (ganz einfach, weil weder Schulz noch seine Stücke das nötig haben), aber ein Album, das jedem ans Herz wachsen kann. Man muss Olli Schulz nur lassen. Und für einen kleinen Moment den Showman vergessen…
Hier gibt’s das frisch veröffentlichte Musikvideo zur ersten Albumsingle „Phase“, das Schulz‘ „Circus HalliGalli“-Kollegin Palina Rojinski, Musikerin Kat Frankie und einen Clown, dessen Gesicht einem irgendwie bekannt vorkommen mag (nette musikvideoübergreifende Anspielung übrigens!), in Gastrollen anzubieten hat…
…einen knapp neunminütigen Promo-Clip zu „Feelings aus der Asche“, bei welchem Schulz mit Kumpel Jan Böhmermann bei einem Spaziergang durchs herbstliche Berlin etwas über sein neustes Album plaudert – freilich halb im Ernst, halb aus Spaß…
…Schulz‘ Auftritt vor wenigen Tagen bei „TV Total“ (Hat übrigens noch jemand außer mir den Eindruck, dass da zwischen Olli Schulz und Stefan Raab höchstens zwangsverpflichtete Sympathie – immerhin will der eine sein neuestes Werk promoten, der andere seine Show routinemäßig absolvieren – herrscht?)…
…und Olli Schulz‘ *hust* Performance von „Als Musik noch richtig groß war“ bei Jan Böhmermanns Show „NEO MAGAZIN“ (auf ZDFneo):
Und wer Olli Schulz selbst live, im Farbe und bunt erleben möchte, der bekommt bei folgenden Daten die Gelegenheit hierzu:
„Feelings aus der Asche“ Tour 2015
18.03.2015 – Hamburg, Große Freiheit
19.03.2015 – Hannover, Pavillon
20.03.2015 – Leipzig, Haus Auensee
21.03.2015 – Wien, Wuk
23.03.2015 – München, Muffathalle
24.03.2015 – Zürich, Plaza
25.03.2015 – Frankfurt, Batschkapp
26.03.2015 – Stuttgart, LKA Longhorn
27.03.2015 – Saarbrücken, Garage
28.03.2015 – Münster, Skaters Palace
30.03.2015 – Köln, Live Music Hall
31.03.2015 – Bremen, Moderndes
01.04.2015 – Berlin, Tempodrom
Rock and Roll.