Am Anfang ist da nur diese junge Frau namens Josee, der ein Paar Kopfhörer gereicht wird, um sich vor laufender Kamera einen Song anzuhören. Auf ihre Frage „How is that relevant?“ bekommt sie nur ein verschwörerisches „It’s very relevant…“ entgegnet. Und als die ersten Takte von „Wait For Me“, der aktuellen Single des dritten Allison Weiss-Albums „Say What You Mean„, verklungen sind, erfährt der Zuschauer auch den ein oder anderen Hintergrund: Josee ist eine Frankokanadierin aus Quebec, hat einen Verlobten namens Jean-François („She’s very French“) und eine kleine Tochter namens Lily. Just an diesem Morgen hat sie beide in ihrer alten Heimat zurück gelassen, um im fernen US-amerikanischen Connecticut ein Studium zu beginnen – etwas, das ihr bisher nicht möglich war, da sie ihre Tochter bereits mit 19 Jahren bekam und seitdem hart für den Lebensunterhalt der beiden arbeiten musste… Dass Regisseur Trevor Bowman gerade dieser jungen Frau eine so tränenreiche Abschiedsballade wie „Wait For Me“ mit Zeilen wie „I forgot what it felt like; I feel so alive / I’m packing my suitcase and changing my mind / I forgot what it’s like to look the things you want right between the eyes / It’s never been so hard to say goodbye“ vorspielt, hat schon etwas dezent Sadistisch-voyeuristisches. Andererseits: Wer, wenn nicht Josee könnte einen Song wie diesen besser verstehen?
Die 26-jährige, aus dem US-amerikanschen Athens, Georgia stammende Singer/Songwriterin Allison Weiss, taucht in diesem Musikvideo denn auch überhaupt nicht auf. Stattdessen hält die Kamera für knapp vier Minuten als One-Shot die Reaktionen der jungen Frau fest, die „Wait For Me“ zum ersten Mal hört, während im unteren Bildteil ihre Lebensgeschichte erzählt wird. „Wir sind an Trevor Bowman herangetreten, um ein Video für diesen Song zu machen“, wie Allison Weiss über die Entstehungsgeschichte zu „Wait For Me“ erzählt. „Doch anstatt uns lediglich eine Idee zu liefern, schickte er uns das [fertige Video]. Scheinbar besuchte er gerade eine Freundin, die zu diesem Moment eine sehr entscheidende Veränderung in ihrem Leben durchmachte, also gab er ihr ein Paar Kopfhörer und filmte, wie sie den Song zum ersten Mal hörte. Es hätte wohl kaum perfekter sein können: das Timing, die Geschichte… – alles. Das Video gibt genau wieder, wie ich mich fühlte, als ich den Song schrieb.“ Am Ende ist Josee den Tränen wohl genau so wie der Zuschauer am anderen Ende der Welt – und dieses Low-Budget-Video hat wieder einmal gezeigt, dass auch ganz kleine Momente für große Reaktionen und bibbernde Herzen sorgen können…
Rock and Roll.