Modest Mouse – Good News For People Who Love Bad News (2004)
Kürzlich spielte sich ein Album, welches schon lange nicht mehr in Gänze gelaufen ist, seinen Weg zurück in meine persönliche Heavy Rotation-Playlist. Und schon beim ersten Song wurde mir klar, dass ich „Good News For People Who Love Bad News„, dieses kleine, fiese Biest voll feinstem Indierock, völlig zu Unrecht so lange stiefmütterlich habe liegen lassen. Denn: die 16 Stücke der aus dem Kaff Issaquah im US-Bundesstaat Washington stammenden Band Modest Mouse bieten genug beiläufig essentielle Lebensweisheiten, um – mit aus Catchyness geschnitzten mutigen Hymnen – so ziemlich jeder Alltagsmonotonie den Garaus zu machen…
Nachdem Bläser den Hörer ohne Vorwarnung in die folgenden 49 Minuten geschubst haben, erzählt Sänger Isaac Brock in „The World At Large“ zu Gitarren, Streichern und ‚Bababa‘-Chören vom Treiben zwischen den Gezeiten („They days get shorter and the nights get cold / I like the autumn but this place is getting old / I pack up my belongings and I head for the coast / It might not be a lot but I feel like I’m making the most“). Der unglaublich eingängige Überhit „Float On“ nimmt alle Seitenhiebe des Alltags mit der nötigen Prise Lakonie mit („I backed my car into a cop car the other day / Well, he just drove off – sometimes life’s okay /…/ We both got fired on, exactly, the same day / Well, we’ll float on, good news is on the way“), und grinst schelmisch, wo andere versuchen würden, mit gleicher Münze heimzuzahlen. „Ocean Breathes Salty“ gibt gesalzene Ratschläge an alle unselig Verstorbenen („You wasted life, why wouldn’t you waste the afterlife?“), „Bury Me With It“ dreht sich als bitterböser Partygast grimmig im Kreis und verteilt gute Neuigkeiten an alle Gleichgesinnten („Good news for people who love bad news / We’ve lost the plot and we just can’t choose / We are hummingbirds who are just not willing to move / And there’s good news for people who love bad news“), nur um in „Dance Hall“ wie ein auf Tom Waits machendes angestochenes Indieschwein zu versuchen, die verfickte Diskokugel aus dem Fenster zu befördern. Auch in „Bukowski“ kommt Brock – scheinbar – nicht zu besserer Laune und lässt zu Banjo-Begleitung kein gutes Haar an den inneren Parallelen zum legendären Säufer-Autoren Charles Bukowski („Woke up this morning and it seemed to me / That every night turns out to be / A little more like Bukowski / And yeah, I know he’s a pretty good read / But God who’d want to be / God who’d want to be such an asshole? /…/ Who would want to be such a control freak?“). „The Devil’s Workday“ übt sich in Blasphemie und Misanthropie, in „The View“ denkt Isaac Brock für einen Moment ans Aufgeben („And if it takes shit to make bliss / Well I feel pretty blissfully / If life’s not beautiful without the pain / Well I’d just rather never ever even see beauty again“), merkt jedoch, dass ihn diese verdammte Todessehnsucht, die mittlerweile seine Umwelt befallen hat, einfach nur noch ankotzt („Are you dead or are you sleepin‘? /…/ Well everybody’s talkin‘ about their short lists Everybody’s talkin‘ about death“). Danach gibt sich die Sündenbock-Ballade „Blame It On The Tetons“ ungewohnt sacht, nur um in „Black Cadillacs“ in vollem Bandumfang und mit Saxofon-Unterstützung wieder die Salzwasserfinger in gesellschaftliche Wunden zu legen („And it’s true we named our children / After towns that we’ve never been to /…/ And we were laughing at the stars / While our feet clung tight to the ground / So pleased with ourselves / For using so many verbs and nouns“). „One Chance“ übt sich in Rückbesinnung aufs Wesentliche („We have one chance / One chance to get everything right / My friends, my habits, my family / They mean so much to me“), der Rausschmeißer „The Good Times Are Killing Me“ blinzelt zu Flöten, Orgel, Streichern und anschwellendem Schlagzeug ein wenig irritiert in den Happy End-Sonnenaufgang.
Während sich Brock & Co. auf Vorgängern wie dem 1996er Debüt „This Is A Long Drive For Someone With Nothing To Think About“ (ebenfalls eine persönliche Empfehlung!) oder „Moon & Antarctica
“ (2000 erschienen) noch selbstreflexiver gaben, öffnen sich Modest Mouse auf „Good News…“ erstmals ihrer Umwelt, ziehen die Schirmmütze ein wenig nach oben und fahren die Ellenbogen ein. Sicherlich mag das drei Jahre darauf veröffentlichte „We Were Dead Before The Ship Even Sank
“ noch – im positiven Sinne – umgänglicheren Indierock bieten (ein Umstand, der wohl vor allem der Mitarbeit von Ex-Smiths-Gitarrist Johnny Marr geschuldet sein dürfte). Aber mit „Good News For People Who Love Bad News“ liefert Isaac Brock sein vorläufiges Opus Magnum ab, denn hier treibt er seine dezent sarkastisch-treffenden Alltagsbeobachtungen auf die Spitze, tanzt den Waits’schen Rumpelwalzer mit Gott, Teufel und Gevatter Tod und stösst alle drei am Ende mit einem spitzen Lachen in den Indiediscoabgrund. Ob „Good News…“ Leben retten kann, das sei einmal dahingestellt. Den Tag erhellen Modest Mouse mit ihren kleinen, zornigen Düsterpolkas auf jeden Fall. Das Cover stösst sieben Pfeile in einen grünlichen Hintergrund, und auch die Songs gehen ohne Umschweife gezielt dahin, wo’s geht tut. Trotzdem hat (Selbst)Zerfleischung selten so viel Spaß gemacht… Und da das letzte Lebenszeichen – in Form der 2009 erschienenen EP „No One’s First, And You’re Next
“ – nun auch schon wieder vier Jahre zurück liegt, wäre es langsam wieder einmal an der Zeit, die Hörerschar ähnlich großartig zum Tanz zu bitten, Herr Brock…
Hier gibt’s Videos zum Evergreen „Float On“…
…und zu „Ocean Breathes Salty“…
…und hier den Song „The World At Large“ im Stream:
Und wer mag, kann sich auf Youtube das Album in Gänze zu Gemüte führen:
Rock and Roll.
[…] Modest Mouse brachten vor ziemlich genau zehn Jahren auf ihrem Meisterwerk von einem Album, “Good News For People Who Love Bad News“, das böse Spiel von Schicksal und Alltag mit großartig daher rumpelnden Melodien und […]