Trotz so einiger Blockbuster – man denke nur an den letzten Teil von Christopher Nolans „Batman„-Trilogie oder Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus“ – darf der geneigte Kinofreund 2012 gern als cineastisch durchschnittliches Jahr betrachten (ich selbst lege große Hoffnungen in den ersten Teil von Peter Jacksons „Der Hobbit„-Trilogie, auch da die verfilmte Vorgeschichte zum „Herr der Ringe“-Epos allerorts mit einhelligem Kritikerlob bedacht wurde). Jedoch braucht keiner Angst um das Absinken des Unterhaltungsniveaus bei Popcorn, Chips und Cola zu haben, denn so einige wöchentliche Fernsehserien – vor allem aus US-Übersee, aber auch aus dem Vereinigten Königreich – haben – geschicktem Product Placement und viralem Marketing sei Dank – mittlerweile einen Standard erreicht, der sich zweifellos mit dem der großen Leinwandproduktionen messen kann – sei es nun in Punkto Kamera, Schnitt, Regie, Erzählweise oder Kostüm/Make-up. Und auch viele Schauspieler, die man bisher aus abendfüllenden Unterhaltungsszenarien kannte, haben den Umbruch und die neuen Möglichkeiten erkannt und zeigen nun wöchentlich im 30- bzw. 50-Minuten-Format ihr Können. Und mal ehrlich: wer braucht schon Filme, wenn man die Möglichkeit hat, sich allwöchentlich von gefühlten 20 Serien parallel auf höchstem Niveau unterhalten zu lassen?
Für alle, die noch einen kleinen Überblick und/oder Neuempfehlungen benötigen, hier meine persönlichen Serien-Favoriten des Jahres 2012:
„American Horror Story“
Schöner gruseln konnte man sich 2012 wohl kaum – die stargespickte Serie (unter anderem spielen/spielten Jessica Lange, „Heroes“-Bösewicht Zachary Quinto, Mena Survari, Franka Potente, Joseph Fiennes, Chloë Sevigny oder „Maroon 5“-Schnuckel Adam Levine kleinere und größere Rollen) bietet beste Halloween-Unterhaltung für’s ganze Jahr. Nachdem in Staffel eins ein Haus in Los Angeles und deren aktuelle Bewohner bis auf die Grundfesten heimgesucht wurden, geht in Staffel zwei – logischerweise „American Horror Story: Asylum“ betitelt – der Spuk in einer Irrenanstalt in den Sechzigern weiter. ANEWFRIEND lobte die Serie ja bereits…
„The Walking Dead“
Halloween, die zweite: dass groß angelegte Zombie-Action nicht mehr allein dem Kino und Regisseuren und Genre-Legenden wie George A. Romero vorenthalten bleibt, zeigt die Serie von Frank Darabont, welche seit 2010 über AMC läuft: nach einer landesweiten (?) Epidemie, welche einen guten Teil der US-Bevölkerung in nach Fleisch und Blut dürstende Untote verwandelt hat, schlägt sich eine kleine Gruppe von Überlebenden durch den Südosten der USA, mit der ständigen Zombie-Bedrohung im Nacken und der vagen Hoffnung vor Augen, den einen Ort zu finden, welcher ihnen Sicherheit und Zuversicht bietet…
Obwohl die Handlung als solche keineswegs neu ist, stimmt bei „The Walking Dead“ nichtsdestotrotz einfach alles: Figurenprofile, Handlungsbögen, Erzählstruktur, Actioneinlagen, Settings… Und: das immens wichtige Zombie-Make-up stellt sogar vorangegangene genregleiche Filmproduktionen in den Schatten! Staffel drei läuft aktuell, der Zombiedaumen zeigt steil nach oben.
„Dexter“
Dexter Morgan führt ein Doppelleben: tagsüber verdient er seine Brötchen als Blutspuranalyse-Forensiker beim Miami-Metro Police Department, nachts geht er seinen inneren Zwängen nach und tötet als Serienmörder nach festen, von seinem verstorbenen Vater verordneten Verhaltenscodes Menschen, um diese ihrerseits davon abzuhalten, weitere Morde zu begehen – Unrecht im Namen der Gerechtigkeit, quasi. Alles könnte so perfekt am Schnürchen laufen, wären da nicht Dexters fortwährende Selbstzweifel und sein Umfeld: seine Schwester Deborah ist Lieutenant der Mordkommission und somit seine Chefin, sein kleiner Sohn Harrison braucht seine Aufmerksamkeit und ein behütetes Umfeld, und ständig ist irgendein Kollege oder gleichgesinnter Serienmörder drauf und dran, ihm auf die Schliche zu kommen… Der zuvor aus der Serie „Six Feet Under“ sowie Filmnebenrollen bekannte Michael C. Hall spielt als hochintelligenter Soziopath Dexter die Rolle seines Lebens und bekommt mit bekannten Gesichtern wie Jennifer Carpenter (in der Serie Dexters Schwester, im wahren Leben pikanterweise Halls Ex-Frau!), Julia Stiles, Mos Def, Colin Hanks (genau, Tom Hanks‘ Sprössling!) oder – aktuell in der siebenten Staffel – Yvonne Strahovski ein ausgezeichnetes Schauspielerteam für seine ‚One-Man-Show‘. In den vorangegangenen sechs Staffeln von „Dexter“ wurde die Spannungsspirale immer weiter angezogen, nach Staffel acht ist endgültig Schluss. Bisher ist nur dem engsten Kreis der Showtime-Serie die ungefähre finale Auflösung bekannt, der Zuschauer darf sich bis Ende 2013 jedoch noch auf einige Überraschungen freuen.
„Person Of Interest“
Big Brother is watching you – was wäre, wenn eine Maschine jedes Unrecht aufgrund von CCTV-Allround-Überwachung und Bits-and-Bites-Mathematik auf höchstem Niveau voraussagen könnte? Nun, der hochbegabte Milliardär Harold Finch hat im Nachlauf der Anschläge am 11. September 2001 im Auftrag der US-Regierung eine solche Maschine erfunden. Eine Maschine, die Zugriff auf jedes technische Gerät – seien es nun (Mobil)Telefone, Überwachungskameras oder Computerwebcams – hat und unter Zuhilfenahme des Internets und der eigenen künstlichen Intelligenz im Voraus Eins und Eins zusammenzuzählen weiß. Das Problem nur: die US-Regierung hegt kein Interesse am Schicksal einer einzelnen Person. So macht sich der menschenscheue Finch (Michael Emerson, bekannt als Benjamin Linus aus „Lost“) auf die Suche nach jemandem, der ihn beim Vereiteln der potentiellen Straftaten behilflich seinen kann, und findet ihn in dem untergetauchten ehemaligen US-Agenten John Reese (Jim Caviezel, den meisten wohl bekannt als Jesus in Mel Gibsons „Die Passion Christi“). Da beide mittlerweile offiziell als „tot“ gelten, führen sie ihre Schutzengel-Aktionen aus dem Verborgenen heraus durch – und geraten schon bald in Konflikt mit Gesetzeshütern und Unterwelt… „Person Of Interest“ ist die wohl aktuell unterhaltsamste und actionsreichste CBS-Serie (u.a. auch CSI, The Mentalist) und aktuell in Staffel zwei.
„House Of Lies“
In der Wirtschaft gibt es Haie und kleine Fische. Marty Kaan (gespielt von Don Cheadle, der sein Können bereits durch die ein oder andere Hollywood-Produktion unter Beweis gestellt hat) ist als Unternehmensberater einer der Haie im Hintergrund, der anderen Haien – also Unternehmen, in deren Auftrag er handelt – dabei hilft, konkurrierende Geschäftshaie aus dem Geschäft zu drängen und damit zu kleinen Fischen zu degradieren. Gemeinsam mit seinen drei ihm unterstellten Kollegen (großartig und schön: Kristen Bell als Jeanie Van Der Hooven) jettet er von Montag bis Donnerstag quer durch die Vereinigten Staaten, verteilt teure, wertvolle Ratschläge und verschweigt Freund und Feind dabei dennoch stets eins: die Wahrheit. Dabei kommen ihm ständig seine Ex-Frau, welche zu seinem Leidwesen gleichzeitig seine größte Konkurrentin darstellt, und sein mode- und musicalbessener 10-jähriger Sohn in die Quäre.
In „House Of Lies“ gibt Cheadle den Hank Moody („Californication“) mit Wirtschaftsverständnis in Anzug und Krawatte – ein gutaussehender, gut gebauter und intelligenter Womanizer, mit besten Absichten und einem Hang zu derben Sprüchen und familärem Chaos. Teure Luxuskarossen, feinstes Interieur, Bonusmeilen, schöne Frauen und bittere Wahrheiten – die Showtime-Serie bot in Staffel eins bereits beste Unterhaltung, Staffel zwei folgt im Januar 2013.
„2 Broke Girls“
Was passiert, wenn die „Upper Class“ und die schwer schuftende Arbeiterklasse zusammentreffen? Davon darf man sich in der Sitcom „2 Broke Girls“ überzeugen: Max (Kat Dennings) wohnt in einem kleinen Apartment im New Yorker Stadtteil Brooklyn, welches sie sich nur durch drei Jobs leisten kann. Sie ist Teilzeit-Nanny für das Baby-Zwillingspaar Brad und Angelina, welche von ihrer snobbistischen Mutter nur kurz „Brangelina“ genannt und zur Imagekorrektur am liebsten zwischen Fettabsaugungsklinik (!) und Sonnenbank (!) hin und her geschoben werden würde, backt des Nachts Cupcakes und verkauft diese während ihres dritten Jobs in einem kleinen Diner. Eines Tages steht die plötzlich verarmte Caroline (Beth Behrs) vor ihr, ein blondes Püppchen aus gutem Hause, das zwar Ahnung von Wirtschaft, Mode und Reitsport hat, dafür jedoch null Plan vom „wahren Leben“. Fortan teilen sich die wortgewandte, zynische Kämpfernatur Max und der wohlerzogene Caroline sowohl den Arbeitsplatz im Diner als auch das Apartment und verfolgen – allen Rückschlägen zum Trotz – einen gemeinsamen Traum: eine eigene Cupcake-Firma, für welche sie jedoch ein Startkapital von 250.000 Dollar benötigen…
„2 Broke Girls“ bietet mit derbem Humor, nah am Zeitgeist gelegenen Breitseiten auf die New Yorker Bevölkerung, Trends und das Weltgeschehen und tollen Figuren die wohl derzeitig – da ehemalige Lieblinge wie „How I Met Your Mother“ oder „The Big Bang Theory“ zuletzt doch arg schwächelten – beste kurzweilige Unterhaltung im Sitcom-Bereich – und wird als die erste Sitcom in die Geschichte eingehen, in der sogar die deutsche Synchronisation für Lacher denn für Verärgerung sorgt.
„Luther“
Dass sich die BBC mit ihren Produktionen keinesfalls vor vergleichbaren Formaten aus US-Übersee zu verstecken braucht, zeigt aktuell wohl keine Serie besser als „Luther“: John Luther (Idris Elba, dessen Schauspielqualitäten Worte kaum gerecht werden können) klärt im Namen der Londoner Polizei Gewaltverbrechen auf. Nur: der scharfsinnige und begabte Detective tut dies auf seine Art. Und da er dabei nicht selten unkonventionelle Wege geht, kommt er dabei nicht weniger selten in Konflikt mit Vorgesetzten und krimineller Unterwelt.
Grau, grauer, „Luther“ – die Londoner Schauplätze erscheinen bei dieser seit 2010 in bisher zwei gelaufenen Staffeln oft trostlos, heruntergekommen bis technoid und beinahe menschenleer. Luther hat Gutes im Sinn, doch stets mit seinen eigenen inneren Dämonen sowie peniblen, unfähigen oder korrupten Kollegen zu kämpfen. Idris Elba verleiht der ohnehin schon derangierten Person des John Luther mit schief sitzender Krawatte und Dreitagebart noch eine zusätzliche herbe Note. Gelacht wird hier nur aus Zynismus. Der Rest geht dazu in den Keller. Schöne (g)raue Welt. Großartig!
„Sherlock“
Wer dachte, die letzten filmischen Adaptionen des klassischen Sir Arthur Conan Doyle-Stoffes (mit Robert Downey Jr. und Jude Law in den Hauptrollen) seien großartig, der sollte sich unbedingt diese sechsteilige BBC-Produktion zu Gemüte führen…
Der aufgrund seiner Arroganz und Intelligenz beständig zwischen Philantroph und Misantroph pendelnde Sherlock (Benedict Cumberbatch) bewohnt zusammen mit dem traumatisiert aus dem Afghanistankrieg zurückgekehrten Dr. Watson (Martin Freeman) eine gemeinsame WG in der Londoner Baker Street 221b. Er steht New Scotland Yard zwar als Berater zur Verfügung, macht jedoch seine eigenen Regeln und behandelt sein Gegenüber stets mit Geringschätzigkeit. Sherlock ist ultraintelligenter Einzelgänger, Freund und Feind stets den entscheidenden Gedankensprung hinaus und daher recht einsam in seinen eigenen Sphären.
Die von Steven Moffatt und Mark Gatiss entworfene Reihe bedient sich gekonnt bei einigen von Sherlock Holmes‚ klassischen Fällen wie dem „Hund von Baskerville“ oder dem „Reichenbachfall“ und überführt sie – modernste Hilfsmittel inklusive – ins 21. Jahrhundert, ohne sich jedoch die ein oder andere kleine humoristische Spitze zu sparen. Wer Kriminalfälle, misantrophe Charakaterköpfe und Handlungsbögen auf höchstem englischen Niveau mag, der sollte sich die zwei Staffeln à drei Folgen (jeweils 90 Minuten) nicht entgehen lassen. Eine Fortsetzung von „Sherlock“ darf, da Watson-Darsteller Martin Freeman durch seine Darstellung des Bilbo Beutlin in Peter Jackson „Der kleine Hobbit“-Adaption Weltruhm erlangen wird, leider durchaus angezweifelt werden…
Ferner liefen:
„How I Met Your Mother“, „The Big Bang Theory“, „New Girl“…
Aus dem Rennen:
„Fringe„ – Der J. J. Abrams-Nachfolger zu „Lost“ konnte als „Akte X“-Klon zwar anfänglich den Erwartungen gerecht werden, verzettelte sich jedoch alsbald in allzu vielen – und immens verwirrenden – Handlungssträngen und -ebenen, welche mal mit alternativen Figurenkonstellationen von Paralleluniversen oder der alternativen Zukunft aufwarteten. Nach der aktuellen fünften Staffel ist verständlicherweise Schluss.
2013 wieder im Rennen:
„Californication„ – A propos „Akte X“: David Duchovny alias Hank Moody reißt ab Januar 2013 wieder alles Weibliche auf zwei schönen Beinen auf, was ihm in die schwarzhumorigen Finger kommt – allen vergangenen Bemühungen, es ruhiger angehen und seine große Liebe Karen zurückzugewinnen, zum Trotz. Der Cliffhanger von Staffel fünf hat’s spannend gemacht, die bisherigen Staffeln haben die dauerharte Moody’sche Messlatte (sic!) weit oben angelegt…
Rock and Roll.
Hey danke für die Liste, eine Sache: Sherlock bekommt eine dritte Staffel, Martin Freeman war die Woche im Colbert Report zu Gast und sagte dort, dass die Dreharbeiten im März 2013 beginnen.
Hey Tobi,
danke für’s Lesen und den Hinweis – wusste ich bisher nicht & freut mich doch umso mehr!
Bleib‘ ANEWFRIEND treu!
Rock and Roll.
Marcus
Hey Meister!
Ich habe in diesem Jahr immerhin eine Serie geguckt ;-), und die hieß „Borgen“ und lief auf Arte…aus Dänemark…Gruß
[…] In guter Tradition startet die ANEWFRIEND‘sche Jahreszäsur auch 2013 mit den Serien… […]