The Twilight Sad – No One Can Ever Know (2012)
-erschienen bei FatCat Records / Rough Trade-
Der Abschied ist ein zweischneidiges Schwert. Spätestens jetzt kann nun auch die zum Trio geschrumpfte schottische Band The Twilight Sad das eine oder andere Lied zu diesem Sprichwort beitragen. Ihr Bassist Craig Orzel, seit der Gründung 2003 für die tiefen Töne verantwortlich, verließ die Band 2010 „aus privaten Gründen“. Eventuell mag das ja die Initialzündung für den Entschluss gewesen sein, dem gewohnten Bandsound einen neuen Anstrich zu verpassen… So verabschiedete sich die Band nach ihrem Bassisten auch von der bisher so charakteristischen „Wall of Sound“, begab sich in die Hände von Produzent Andrew Weatherall (u.a. Beth Orten, Primal Scream) und hieß – und dies ist der „Verdienst“ von eben jenem Weatherall und seinen Vorlieben – ein bisher für sie ungewohntes Instrument in ihrer Mitte willkommen: den Synthesizer. Das bei den Aufnahmen, welche Anfang 2011 in London stattfanden, herausgekommene und nun erscheinende dritte Album „No One Can Ever Know“ ist vor allem eins: mutig. Mutig, einen Beinahe-Neuanfang zu wagen, mutig, zu riskieren, dass man die Sympathien und Aufmerksamkeit einiger Anhänger verspielt. Doch etwas anderes stand laut Gitarrist Andy MacFarlane nie zur Debatte: „We never want to remake the same record just because it pleased some people.“ Man fühlt sich an einigen Stellen an eine englische Band erinnert, die vor nicht all zu langer Zeit mit ihrem ebenfalls dritten Album einen ähnlichen Richtungswechsel vornahm: die Editors…
Arbeitete die Band auf den tollen Vorgängern „Fourteen Autumns & Fifteen Winters“ (2007) und vor allem „Forget The Night Ahead“ (2009) noch gewinnbringend und beeindruckend mit der Laut-Leise-Dynamik aus Gitarre, Schlagzeug und Bass und stapelte Spuren zur bereits erwähnten „Wall of Sound“ auf, thronen nun analoge Synthesizer nach bester New Wave- / Syth-Pop-Manier über allen neun Songs. Das mag der Band eventuell einige neue Zuhörer aus dem „dunklen Lager“ und ein deutliches Plus in Sachen Tanzbarkeit bescheren, alle anderen jedoch, die bisher mit The Twilight Sad vertraut waren, lässt die knapp 45 Minuten währende Geisterbahnfahrt eher ratlos fröstelnd zurück. Natürlich bleiben noch die markante Stimme und der breite schottische Akzent von Sänger James Graham, um sich daran festzuhalten. Natürlich geht es in seinen Texten erneut um die mal mehr, mal weniger morbiden Seiten von Liebe, Sex und Zärtlichkeit (ein ‚Sonnenscheinchen‘ wird Graham in diesem Leben wohl kaum mehr). Doch der Rest in – beinahe – komplett ungewohnt. Bei einigen Songs, wie der Vorabsingle „Sick“, düster-schönen „Not Sleeping“ oder dem sakral beginnenden „Nil“, geht das Experiment vollends auf, in vielen anderen Songs jedoch singt Graham regelrecht gegen die Sythie-Flächen an. Konnte man sich bei den Vorgängern noch, aller Lautstärke zum Trotz, in die atmosphärischen Gitarrenspuren von McFarlane schmiegen, fühlt man sich bei all der analogen Kälte (exemplarisch ist hierfür der Albumabschluss „Kill It In The Morning“), welche Vorbildern wie Magazine, Autechre, Cabaret Voltaire oder Joy Division gefährlich nahe kommt, von der Musik abgestoßen. Die Band zieht vom gemütlichen, miefig-sympathischen Pub in die Kellergewölbe des angesagten, neuen, Eighties-mäßigen Elektro-Clubs und lässt einen an Tresen sitzen…
Dass „No One Can Ever Know“ trotzdem ANEWFRIENDs Album der Woche ist, ist ihrem Mut und ihrer Rücksichtslosigkeit in Sachen Veränderung zu verdanken (und ein wenig wohl auch den von den Vorgängern eingeheimsten Restsympathien). So wird das dritte Album von The Twilight Sad zwar nicht als Totalausfall oder als ihr – zumindest für mich – bestes, eventuell jedoch als ihr mutigstes in die Bandhistorie eingehen. Wer die „gewohnten“ Klänge des Trios aus dem schottischen Kilsyth hören möchte, der muss wohl momentan auf die B-Seiten schielen (die Demo-Version des Songs „Untitled #67“ als B-Seite von „Sick“ ist in seiner berührenden Reduktion in Verbindung mit Grahams Stimme und Text da ein positives Beispiel), und hoffen, dass der Band beim nächsten Album wieder nach einer Veränderung ist…
Wer mag, kann sich „No One Can Ever Know“ weiterhin hier in Gänze im Stream anhören.
Hier noch einmal das Video zu „Another Bed“, welches die morbide Grundstimmung der Texte sehr gut veranschaulicht…
…und einen vor wenigen Tagen veröffentlichten Auftritt der Band in der tollen „A Take Away Show“-Reihe von La Blogothèque:
Rock and Roll.
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