And so it starts (again)


„White Queen (As It Began)“ von Queen – das ist das erste, woran ich mich – aus musikalischer Sicht – erinnern kann. In einem Fotoalbum klebt ein altes Babyfoto von mir, aus einer Zeit, in der Deutschland noch durch eine Mauer und verschiedene politisch-ideologische Systeme in Ost und West geteilt war. Ich sitze, angelehnt an einen Hocker, auf dem Fußboden unserer ersten Wohnung neben dem Plattenspieler meiner Eltern und habe riesige Kopfhörer auf. Dazu dieser staunende, interessierte Gesichtsausdruck. Was ich da gerade höre, kann ich heute beim besten Willen nicht (mehr) sagen, ich stelle mir jedoch vor, dass es entweder die Beatles- oder die Queen-Platte meines Vaters war. (Er besaß von beiden Gruppen jeweils eine Schallplatte, welche keine offiziellen Alben waren, sondern AMIGA-DDR-Pressungen, jeweils mit relativ frühen Aufnahmen beider Bands. Bei den Beatles-Stücken müsste sogar, meiner Erinnerung nach, der „fünfte Beatle“ Stuart Sutcliffe zu hören gewesen sein.) Oder eine der Märchenschallplatten. Wie bei den meisten von uns haben also auch bei mir meine Eltern (genau genommen mein Vater) meine musikalische Früherziehung übernommen. Und Entscheidungen getroffen, für die ich ihnen heute noch dankbar bin. Nicht auszudenken, was für ein Mensch ich heute wäre, hätten sie mir deutschen Schlager („Weihnachten in Familie“ von Frank Schöbel und Aurora Lacasa mal ausgenommen, diese Platte war in DDR-Haushalten wohl öfter zu finden als das SED-Parteibuch) oder ähnliches zu hören gegeben… Oder die Rolling Stones. (Für mich unterteilt sich bei der gitarrenlastigen Früherziehung meiner Generation alles nach Beatles- und Stones-Kindern, oder eben den armen Rest. Mehr dazu aber eventuell ein anderes Mal.)

So wurde also mein kindliches Gehör, neben den von den Eltern gesungenen Gute-Nacht-Liedern, mit durchaus hochwertigen Harmonien geschult und auf die Gitarre geeicht. Als die Mauer gefallen und der Retter in dem musikalischen Freiheitskämpfer namens David Hasselhoff gefunden war, musste natürlich auch bei mir eine Kassette des Mannes her, der in roten Badeshorts an Sonnenstrand des kapitalistischen Mutterlandes nach dem Rechten sah und mit Sportwagen sprechen konnte. Und ich erinnere mich sehr genau, wie mein Großvater klagte, durch wieviele Kleinstadtelektronikgeschäfte er sich fragen musste, um endlich, endlich eine Kassette auftreiben und für teuer Geld erstehen zu können… (Ja genau, Jugend von heute! Nix mit Internet an, fix googeln und runterladen. iTunes?!? Nicht mal in den feuchtesten Träumen! Wollte man was gelten auf dem Pausenhof, musste man sich eine MC von „Ronny’s Pop Show“ für den Walkman schenken lassen oder Sonntags die Charts auf Radio PSR mitschneiden. Da war ein Timing gefragt, was euch reizüberfluteten ADHS-Kids doch vollkommen abhanden gekommen ist…)

Mein erstes selbst gewähltes musikalisches Idol war jedoch Bryan Adams, der Kanadier mit der Knödelstimme und Songs wie „Run to You“, „(Everything I Do) I Do It For You“ und natürlich „Summer of ’69“. Seine Texte waren der Beweggrund für mich, freiwillig Englisch zu lernen, zu seinen Refrains wurden meine ersten Luftgitarren vor dem Spiegel gestimmt und zertrümmert. Eine Liebe, die ganze fünf Jahre, vom Best of „So Far So Good“ (für’s Zeugnis geschenkt gekommen) bis zum Album „On A Day Like Today“ (dann schon selbst gekauft) hielt. Danach waren bei uns die besten gemeinsamen Zeiten vorbei und Luft raus. Ich schickte den kleinen Kanadier zusammen mit seinen stets ungleich größeren Lebensabschnittspartnerinnen wieder in die weite Welt, gab ihm jedoch den Ratschlag mit auf den Weg, es in Zukunft doch mal lieber mit dem Fotografieren als zweitem Standbein zu versuchen. Was er auch tat. Und sogar Topmodels wie Cindy Crawford oder Persönlichkeiten wie Mick Jagger oder Hilary Clinton vor die Linse bekam. Glückwunsch, geht doch.

Ich ging derweil mit meiner neuen (und wie ich heute schreiben kann: definitiven) großen Liebe namens Pearl Jam fremd. Ihre 1998er Single „Do The Evolution“ und vor allem das dazugehörige Musikvideo (noch heute eins der besten überhaupt) hatten mich gepackt. Also fix in den kleinen Musikladen im nächstgrößeren Nachbarort und das Album „Yield“ erstanden – natürlich mittlerweile auf CD, auch der Walkman war mittlerweile dem Discman gewichen. Die 13 Songs drauf ließen den 14jährigen Möchtegern-Alternative-Hörer in mir, der sich gerade von einem grippalen HipHop-Infekt erholt hatte, dann zwar noch relativ orientierungslos vor der Anlage meines Vaters mit den Schultern zucken, aber der Fünfer um Sänger Eddie Vedder hatte mich. Nach und nach wurden alle Alben besorgt (von denen mir „Vs.“ übrigens bis heute das liebste ist) und die Hymnen ins Herz und die Melodien in Mark und Bein aufgenommen. Eine Liebe fürs Leben und mit genau den richtigen Mengen an Zug und Pathos.

Nun, diese Künstler haben, zusammen mit dem Boss (oder, für die Unbekehrten: Bruce Springsteen), welcher etwa 1995, ob nun aus eigenem Antrieb oder auf Zuraten meines Vaters (wenn ja, dann hier noch einmal ein herzliches „Danke!“), dazu stieß und dessen „Thunder Road“ für mich wohl auf ewig der ideale Song sein wird, um mit der Angebeteten gen Sonnenuntergang zu fahren, den musikalischen Grundstein gelegt. Alles, was danach kam, stellt(e) weitere Astgabelungen und Blütentriebe zu diesem musikalischen Stamm dar. Seien es nun neue Lieben wie Thursday oder der wohl größte und viel zu früh von dieser Welt gegangene beatleeske Songwriter Elliott Smith, dessen Texte mir so viel bedeuten, so nahe gehen und mit so viel eigener Vergangenheit vollgesogen sind, dass ich seine Songs heute nur noch in homöopathischen Dosen hören kann. Oder im Nachhinein eigenartige Liebschaften wie die Spice Girls, bei denen ich es im Nachhinein auf die Jugend und Unerfahrenheit zurückführen mag und mich frage, warum zum Teufel ich diesem One-Night-Stand (gut, leider eher ein Two-Night-Stand) meine Adresse gegeben habe…

Wie heißt es in einem Song von Frank Turner doch so schön: „I’ve had many different girls inside my bed, but only one or two inside my head“. Heran- und Hereinlassen sind immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe.

Fragt noch jemand nach dem – für mich – größten Song aller Zeiten? „Freebird“ von Lynyrd Skynyrd natürlich. In der Studioversion. Und nur in dieser Version. (Oder in der aus dem Film „Elizabethtown“. Wenn ihr möchtet, könnt ihr mich gern zu meiner Meinung zum Regisseur dieses Films, Cameron Crowe, fragen… Ergäbe wieder einen feinen Monolog meinerseits.) Bitte zu meiner Beerdigung ein Mixtape ausschließlich mit „Freebird“ vollmachen und auf „Repeat“ stellen. Ernsthaft? Ja, ernsthaft. Danke.

 

Rock and Roll.

Ein Gedanke zu „And so it starts (again)

  1. […] Hirn gleich dahinter) eine Begrifflichkeit ist – oder eben die, die ANEWFRIEND bis zum allerallerersten Post im Januar 2012 durchgeklicktscrollt […]

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